Fast 6000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Viele der Anwohner reagierten entspannt auf die Evakuierung, doch nicht alle.
Zwischen Frust und GelassenheitWie Anwohner die Bombenevakuierung in Köln-Rodenkirchen erlebt haben
Ein bisschen unheimlich sei es ihr schon gewesen, gibt Sonja Lenz zu. „Die buddeln da schon seit drei Wochen, ich möchte nicht wissen, wie oft die mit den Baggern schon über die Bombe gefahren sind.“ Lenz wohnt direkt neben der Baustelle an der Adamstraße in Rodenkirchen, wo am Montagabend auf Höhe des ehemaligen Kronenberg-Geländes eine zehn Zentner schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurde. Bereits am Montagabend wurden viele Anwohner mit Flugblättern auf die bevorstehende Evakuierung aufmerksam gemacht. Am Dienstagvormittag sitzt Lenz mit mehreren hundert anderen Anwohnern vor dem Gymnasium in Rodenkirchen, der provisorisch eingerichteten Anlaufstelle für die fast 6000 Anwohner, die wegen der Bombe ihre Wohnungen verlassen mussten, und wartet auf die Entschärfung.
Mitarbeiter von Hilfsdiensten wie dem Deutschen Roten Kreuz und dem Arbeiter-Samariter-Bund reichen Sprudelwasser und Müsliriegel, während ihre Kollegen den gebrechlichen Menschen Sitzplätze organisieren. „Hier ist alles in Ordnung, die Helfer geben sich viel Mühe“, lobt Lenz. Nur um ihre Katze, die sie zurücklassen musste, macht sie sich Sorgen. „Hoffentlich passiert nichts und die Bombe ist bald entschärft.“
Mann auf der Suche nach dementem Vater: „Das ist das totale Chaos hier“
Am späten Nachmittag konnte das Ordnungsamt Entwarnung geben: Nach einem langen Einsatztag entschärfte der Kampfmittelbeseitigungsdienst die Bombe gegen 17 Uhr. Es hätte allerdings ein noch deutlich längerer Arbeitstag werden könnten. Denn der 500 Meter große Gefahrenbereich, der am Dienstag evakuiert werden musste, umfasste auch zwei Seniorenzentren und zwei Kliniken.
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Gegen 10.30 Uhr startete der Ordnungsdienst mit dem ersten Klingelrundgang und sperrte die Straßen ab, ein zweiter Rundgang am Nachmittag sollte noch folgen. Verkehrsteilnehmer wurden gebeten, den abgesperrten Bereich weiträumig zu umfahren. Auch die Straßenbahnlinien 16 und 17 waren betroffen und fuhren ohne Halt durch den Evakuierungsbereich. Die Buslinien 130,131, 134, 135 mussten das Gebiet umfahren.
Währenddessen begannen Feuerwehr, Rettungsdienst und Hilfsdienste, die rund 370 Senioren aus den beiden Altenheimen in andere Seniorenzentren, die Anlaufstelle im Gymnasium oder in Krankenhäuser zu transportieren, „je nach körperlichem und medizinischem Zustand“, wie Horst Jahnke vom Ordnungsamt am Nachmittag an der Einsatzleitstelle erklärte. Rund 1200 Anwohner seien älter als 75 Jahre, was die Evakuierung schwieriger mache. „Bisher arbeiten wir das aber routiniert runter“, sagte er.
Den Eindruck hatten auch viele der Anwohner, die am Gymnasium Rodenkirchen ausharrten. „Wir werden hier gut versorgt“, sagte ein 85-jähriger Mann, der gemeinsam mit seiner Frau im Schatten eines Pavillons auf Neuigkeiten wartete. „Ich habe noch erlebt, als die Bomben gefallen sind. Dagegen ist das hier ein Kindergeburtstag.“
Doch nicht alle zeigten sich zufrieden mit der Organisation. „Das ist ein totales Chaos hier“, beschwerte sich am Vormittag ein Mann aus Hürth, der auf der Suche nach seinem Vater vor dem Gymnasium gelandet war. „Mein Vater wohnt in einem der Seniorenzentren, seine Hüfte ist gebrochen und er ist dement. Und noch immer weiß ich nicht, wo er hingebracht wird.“ Das Seniorenzentrum habe ihn bereits zu zwei Krankenhäusern in Deutz und in Ehrenfeld geschickt, wo er seinen Vater aber nicht finden konnte. Dann sei er zum Gymnasium gelotst worden. Doch auch dort konnte man dem Mann nicht helfen, erzählt er.
„In so einer Einsatzlage ist leider nicht immer auf Anhieb zu sagen, wo jeder Einzelne der Senioren hingebracht wird“, gibt Horst Jahnke vom Ordnungsamt darauf angesprochen zu. „Aber es wird niemand verloren gehen.“ Dutzende Krankentransporter auch aus umliegenden Regionen unterstützen die Kölner Feuerwehr und das Ordnungsamt bei der Evakuierung. Als die Bombe um 17 Uhr entschärft war, begannen sie damit, die Bewohner der Seniorenzentren wieder zurück in ihre Wohnungen zu bringen. Ob der Mann aus Hürth seinen Vater zu diesem Zeitpunkt bereits gefunden hatte, ist nicht bekannt.