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Gutachten widerspricht PlanungRodenkirchener Brücke muss nicht abgerissen werden

Lesezeit 6 Minuten
Die Rodenkirchener Brücke.

Die Rodenkirchener Brücke ist seit 1996 unter Denkmalschutz gestellt.

Die Autobahn GmbH will die denkmalgeschützte Rodenkirchener Brücke abreißen und neu bauen.

Die Brücke soll weg. Die südlichste Kölner Rheinbrücke, erbaut zwischen 1938 und 1941 bereits als reine Autobahnbrücke, zwischen 1990 und 1994 durch einen Anbau in der Kapazität verdoppelt und umfassend saniert, ist zum Abbruch vorgesehen. So plant es jedenfalls die Autobahn GmbH des Bundes, die im Zuge des Ausbaus der A4 zwischen den Autobahnkreuzen Köln-Süd und Köln-Gremberg die Rodenkirchener Brücke – einst die längste Hängebrücke Europas und seit 1996 unter Denkmalschutz gestellt – kurzerhand abreißen und durch einen Neubau ersetzen will.

Die Planungen dafür laufen bereits seit einigen Jahren, das Hauptargument der Autobahnplaner lautet: „Das heute schon sehr hohe Verkehrsaufkommen kann mit der aktuell sechsspurigen Autobahn nicht mehr sicher und leistungsfähig bewältigt werden.“ Acht Spuren – also vier in jede Richtung – sollen es künftig sein im Kölner Süden. Und das auch auf der Brücke.

Brücke wurde bereits in der 1990er Jahren grundsaniert

Konkret ist hier zwar noch gar nichts. Auch der Zeitplan ist bislang reichlich unverbindlich, die Autobahn GmbH spricht bisher von einem Baubeginn frühestens im Jahr 2034. Und doch ist der Widerstand gegen den Abriss der Brücke im Kölner Süden groß. Vor allem in Rodenkirchen haben viele Bürgerinnen und Bürger Angst vor einer jahrelangen gigantischen Brückenbaustelle mitten im Stadtteil.

Für Verwunderung, und das nicht nur in Rodenkirchen, sorgt vor allem die Tatsache, dass die ursprüngliche Brücke ja bereits in den 1990er Jahren nicht nur grundsaniert, sondern im gleichen Zug auch großzügig verbreitert wurde: Das Zwillingsbauwerk, das damals auf der Südseite der Brücke angedockt wurde, verdoppelte die Kapazität des Rheinübergangs auf einen Schlag. Wer heute über eine der Richtungsfahrbahnen der Brücke rollt, hat auf beiden Seiten die Auswahl zwischen drei Spuren – und wundert sich, dass in beiden Richtungen noch mehr als genug Platz wäre für eine weitere Fahrspur.

Bezirksregierung Köln widerspricht der Einschätzung der Autobahn GmbH

Doch das Bild täusche, erklärt Sabrina Kieback, Sprecherin der Autobahn GmbH auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Auch wenn sie augenscheinlich danach aussieht: Die Rodenkirchener Brücke ist statisch nicht dafür dimensioniert, um dauerhaft eine Belastung von vier Fahrspuren je Fahrtrichtung aufzunehmen.“

Das allerdings sieht die Bezirksregierung Köln deutlich anders. Andreas Ebert, Ingenieur im Denkmalschutz-Dezernat der Behörde, hat das Vorhaben der Autobahn GmbH im vergangenen Jahr ausführlich untersucht – und kommt zu ganz anderen Schlüssen. Die Brücke sei nämlich sehr wohl „bereits bei der Erweiterung 1990-1994 für die Lasten aus vier Fahrstreifen je Fahrbahn (8-streifig) berechnet worden“, heißt es in seiner Studie, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Zur Entlastung könne zudem ein Tempolimit oder ein Überholverbot auf der Brücke beitragen.

Brückenquerschnitt sei breit genug für vier Fahrbahnen

Auch der Brückenquerschnitt entspreche dem Regelquerschnitt von 43,5 Metern gemäß der in diesem Fall maßgeblichen „Richtlinie für die Anlage von Autobahnen“, so Ebert. Sein Fazit: „Für diesen Regelquerschnitt ist der Überbau der Bestandsbrücke geometrisch groß genug. Der Brückenquerschnitt ist für die erforderlichen vier Fahrbahnen je Fahrspur breit genug.“

Über den Gesamtzustand der Brücke gibt es ebenfalls höchst unterschiedliche Aussagen. So sagt Autobahn-Sprecherin Kieback: „Brücken wurden in der Vergangenheit auf eine Nutzungsdauer von 70 Jahren ausgelegt“, relativiert dann aber die umfangreiche Sanierung und Verbreiterung der Brücke in den 1990er Jahren und argumentiert relativ schlicht: „Die Rodenkirchener Brücke ist jedoch als ein Bauwerk zu betrachten. Die Erweiterung kann nicht separat betrachtet werden. Als Baujahr gilt daher das Jahr 1954.“

Ermüdungszustand der Konstruktion wurde überprüft

Allerdings hatte bereits im Januar 2020 das Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner – Gründer Fritz Leonhardt hatte die Rodenkirchener Brücke 1941 zusammen mit Architekt Paul Bonatz erbaut – der Brücke einen ausgezeichneten Zustand attestiert: Es seien keine Schäden bekannt, die die Tragfähigkeit beeinträchtigen, heißt es in einer Untersuchung des Ingenieurbüros.

Auch der Ermüdungszustand der Bestandskonstruktion wurde überprüft, dabei kamen die Experten allerdings lediglich zum Fazit, dass das historische Bauwerk nicht den aktuellen Vorschriften für ermüdungssichere Konstruktionen entspreche. „Das ist jedoch für ein Bauwerk der Baujahre 1940, 1954 und 1994 auch nicht zu erwarten“, so Andreas Ebert. Er weist darauf hin, dass bei den Untersuchungen keine Feststellungen zu konkreten Bauwerksschäden infolge von Ermüdung wie Rissbildung oder dokumentiertes Risswachstum aufgeführt würden.

Es steht Aussage gegen Aussage

Dagegen spricht die Autobahn GmbH von „erheblichen Defiziten“: „Die Spannungs- und Beulsicherheitsnachweise sind bei der Nachrechnung für den 8-streifigen Ausbau deutlich überschritten“, so Autobahn-Sprecherin Kieback. Willi Kolks, der Leiter der Außenstelle Köln der Autobahn GmbH, schreibt daher der Bezirksregierung nach Prüfung des Ebert-Gutachtens knapp: „Ein Ersatzneubau der Rheinbrücke Rodenkirchen ist unumgänglich.“

Aussage gegen Aussage also: Ein Gutachten, das der denkmalgeschützten Brücke deutliche Zukunftstauglichkeit attestiert – und ein Bauherr, der genau diese Zukunftsfähigkeit bestreitet und neu bauen will. Das ist die derzeitige Gemengelage im Kölner Süden. Entschieden wird über das gigantische Projekt allerdings nicht etwa im Kölner Stadtrat, sondern durch Bundesregierung und Bundestag.

CDU-Kandidat Otte wirbt für einen Neubau

Letzterer wird in gut einer Woche neu gewählt, auch Sven Lehmann, seit 2017 Bundestagsabgeordneter für die Grünen im Kölner Süden, tritt wieder an. Und er hat zur Brückensanierung eine klare Meinung: „Das Gutachten der Bezirksregierung Köln zeigt: Die Rodenkirchener Brücke ist vollkommen intakt und könnte sogar einer Erweiterung standhalten.“ Ein Abriss der Brücke wäre aus seiner Sicht „völlig irrsinnig“. Lehmann verweist zudem ebenfalls auf die Möglichkeit eines Überholverbots für Lastwagen auf der Brücke oder einer Geschwindigkeitsbeschränkung (wie sie seit Jahren auf der Brücke gilt) – beides würde die Belastungen für das Bauwerk zusätzlich verringern.

CDU-Kandidat Daniel Otte wirbt dagegen für einen Neubau: „Die Sanierung der Rodenkirchener Brücke ist zwingend notwendig für die Verkehre heute und in der Zukunft.“ Otte schlägt allerdings vor, eine neue Brücke ähnlich aussehen zu lassen wie das jetzige Bauwerk: „Ich bin mir mit den Menschen vor Ort einig, dass die denkmalgeschützte Brücke ein wichtiges, Identifikation stiftendes Symbol für den Kölner Süden ist. In diesem Sinne haben wir als CDU das Anliegen, dass die Silhouette der neuen Rheinbrücke den Hängebrücken-Charakter der bestehenden Brücke aufnimmt.“

SPD-Kandidatin Demirkan setzt auf weitere Beratungen

Renan Demirkan, die für die SPD antritt, will eine Entscheidung dagegen von weiteren Beratungen abhängig machen. „Es müssen sich alle an einen Tisch setzen und eine Lösung finden, so wie die Leute es brauchen und wollen.“ Die Sicherheit gehe allerdings vor. „Sollte die Brücke so marode sein, dass sie nicht saniert werden kann, muss sie zur Not neu gebaut werden.“

Erbaut wurde die Rodenkirchener Brücke als Teil des bereits damals geplanten Kölner Autobahnrings mitten im Zweiten Weltkrieg. Die Einweihung des zunächst „Adolf-Hitler-Brücke“ genannten Bauwerks fand am 20. September 1941 statt. Lange stand die Brücke nicht: Nach Bombentreffern stürzte sie im Januar 1945 ein. Zwischen 1952 und 1954 fand der Wiederaufbau statt, 1994 wurde die Brücke dann durch den Anbau eines Zwillingsbaus auf der Nordseite in Breite und Kapazität verdoppelt. Für den Kölner Stadtkonservator Thomas Werner sind die Kölner Rheinbrücken insgesamt Teil der baugeschichtlichen Identität der Stadt, denn sie „machen deren Panorama unverwechselbar“.

Den visuellen Wert der Rodenkirchener Brücke habe man bereits in den 90er Jahren erkannt, als man diese denkmalgerecht erweiterte. „Als Hängeseilbrücke markiert sie zusammen mit der Mülheimer Brücke den südlichen und nördlichen Auftakt der Stadt“, so der Stadtkonservator. „Der angedachte Abriss wäre daher ein deutlicher Identitätsverlust für die Kölner Brückenfamilie und ein empfindlicher Eingriff in das südliche Rheinpanorama.“