Joyce Kee hat in Australien studiert und will jetzt Opernsängerin in Köln werden. Deswegen fliegt sie für Gesangsstunden auch mal Langstrecke.
Opernsängerin als großer TraumJoyce Kee fliegt für Probestunde vom australischen Outback nach Köln
Am Morgen nach ihrem 24-Stunden-Flug steht Joyce Kee im Kammermusiksaal in Rodenkirchen und singt. Unermüdlich übt sie Tonfolgen, arbeitet an ihrem Notenumfang, optimiert das Atmen und die Lautstärke und studiert Lieder ein.
Opernsängerin zu werden „ist mein Traum“
Die beste Klangeigenschaft will Gesangslehrer Yeow Hoay Aw aus ihr heraus kitzeln. Sie erlaubt sich keine Erholung nach der langen strapaziösen Reise vom australischen Outback nach Köln. Schließlich weilt sie nur eine Woche in Rodenkirchen, und da kommt es auf jede Minute Unterricht an.
Die 29-Jährige möchte Opernsängerin werden. „Das ist mein Traum“, erzählt sie. Und weil sie sich selbst als dickköpfig, leidenschaftlich und ehrgeizig beschreibt, ist ihr Traum sicher kein Wunschtraum. Schritt für Schritt tastet sie sich an ihr Ziel heran.
Joyce Kee hat bereits Gesang studiert – und will noch mehr
In Adelaide, im südlichen Australien, hat sie bereits ein Bachelorstudium Musik und Gesang abgeschlossen – und auch danach ihre Stimme ständig weiter trainiert. Für eine Stunde Gesangunterricht ist sie teilweise sechs Stunden lang mit dem Auto gefahren.
Jetzt steht das Masterstudium auf dem Plan. An der Hochschule für Musik und Tanz in Köln will sie sich bewerben. Damit sie zur Aufnahmeprüfung in diesem Frühjahr zugelassen wird, muss sie unter anderem Tonaufnahmen einreichen.
Sie sollen richtig gut werden, deshalb nimmt sie Intensiv-Unterricht beim Gesangslehrer ihres Vertrauens in Rodenkirchen. Im vergangenen Winter war sie erstmals hier, im Januar zum zweiten Mal. „Man muss etwas investieren, wenn man etwas erreichen will“, sagt sie mit einem charmanten Lächeln.
„Die Kölner Musikhochschule ist eine Top-Universität“
Die Hochschule für Musik in Köln habe sie sich ausgesucht, weil sie eine Top-Universität sei. Außerdem beherrsche sie die deutsche Sprache perfekt. Sie hat sie in ihrer Heimat Malaysia zusammen mit einer Freundin gelernt, nebenbei und einfach so zum Spaß.
Auf den Gesangslehrer Yeow Hoay Aw und seine Kompetenz sei sie von Freunden in Malaysia aufmerksam gemacht worden, erzählt sie bei ihrem Januar-Besuch. Wie Joyce Kee stammt auch er aus Malaysia. Er selbst ist studierter Opernsänger, Musikpädagoge, Pianist und er leitet die Musikschule Mur 128, zu der auch der Kammermusiksaal an der Hauptstraße und der Chor „Voice Rodenkirchen“ gehören.
„Als Joyce bei mir angefragt hat, war ich völlig überrascht und gleichermaßen erfreut“, sagt er. Die beiden verstehen sich gut. „Ich mag, wie er unterrichtet, er ist geduldig“, schwärmt sie. Und der Musikpädagoge hält ihr natürlich alle Daumen für ihr Vorhaben.
Ihr Leben in Australien: Zwei Tage Fahrt zum Supermarkt
In Adelaide hat Joyce Kee nicht nur Musik, sondern auch Lehramt studiert. Und seit 2021 arbeitet sie im australischen Outback als Lehrerin. Sie verdient sich damit ihren Lebensunterhalt – und investiert immer weiter in ihre gesangliche Weiterbildung. Auf Stipendien oder größere finanzielle Unterstützung von den Eltern kann sie nämlich bislang nicht zurückgreifen.
In der Siedlung Pipalyatjara, in der sie wohnt und arbeitet, gibt es einen Mini-Laden, eine Tankstelle, ein paar Häuser, eine kleine Krankenstation ohne Arzt sowie eine Schule. Das Gebiet in Südaustralien hat den Status einer „Aboriginal Community“ und befindet sich im Eigentum der Aborigines, der australischen Ureinwohner.
Es macht Kee nichts aus, dass sie sich mitten in der Wüste befindet. Mehr als 700 Kilometer entfernt liegt der nächste größere Ort, Alice Springs. „Wenn ich dort einkaufen will, brauche ich mit dem Auto insgesamt zwei Tage für hin und zurück“, erzählt sie. Die Straße ist teils Sandpiste, teils asphaltiert und schnurgerade.
Sängerin: „Bei einer Panne brauchst du da gute Nerven“
Kaum ein Ort liegt am Straßenrand. Bei einer Panne bräuchte sie viel Wasser und gute Nerven; der Mobilfunk funktioniert nicht und oft dauert es Stunden, bis jemand vorbeikommt. „Zum Glück habe ich einen Kühlschrank im Auto“, erzählt sie. Ganz bewusst hat sie sich für die Abgeschiedenheit im australischen Outback entschieden.
„Ich bin jung und kann jetzt etwas erleben, und das macht mich zufrieden.“ Und das Unterrichten mache ihr Freude und sei eine sinnvolle, wenngleich nicht immer einfache Aufgabe. Die Aborigine-Kinder und -Jugendlichen im Alter von drei bis 18 Jahren ziehen mit ihren Eltern oft um, und so hat sie keine festen Klassenstrukturen.
Die Anfänge seien schwierig gewesen, aber seit sie sich einigermaßen verständigen kann, hätten vor allem die Kinder Vertrauen zu ihr gefasst. Dennoch ist es für die 29-Jährige keine Frage, dass das Lehramt im Outback nur eine Zwischenstation in ihrem Leben ist.
Studium in Köln ist die erste Wahl – aber es gibt einen Plan B
Sie setzt alles daran, Opernsängerin zu werden. „Einmal bin ich aufgewacht und mir war klar, dass ich ohne Musik sterben würde“, sagt sie. „Musik hat so viel Schönheit, Musik hat etwas Heiliges und mit Musik fühle ich mich komplett wohl.“
Sollte das Studium in Köln nicht klappen, dann sei sie auch nicht verzweifelt. Sie ist überzeugt: „Es gibt immer einen Weg, wenn man weiß, was man will.“ Sie würde einen zweiten Anlauf starten in Köln. Oder dem Lockruf ihres Freundes nach Österreich folgen, der dort studiert.
Wenn es allerdings nach ihrer Mutter ginge, dann sollte Joyce Kee wieder nach Malaysia zurückkommen. Sie hätte ihre Tochter gern näher bei sich. Aber Kee braucht ihre Freiheit, sagt sie und lacht.