Wohnungslose waren waren viele Monate mit Einwegkameras in der Stadt unterwegs. Ihre Bilder erzählen persönliche Geschichten und zeigen Alltagsmomente.
Der andere BlickWohnungslose zeigen Fotos ihres Alltags in Köln-Zollstock

Viele Fotos, die die Wohnungslosen aufgenommen haben, zeigen die Armut in der Stadt, andere greifen die Natur als Thema auf.
Copyright: Stephanie Broch
Der bemooste, fast liegende Stamm einer chinesischen Trauerweide, ihre verschlungenen, winterlichen Äste, Unterholz davor, eine grüne Wiese und Gebüsch dahinter – die Szene auf dem Foto strahlt etwas von einem verwunschenen Wald aus. Unter der Trauerweide steht verborgen ein Zelt. Hier lebt Herbert, das Bild hat er aufgenommen. Der 56-Jährige ist wohnungslos und hat bei einem Foto-Projekt der Aktion Menschen, dem Diakonischen Werk Köln und der Melanchthon-Akademie mitgemacht. In einer Ausstellung mit dem Titel „Die Stadt aus meiner Perspektive“ werden derzeit 22 Fotos in der Melanchthonkirche in Zollstock gezeigt.
„Wir wollten Wohnungslosen ein Medium an die Hand geben, mit dem sie leicht umsetzbar ein Statement abgeben können“, sagt Michael Lampa, Leiter der Wohnungsnothilfe des diakonischen Werks. Die Wohnungslosen bekamen dafür insgesamt hundert Einwegkameras, eine Vorgabe, was sie fotografieren sollten, gab es nicht. Im Zeitraum von Februar 2022 bis Mai 2024, hielten sie mit den Kameras fest, was ihnen ins Auge sprang oder sie berührte und lieferten insgesamt 800 Bilder ab.
Wohnungslosigkeit und Natur als Bildmotive
„Auf den Fotos finden sich vor allem zwei Themen wieder. Ein Thema ist die Armut in der Gesellschaft und Wohnungslosigkeit, das andere die Schönheit der Natur mit ihren Bäumen, Seen und Tieren“, berichtet Lampa. Herbert hat vor allem Naturmotive aufgenommen. „Ich habe fotografiert, was mir in meinem Tagesablauf begegnet, und da ich mich mehr im Grünen aufhalte als an innerstädtischen Orten, habe ich zum Beispiel Bilder gemacht von dem Ort, wo mein Zelt steht, vom Fühlinger See, wo ich im Sommer viel schwimmen gehe, von den Uni-Wiesen, von dem Hügel am Aachener Weiher im Winter“, erzählt er.
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In einer Foto-Ausstellung in der Melanchthonkirche zeigen Wohnungslose die Stadt aus ihrer Perspektive.
Copyright: Stephanie Broch
Alle rund 80 von der Wohnungsnothilfe betreuten Menschen wurden angesprochen, ob sie mitmachen wollen. Acht haben sich dazu entschlossen. „Für einige war die Verbindlichkeit, die Kameras regelmäßig wieder bei uns abgeben zu müssen, ein Hindernis. Viele sind auch durch die negativen Erfahrungen, die sie durch ihr Leben auf der Straße machen, misstrauisch“, erklärt Lampa.
Beim Fotografieren dazu gelernt
Zwischendurch trafen sich die Fotografen regelmäßig mit Mitarbeitern der Wohnungsnothilfe, um die bereits entwickelten Bilder anzuschauen. „Dabei sind alle rege ins Gespräch gekommen, unterhielten sich, wo etwas aufgenommen wurde und warum“, berichtet Lampa. „Ich fand es spannend, die Fotos der anderen zu sehen und mich darüber auszutauschen“, erzählt Herbert. Die Auswahl für die Ausstellung trafen die Fotografen und die Mitarbeiter des diakonischen Werks gemeinsam.
Er habe im Laufe der Zeit auch dazu gelernt, beschreibt Herbert. „Am Anfang hatte ich öfters mal den Finger vor der Linse. Das merkt man bei den kleinen Einwegkameras gar nicht so. Nachher ist mir das nicht mehr passiert. Außerdem habe ich mit der Zeit überlegt, wie ich ein Bild in Szene setzen will“, sagt er. Mit seinen Fotos, die in der Ausstellung zu sehen ist, ist er im Großen und Ganzen zufrieden. „Das Bild mit dem Morgennebel auf der Uni-Wiese könnte besser sein. Der Ort an der Trauerweide, wo mein Zelt steht, kommt ganz gut rüber“, meint er. Zu diesem Bild hat er auch einen Text geschrieben, der auf einer Tafel unter dem Foto zu lesen ist. Spaß hat Herbert das Fotografieren allemal gemacht. Wenn es geht, würde er mit dem neuen, liebgewonnenen Hobby gerne weiter machen.
Die Ausstellung „Die Stadt aus meiner Perspektive“ ist noch bis Samstag, 16. Februar, zu sehen, und kann jeden Tag in der Zeit von 17 bis 19 Uhr im Kirchsaal der Melanchthonkirche in der Breniger Straße 20 besucht werden. Fotokalender zur Ausstellung sind über die Wohnungsnothilfe zu bekommen.