Satirischer WochenrückblickAusgangssperre und plötzlich wollen alle nachts joggen
- Über Köln und die Kölner kann unser Autor Peter Berger manchmal nur den Kopf schütteln – oder schallend lachen.
- In seiner satirischen Köln-Kolumne „Die Woche”, in der er die Nachrichten der vergangenen sieben Tage humoristisch verarbeitet.
- Diesmal geht es um die Ausgangssperren und den Freiheitsdrang der Kölner
Köln – Verrückt. Die Ausgangssperre in Köln weckt Bedürfnisse, die vorher nicht da waren. Um Mitternacht mit dem Hund Gassi oder mutterseelenallein spazieren gehen, den Schrittzähler auf dem Smartphone testen, mit der Grubenlampe im Dunkeln joggen oder vom Grundrecht auf Schlafwandeln Gebrauch machen.
So viel Bewegungsdrang hätte man den Kölnern gar nicht zugetraut. Schunkeln mal ausgenommen. Weil das prima im Sitzen geht und man garantiert nicht vorwärts kommt. Plötzlich denken sich die Kölner vor lauter Laufbegeisterung völlig neue Bewegungsspiele aus. Run-Demie statt Pandemie.
Im maroden Justizhochhaus mit seinen 23 Etagen stehen seit dieser Woche alle Aufzüge still. Aus Sicherheitsgründen, heißt es offiziell, nachdem ein Fahrstuhl auf einen Absacker gleich mehrere Etagen Richtung Cafeteria gesaust war.
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Glauben Sie das bloß nicht. Der Aufzug-Ausfall ist ein stummer Protest gegen die vielen, zum Teil langjährigen Ausgangssperren, die in dem hässlichen Kasten verhängt wurden. Und so hetzen maskierte Richter und Rechtsanwälte jetzt treppauf treppab und spornen sich dabei gegenseitig an: Dass mir keine Klagen kommen. Bis die Aufzüge wieder fahren.
Mit noch mehr Freiheitsdrang rennt der Marathonverein gegen die Ausgangssperren an. Er fordert alle Kölner auf, sich am 7. Mai bei einem weltweiten Rennen von einem Auto jagen zu lassen, bis ihnen die Kiste in die Hacken fährt. Wer am weitesten kommt, hat gewonnen. Wegen der Pandemie ist die Catcher-Karre leider nur virtuell unterwegs. Aber wer weiß schon, was morgen ist, wenn wir Corona überstanden haben.
Der Fußverkehr hinkt hinterher
Aufzugverweigerer im Justizpalast. Autos, die Läufer hetzen. Solche Auswüchse sind nur möglich, weil es in Köln immer noch keinen hauptamtlichen Fußverkehr-Beauftragten gibt. Sondern nur einen Mitarbeiter für Nahmobilität, der vom Bobbycar bis zum Pedelec alle individuellen Bewegungsdrangarten abdecken muss, bei denen Muskelkraft zum Einsatz kommt. Der Fußverkehr hinkt hinterher.
Mitarbeiter für Nahkampf wäre wohl eine zutreffendere Jobbeschreibung. Bei den zunehmenden Aggressionen, mit der sich Radler und Fußgänger auf dem schmalen Terrain begegnen, das ihnen zur Verfügung steht. Erst in dieser Woche hat ein Radler eine Rollerfahrerin in Poll mit einem silbernen Damenrad beworfen. Über die Ausgangssperre lässt sich ja noch streiten. Über ein Flugverbot für Fahrräder sicher nicht.