Sexverbot als FriedensstifterKölner Theater spielt Kriegskomödie
Köln – Als der Krieg ausbrach in der Ukraine, an Weiberfastnacht, stand Georg Lenzen im Hänneschen-Theater hinger d’r Britz bei der Puppensitzung und spielte den Sitzungspräsidenten Volker Weininger. Rosenmontag war er dann mit dem Ensemble und Stockpuppen auf der großen Friedensdemo, um ein Zeichen zu setzten. „Das war eine grandiose Idee von Zugleiter und Festkomitee, statt Stadionzug eine Friedensdemo zu machen. Da fühlten wir uns auch emotional verpflichtet, mit Puppen dabei zu sein, nicht zuletzt, weil wir ja im letzten Jahr diesen Puppenzug inszeniert hatten. Das war ein besonderes Erlebnis, dieser gemeinsamen Sehnsucht nach Frieden Ausdruck zu verleihen.“
Jetzt steht Lenzen auf der Bühne des Horizont-Theaters (Termine ab dem 18. März) und gibt Lysistrata, die wohl bekannteste Komödie des griechischen Dichters Aristophanes, die im Jahre 411 v. Chr., im zwanzigsten Jahr des Peloponnesischen Krieges, zur Uraufführung gebracht wurde. Das Stück thematisiert den Kampf der Frauen gegen die Männer als Verursacher des Krieges und der damit verbundenen Leiden. Unter Führung der Titelheldin Lysistrata besetzen sie in Athen die Akropolis, konfiszieren die Staatskasse und verweigern sich fortan ihren Gatten sexuell.
Nach einigen Verwicklungen und Rückfällen – mehrfach versuchen liebestolle Frauen, die Burg in Richtung der Männer zu verlassen, oder die erbosten Herren versuchen, die Burg zu erstürmen – führt der Liebesentzug tatsächlich zum Erfolg. „Das ist so menschlich, diese Sehnsucht nach Frieden, nach Liebe, nach Glück. Und trotzdem war auch der Krieg immer Teil der Menschheitsgeschichte. Deshalb ist das Stück so aktuell wie damals.“
Kann man Komödie machen im Angesicht des Krieges?
Kann man Komödie machen im Angesicht des Krieges? „Das ist eine Frage, die sich mir schon im Karneval gestellt hat“, sagt Lenzen. „Darf man jetzt noch lachen oder feiern? Ich würde sie für mich eindeutig mit ja beantworten. Es geht ja auch um Ablenkung. Wenn man den ganzen Tag im Nachrichtenticker war, ist es doch wohltuend, auch einmal abschalten zu können. Das sind wir dem Publikum schuldig. Wenn wir nicht mehr spielen würden, wäre das ja eine zusätzliche schlechte Nachricht aus deren Sicht. Im besten Fall erweitert das Stück ihren Horizont und schenkt Zuversicht.“
Lysistrata sei eine Antikriegskomödie, „der Krieg wird behandelt und komisch aufgearbeitet“, erläutert Lenzen, für den Pazifismus ein wesentlicher Bestandteil seiner rheinisch-katholischen Erziehung war. Den Dienst an der Waffe habe er damals verweigert und lieber in einer Schule für körperlich und geistig behinderte Kinder Zivildienst geleistet. „Durch Liebesentzug wollen die Frauen beider Kriegsparteien die Männer dazu bringen, den Krieg zu beenden Auch wenn ihnen das nicht leicht fällt. Aber das ist etwas, was jeder kennt. Ein Sexverbot, um etwas durchzusetzen. Wenn die Ahhl säät: Wenns du esu spät us d’r Kneip küss, is nix mie mit Poppe…(lacht)“
Die Männer machen Krieg, die Frauen und die Kinder leiden. Regisseur Christos Nicopoulos erinnert der Krieg an seine eigene Vergangenheit, als er die griechische Heimat wegen der Militärdiktatur verlassen musste. „Der Humor ist wichtig, weil er einen Dinge anders wahrnehmen lässt“, sagt er, „man denke nur an den humorvollen Umgang der Engländer mit dem Zweiten Weltkrieg. Der Humor verleiht eine gewisse Lockerheit. Auch gegen das Abstumpfen. Mit Humor ist so etwas Festgefahrenes wie kalter Krieg nicht denkbar.“ Lenzen fällt das Stück „Sein oder nicht sein“ ein, in dem er 2008 im Millowitsch-Theater an der Seite von Dirk Bach spielte. „Dirk hat die Rolle des Konzentrationslager-Erhards gegeben – eine bitterböse Komödie zu den Wirren des Zweiten Weltkriegs. Ein tolles Stück, und das Thema Krieg macht die Komödie umso schärfer.“
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Die Inszenierung der Lysistrata im Horizont Theater von Christos Nicopoulos, der auch mit Astrid Rempel den Text bearbeitet hat, ist extrem reduziert. „Es gab damals in Griechenland nur männliche Schauspieler und einen Chor.“ Nicopoulos geht einen Schritt weiter, und lässt Lenzen alle Rollen spielen: Fünf Frauenrollen, acht Männerrollen und ein Pferd. „Die Charaktere entstehen aus mir heraus, so benutze ich verschiedene Stimmlagen oder Dialekte wie kölsch oder berlinerisch, um die Figuren abzugrenzen“, sagt der Schauspieler, dessen Kostüm aus einer weißen Shorts und einem weißen Laken besteht, das mal als Toga, mal als Umhang, mal als Trense eingesetzt wird.
Ein Kölner Schauspieler gibt fünf Frauen, acht Männer und ein Pferd
Das Bühnenbild besteht aus vier Obstkisten aus Plastik von einem griechischen Gemüsemarkt. Das Stück, das Lenzen auch landesweit an Schulen als Theater im Klassenzimmer aufführt und das in seinen Augen Volkstheater ist, dauert rund fünfzig Minuten. „Das ist körperliche Schwerstarbeit. Aber das Lachen befreit.“Lysistrata, Solo mit Georg Lenzen, Regie Christos Nicopoulos, Horizont Theater, Thürmchenswall 25, Karten zu 17 Euro (erm. 12 Euro) unter 0221-131604
www.horizont-theater.de