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WeihnachtsgeschäftKölner Spielwarenläden verlieren Kampf gegen Internet-Anbieter

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Ostheimer Krippenfiguren zum Spielen: Auch ein Nikolaus darf sich unter die Hirten und Könige mischen

Köln – Weihnachtszeit ist Spielwarenzeit. Dann haben Eltern und Großeltern beim Einkaufen mindestens so viel Spaß wie die Beschenkten unterm Weihnachtsbaum. Holzeisenbahn und Kaufladen, Fischertechnik und Plüschtiere – die Klassiker sind trotz der elektronischen Konkurrenz nicht kleinzukriegen. Da haben es diejenigen, die diese Klassiker anbieten, schon deutlich schwerer: Gleich zwei beliebte Spielwarengeschäfte müssen schließen. Im Sülzer Traditionsgeschäft „Spiel + Hobby Koeppen“, das mehr als 60 Jahre an der Ecke Wittekindstraße/Berrenrather Straße verkaufte, und bei den Rosenzwergen in der Nippeser Schillstraße wird das lukrative Weihnachtsgeschäft zum Schlussverkauf.

Während man bei Koeppen, denen der Hausbesitzer gekündigt hat, um mehr Miete einzunehmen, noch darauf hofft, ein neues Ladenlokal zu finden, kapituliert man bei den Rosenzwerge vorm Internet. „Es ist über die Jahre immer härter geworden“, sagt Thorsten Rosenberg. Pleite sei man zwar nicht; da man aber die weitere Entwicklung abzusehen glaube, mache man nach „achteinhalb tollen Jahren“ Schluss. „Jetzt haben wir es noch selbst in der Hand.“ Ähnlich erging es vor einem Jahr dem seit 1950 bestehenden Spielwarenladen der Familie Oerder in der Nachbarschaft.

Ohne Leidenschaft für Spielzeug geht es nicht: Georg Engelen in seinem Laden „Der Rabe“ in Lindenthal

Immer mehr bestellen Spielwaren im Netz, immer weniger kaufen im Laden, wo der Chef oder die Chefin noch selbst beraten. Hinzu kommen der Preiskampf mit großen Ketten und Discountern und die hohen Mieten, die Hausbesitzer in den attraktiven Lagen in Köln von Mietern verlangen. In der ganzen Stadt gibt es keine 15 inhabergeführten klassischen Spielzeuggeschäfte mehr. Läden wie van Dillen in Lindenthal, Hampelmann in der Südstadt, Kistentoyfel in Rodenkirchen oder Aura im Agnesviertel versuchen sich als Experten im Viertel zu halten. „Die Menschen verlassen sich auf unsere Empfehlungen“, sagt Georg Engelen vom Geschäft „Der Rabe“ an der Dürener Straße. Sein Spielsachen-Laden ist ein Wunschzettel zum Anfassen: zauberhafte Feen und zottelige Stofftiere, Holzgemüse fürs Kaufladenregal und „intelligente Knete“, Krippenfiguren zum Spielen und viel knallbunte Lektüre. Ein gutes Spielzeuggeschäft müsse nicht alles anbieten, aber von dem überzeugt sein, was im Regal steht, sagt Engelen. Dinge zum Spielen zu verkaufen sei nach wie vor etwas Besonderes.

Mancher Spielwaren-Verkäufer setzt auf Spezialisierung. Es gibt Experten für Brett- und Rollenspiele, Modellbau, Babyspielzeug und Raritäten. Patte Vugel als Anlaufstelle für Drachen und andere Art von Freizeitsport ist einer der letzten in der City. „Man muss sich ein wenig unterscheiden“, sagt Sascha Hoppenrath von „Nautilus“ in der Sülzer Lotharstraße. Er profiliert sich vor allem als „Wissenschafts-, Natur- und Technikladen“. Mini-Robotor aus Blechdosen, Experimentierkästen und Utensilien fürs Detektiv-Büro oder die Naturerkundung stehen im Regal. Man kann „erneuerbare Energien erzeugen“, Kristalle züchten oder mit einem kleinen Meißel Dinosaurier-Skelette aus Steinen klopfen. So etwas in einem liebevoll gestalteten Geschäft verkaufen zu wollen, sei kaum eine sinnvolle ökonomische Entscheidung. „Man muss selber Lust haben zu spielen. Es macht Spaß immer wieder Neues zu testen“, sagt auch Engelen. Und diese Begeisterung könne kein Computerbildschirm vermitteln.

Er sehe Menschen im Geschäft, die Waren mit dem Handy abfotografieren, um dann im Internet die Preise zu vergleichen. Auch nutze mancher eine ausführliche Beratung, bevor er gehe, ohne etwas zu kaufen. „Das ist frustrierend.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum das Weihnachtsgeschäft so wichtig für die Einzelhändler ist.

Für Entdecker, Tüftler und Bastler: Sascha Hoppenrath von „Nautilus“ in Sülz hat sich spezialisiert, um Kunden zu locken.

Als Engelen und Hoppenrath ihre Geschäfte eröffneten, gab es die angeblich unbegrenzte digitale Einkaufswelt bereits. Ihr standzuhalten, habe man sich aber nicht so schwer vorgestellt. „Es gibt aber auch ein Bewusstsein in der Nachbarschaft: Es ist gut, dass es so einen Laden im Veedel gibt“, sagt Hoppenrath.

Rund 30 Prozent des Jahresumsatzes macht das Weihnachtsgeschäft aus, schätzen Branchensprecher. So entscheidet sich in den kleinen Läden jedes Jahr im Dezember aufs Neue, ob und wie es weitergeht. Da haben es die Großen der Branche leichter, weil sie das Internet in eine Gesamtstrategie integrieren können. Intern spricht man von einer „Multichannel“-Strategie, der zum Beispiel die großen Ketten „Toys’R’Us“ oder „myToy“ folgen, die Filialen in Holweide und Marsdorf beziehungsweise in Chorweiler und Weiden unterhalten.

Der Besuch als Erlebnis

Im Warenhaus würden „Produkte inszeniert und emotionalisiert“, sagt Michael Hövelmann, Leiter der Galeria-Kaufhof in der Hohe Straße. Der Besuch des Hauses soll „ein Erlebnis sein“. Gleichzeitig verbinden sich Angebote und Serviceleistungen mit dem Auftritt im Internet. Die Vernetzung sei eine Chance. Doch ohne Kundenbindung dürfte sie auf Dauer auch hier nicht funktionieren. Denn wenn jemand bei einem anderen Internetanbieter kauft, nützt auch die in dieser Adventszeit wieder riesige Spielwaren-Verkaufsfläche im Kaufhof nichts.

Die Chefs in den schönen, bunten Spielzeugwelten wünschen sich, dass die Hersteller der Erkenntnis, dass es ohne Orte zum Anfassen nicht geht, mehr Taten folgen lassen. Die Hersteller könnten über andere Einkaufspreise und zusätzliche Serviceangeboten die Fachhändler besser unterstützen. Genau wie Vermieter, denen nicht egal ist, dass Stadtviertel veröden. Wer auf Qualität setzt, braucht den Fachhändler und seine schön gestalteten wunderbaren Spielzeugwelten zum Staunen, Ausprobieren und Wünscheerfüllen.