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Spurensuche in KölnAls Prinz Karneval noch am Aachener Weiher proklamiert wurde

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Im Williams-Bau fanden Veranstaltungen zu jeder Jahreszeit statt.

Köln – Die Prinzenproklamation im Gürzenich ist das alljährlich mit großer Spannung erwartete wichtigste gesellschaftliche Ereignis Kölns. Was heute wie selbstverständlich in der „guten Stube“ der Stadt begangen wird, fand in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Zirkuszelt am Aachener Weiher statt – im Williams-Bau.

Spuren gibt es praktisch keine mehr. Das ist bemerkenswert, weil sich zwischen 1947 und 1955 in diesem als Winterquartier gedachten Gebäude ein bedeutender Teil des gesellschaftlichen Lebens der Stadt abspielte.

Erste Live-Pri-Pro

Prinzenproklamationen zum Beispiel. Am 9. Februar des Jahres 1955 wurde damit im Williams-Bau sogar Fernsehgeschichte geschrieben. Erstmals wurde eine „Pripro“ live übertragen.

Dem Anlass entsprechend sangen die Mainzer Hofsänger „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Die Prinzenpritsche nahm damals Seine Tollität Alfred I., Alfred Neven DuMont, entgegen.

Unter der legendären Zirkuskuppel wurde auch Fußballgeschichte geschrieben und es gab eine eindrucksvolle politische Kundgebung, die wenige Jahre zuvor noch völlig undenkbar gewesen wäre.

Für Kölner, die 80 Jahre und älter sind, hat der Name des Williams-Baus immer noch einen ganz besonderen Klang. Wie selbstverständlich sprechen sie ihn nicht englisch, sondern deutsch aus mit Betonung auf der ersten Silbe: „Der Williams-Bau!“

Es war ein strahlend heller und warmer Sehnsuchtsort inmitten der Trümmerwüste der kriegszerstörten Stadt. Der Ort, an dem die Kölner das Feiern wieder lernten. In den acht Jahren seiner Existenz erlebte der Zeltbau, der eigentlich als Winterquartier des Circus Williams gedacht war, glanzvolle Veranstaltungen.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Wie der größte Saal der Stadt eröffnet wurde.

Am 25. Juli 1947 war die festliche Einweihung des 2500 Besucher fassenden Baus, der zur Aachener Straße hin einen repräsentativen Eingangsbereich hatte. Der damalige Oberbürgermeister Hermann Pünder schwärmte in seinem Grußwort auch gleich davon, dass in der Manege weit mehr stattfinden könne als Akrobatik, Dressuren und Clownerien.

Gesagt, getan: Auch das Direktoren-Ehepaar Harry und Carola Williams erkannte schnell die Möglichkeiten. Schließlich gab es keinen größeren Saal in der Stadt.

Komponist und Sänger Ludwig Sebus (90) trat ebenfalls im Williams-Bau auf. „Im Inneren ähnelte der Saal dem heutigen MaritimSaal“, sagt Sebus. Ein Teil der Zuschauerränge war auf Balkonen. Es war ein durchaus festlicher und eleganter Veranstaltungsort, der keineswegs wie ein Provisorium wirkte, erinnert sich der Krätzchensänger, der 1953 seine karnevalistische Karriere begann. „Ich bin noch heute stolz darauf, dass ich schon im Jahr 1955 als junger Künstler zur Prinzenproklamation eingeladen wurde.“ Drei Programmpunkte vor den Hofsängern sei er aufgetreten.

Elefantenmist gegen Baumaterial

Es hat eine typisch kölsche Anmutung, dass in der Zeit des Wiederaufbaus der zerstörten Stadt als Erstes ein großes Gebäude für Feste und Feiern errichtet wurde. Und vielleicht ist es ebenso kölsch, dass dafür ein Ort gewählt wurde, der sehr nahe an einem der sich auftürmenden Trümmerberge lag, dem heutigen Hiroshima-Nagasaki-Park.

„Das mag in der eigentümlichen Psychologie der Kölner begründet liegen, in der ja auch Tod und Karneval so nah beieinander liegen“, sagt Brauchtumsforscher Wolfgang Oelsner.

Und Reinold Louis, ebenfalls intimer Kenner der kölschen Seele, weiß zu berichten, wie der 1946/47 errichtete Bau überhaupt zustande kam: „Klüngeln war in diesen Zeiten nicht gerade in Mode. Aber Kompensieren wurde gepflegt“, erklärt er in seinem Buch „Aufgebaut“, wo dem Williams-Bau ein Kapitel gewidmet ist.

Das Wesen der Kompensation bestand im Fall des Williams-Baus im Tausch von Elefantenmist – ein hervorragender Dünger – gegen das begehrte Baumaterial.

Oper gastierte im Zirkuszelt

Ein mehrmonatiges Gastspiel der Operetten-Inszenierung „Die Csárdásfürstin“ bildete den Auftakt des Programms. Zirkusdarbietungen waren im Williams-Bau eher die Ausnahme. Stattdessen gab es Konzerte satt – etwa mit Marika Rökk oder Lionel Hampton. Außerdem strömten die Massen zu politischen Kundgebungen – etwa gegen die Wiederbewaffnung im Jahr 1952.

Oder auch am 4. Mai 1955: Am Vorabend der Pariser Verträge über die Einbindung der Bundeswehr in ein westliches Bündnis veranstalteten das Arbeiterjugendkartell und die Wehrdienstverweigerer gemeinsam mit der SPD eine mächtige Protestkundgebung im Williams-Bau, der sich eine Fackeldemonstration zum Neumarkt anschloss. Dabei kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Wie die Jecken im Williamsbau feierten und Hennes zum 1. FC-Köln fand.

Am nachhaltigsten in Erinnerung blieben aber Karnevalsfeiern. Die Jecken entdeckten den Bau schnell für sich. Das Jahr 1948 war schließlich das Jubiläumsjahr für das Festkomitee und die Kölschen Funke rut-wieß. Beide wurden 125 Jahre alt.

Das Zirkus-Management überließ die Aufgabe der Buchung durch Karnevalsgesellschaften Jean Küster, dem damaligen Präsidenten der KG Lyskircher Junge. Als 1949 der erste Rosenmontagszug nach dem Krieg durch die Innenstadt zog, waren auch Zirkustiere von Williams dabei – sogar eine Elefantendame.

Der 1. FC Köln bekommt sein Maskottchen

Eine Karnevalssitzung des 1. FC Köln im Williams-Bau wurde zum historischen Ereignis – nämlich der Geburtsstunde des Geißbocks als FC-Maskottchen. Es war wohl eher eine scherzhafte, karnevaleske Geste, als Harry und Carola Williams am 13. Februar 1950 dem Vorstand des noch jungen Vereins den kleinen Ziegenbock überreichten.

In der heiteren, von Sekt, Wein und Kalter Ente beflügelten Stimmung war ein Name für das Maskottchen schnell gefunden: Der damalige Spielertrainer Weisweiler hieß mit Vornamen Hennes.

Der erste FC-Geißbock lebte bis 1966. Immerhin zwei Deutsche Meisterschaften durfte er also mitfeiern – das war keinem seiner Nachfolger vergönnt.

Hennes II. war ebenfalls ein Geschenk des Zirkus. Carola Williams war noch bis 1968 Direktorin. Bis zu ihrem Tod am 11. Dezember 1987 war sie eine bedeutende Gönnerin in der Stadt.