Spurensuche in KölnDie vergessene kleine Schwester der Seilbahn
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Köln – In zehn Metern Höhe ging es mit gemütlichen neun Kilometern pro Stunde über bunte Blumenbeete und Teichbecken, über Wiesen und kleine Eisstände. „Es war ein gemütliches Gleiten, ganz anders als eine Fahrt mit der großen Seilbahn“, erinnert sich Beate Reinken an die Sesselbahn, die einst durch den Rheinpark in Deutz schwebte.
Sie war eine der Attraktionen der Bundesgartenschau (Buga) 1957. Anders als die große Schwester Rheinseilbahn und die Kleinbahn, die auch heute noch auf Schienen über die Wiesen ihre Runden dreht, ist die Sesselbahn vor Jahren allerdings komplett verschwunden. Fast komplett.
Freie Sicht ohne Fensterscheiben
„Es ist leider wirklich nicht viel übrig.“ Beate Reinken präsentiert in ihrem Büro in der Seilbahnstation in Riehl einen Stapel Unterlagen. Seit 22 Jahren arbeitet sie bei der Verwaltung der Kölner Seilbahn und verwahrt noch kleine Erinnerungsstücke an die Sesselbahn: Auf alten Werbezetteln mit Parkplänen ist ihr Verlauf noch zu sehen. Postkarten zeigen die kleinen Gondeln, gelbe Metallgestelle mit bunten markisenähnlichen Baldachinen und Sitzflächen aus Holz.
40 von ihnen schwebten auf einer Länge von 654 Metern von Nord nach Süd quer über den Rheinpark. Zwei Fahrgäste fanden in einer Gondel Platz. Nur ein Plastikseil sicherte den Ein- und Ausstieg in die Sessel, und anders als in der großen Seilbahn blickte man nicht durch Scheiben hinunter auf den Park. Auch das machte das besondere Fahrerlebnis aus.
Vom ehemaligen Café Rosenterrassen, einem Gebäude aus Glas und Stahlträgern am Fuße der Seilbahn, zur Kongresshalle „Halle 8“, dem heutigen Staatenhaus, verlief die alte Bahn. Etwa eine Million Fahrgäste beförderte sie allein während der Buga 1957, für die sie in den Zollstocker Pohlig-Werken gebaut wurde.
Gartenschaubesucher sollten nach ihrer Ankunft mit der großen Seilbahn auf dem Park-Gelände bequem weitergondeln können. Auch Seilbahn-Werbeflyer aus den 1990er Jahren bewarben noch diesen „Direktanschluss zur Sesselbahn im schönen Rheinpark“ – in drei Sprachen.
2003 war Schluss
Doch mit den Jahren beförderte die Sesselbahn immer weniger Gäste. 2003 wurden ihre Pfeiler abgebrochen. Für die Seilbahn GmbH sei der Betrieb „nicht gerade kostendeckend gewesen, um es zurückhaltend zu sagen“, erklärte Grünflächenamtsleiter Werner Adams damals. Außerdem wären „erhebliche Investitionen“ nötig gewesen, um die Bahn an aktuelle technische Standards anzupassen.
„Den Kollegen, die die Bahn viele Jahre betreut und gewartet hatten, blutete das Herz“, erinnert sich Beate Reinken. Einige von ihnen halfen beim Abriss der Anlage sogar mit.
Wo Spuren der alten Bahn zu sehen sind
„Ungefähr hier muss die eine Station gestanden haben“, sagt Reinken vor dem Außenbereich der Claudius-Therme. Vom Weg zeigt sie auf eine kleine Buchenhecke.
Der Abriss der Sesselbahn machte 2004 Platz für eine Erweiterung des Bads. Das einstige, denkmalgeschützte Café wurde kernsaniert und zum Teil der Therme. „Schwitzen, wo einst Rosen blühten“, titelte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zum Umbau. Und wo Parkbesucher einmal in die Sesselbahn stiegen, stehen heute Saunahütten und Liegestühle.
„Die Arbeit an der Station »Rosenterrasse« war sehr beliebt“, erinnert sich Reinken. Wegen dieser Buchenhecke, die den damals noch kleineren Thermen-Außenbereichs begrenzte. War sie im Frühjahr und Herbst nicht ganz zugewachsen, hätten die Mitarbeiter von der Station einen Blick auf die Badegäste erhaschen können. Vor allem die studentischen Mitarbeiter hätten sich am Anblick der Damen im Bikini erfreut, sagt Reinken und lacht.
Von den beiden Sesselbahn-Stationen im Rheinpark ist nichts übrig geblieben und die alte Trasse der Bahn durch den Park heute nicht mehr zu erkennen. Die Bäume sind größer und dichter geworden, die einstigen Schneisen für die hellblauen Stützen und das Seil längst nicht mehr sichtbar.
Ein Relikt an der Sachsenbergstraße
Wie Beate Reinken in ihrem Büro auf der anderen Rheinseite haben aber auch die Mitarbeiter in der Betriebswerkstatt der Seilbahn im Rheinpark einige Erinnerungen an die verschwundene Bahn verwahrt. Wolfgang Sauer, stellvertretender Betriebsleiter, zeigt stolz eine große schwarze Rolle von einer der insgesamt sieben Stützen der Sesselbahn.
„Hier lief das Seil an der Halle 8 drüber“, erklärt er. „Und da drüben“, Sauer zeigt durch das Werkstattfenster in Richtung Auenweg, „da ist auch noch ein Überbleibsel“. Tatsächlich steht an der Kreuzung zur Sachsenbergstraße – für alle Kölner sichtbar – noch ein Relikt der vergessenen Bahn.
Ein blau-gelber Wegweiser in Form einer alten Sesselbahn-Gondel zeigt den Eingang zur heutigen Seilbahn-Station. Wind und Wetter haben an dem einmal sonnengelben kleinen Baldachin deutliche Spuren hinterlassen: Er sitzt nicht mehr ganz perfekt. Und wer die Sesselbahn nicht kannte, der wird auch den kläglichen Rest als solchen nicht erkennen.
Zum Schluss der Spurensuche hält die Seilbahn-Mannschaft dann aber noch eine Überraschung bereit. Gregor Ott, Mitarbeiter des Grünflächenamts, führt in eine unscheinbare Halle am Auenweg, in der drei echte Sesselbahn-Schätze lagern.
Zwischen Fahrzeugen und Maschinen, Papierkörben und Leitern stehen sie da: drei Sesselbahn-Gondeln. Die bunten Baldachine und hölzernen Sitzflächen sind mit einer dicken braunen Staubschicht überzogen. An einigen Stellen rosten die gelben Metallgestänge. Für manche Feierlichkeiten im Park habe man die kleinen Gondeln als Schaukeln für die Kinder noch aufgestellt, sagt Ott. Auch das sei aber schon lange her. Für die Öffentlichkeit sind die kleinen bunten Gondeln lange verschwunden.