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Spurensuche in KölnDie vergessenen Meilensteine der Stadt

Lesezeit 4 Minuten

Köln – Wenn von einem Meilenstein die Rede ist, geht es meistens um wichtige Einschnitte im Leben oder den großen Wendepunkt in einer Entwicklung. An die realen Vorbilder für diese Metapher, die echten Meilensteine, denkt kaum jemand. Kein Wunder: Ihre herausragende Stellung im Straßenverkehr haben sie längst eingebüßt. Und ihre Umgebung hat sich so gewandelt, dass niemand stehen bleiben möchte, um sie zu bewundern. In Köln stehen die wenigen übrig gebliebenen Meilensteine heute im Gebüsch oder am Rande großer Ausfallstraßen, umgeben von Beton und Verkehrsmassen, den Autoabgasen und der Witterung ausgesetzt.

Ganzmeilenstein an der Frankfurter Straße in Ostheim

Schon die Römer stellten in Köln zur Entfernungsangabe Meilensteine an ihre Straßen, zu sehen ist davon heute nur noch einer im Römisch-Germanischen Museum (siehe „Das älteste...“). Lange Zeit später, ab 1815, waren es die Preußen, die in großem Stil an die römische Tradition anknüpften. Etwa 50 preußische Meilensteine soll es mal in Köln und Umgebung gegeben haben. Aus dieser Epoche existieren auf Kölner Stadtgebiet noch sieben Exemplare – in Longerich, Worringen, Rondorf, Junkersdorf, Bocklemünd-Mengenich, Deutz und Ostheim. Bis auf den Deutzer Stein an der Deutz-Kalker Straße stehen sie alle unter Denkmalschutz, aber viele befinden sich in kritischem Zustand. Dabei sind sie laut Olaf Grell von der Forschungsgruppe Meilensteine wichtige Dokumente der Vermessungs- und Verkehrsgeschichte. „Und sie stehen für eine Epoche, in der das Rheinland zu Preußen gehört hat.“

Vermost und dringend restaurierungsbedürftig

Das stattlichste Exemplar aus der Preußenzeit steht an der Ecke Frankfurter Straße/Bensheimer Straße in Ostheim. Wer genau hinsieht, kann „Cöln 1 Meil“ auf der vermoosten und zur Straße zeigenden Vorderseite lesen, darüber ist der preußische Adler eingemeißelt. Das „e“ der „Meile“ wurde früher versehentlich entfernt, auch die einstigen Sitzbanksteine sind abhanden gekommen. Mannshoch ist der grün-graue Obelisk aus dem Jahr 1818 – und dringend restaurierungsbedürftig.

„Die Preußen haben ab Anfang des 19. Jahrhunderts viele Straßen ausgebaut“, sagt Olaf Grell. Die überregionalen Chausseen, die von Köln nach Berlin, Frankfurt, Mainz, Aachen und Venlo führten, statteten sie mit Meilensteinen aus. Eine preußische Meile entsprach rund 7,5 Kilometern. Gerechnet vom Kölner Nullpunkt, der Kreuzung von Hohe Straße und Schildergasse, wurden die Chausseen in den ersten preußischen Jahren mit kleineren Viertel- und Halbmeilensteinen sowie den auffälligeren Ganzmeilensteinen wie dem in Ostheim ausgestattet. Der Ostheimer Obelisk ist der einzige Ganzmeilenstein, den es in Köln noch gibt. Nach Einschätzung des Amts für Denkmalpflege befindet er sich an seinem ursprünglichen Ort – also rund 7,5 Kilometer vom Kölner Stadtzentrum entfernt.

Mittel zur Transparenz

Die Säulen waren nicht nur Herrschaftszeichen der Preußen, sie waren auch ein Mittel zur Transparenz. Nach ihnen wurde zum Beispiel das so genannte Chaussee-Geld berechnet, eine Art früher Maut, von der nur das Militär und hochgestellte Persönlichkeiten befreit waren. „Das Chaussee-Geld hat es in jedem deutschen Land gegeben, egal ob in Preußen oder in Bayern“, sagt Olaf Grell. Im Rheinland wurde es 1815 eingeführt. Auch die Post berechnete mit Hilfe der Steine für jedermann nachvollziehbar ihre Gebühren für die Beförderung von Personen oder Paketen. Und sie zeigten den für die Unterhaltung der Straßen verantwortlichen Chaussee-Wärtern ihren Zuständigkeitsbereich an.

In den 1820er Jahren änderte die Kölner Oberwegebauinspektion das Aussehen der Meilensteine. Aus Kostengründen verzichtete sie auf die glockenförmigen Halb- und Viertelmeilensteine und ersetzte die Ganzmeilen-Obeliske durch „Rundkopfmeilensteine“, die ausschließlich in den Regierungsbezirken Köln und Aachen verwendet wurden. Diese Variante endete mit einem runden, stempelförmigen Kopf, in den der preußische Adler eingemeißelt war. Insgesamt gibt es davon noch vier Exemplare, allesamt im linksrheinischen Köln. Einer von ihnen steht an der Dürener Straße in Junkersdorf unter der Autobahnbrücke der A 4, umgeben von graffitibeschmiertem Beton. Der preußische Adler ist kaum noch zu sehen. Der schlechte Zustand vieler Meilensteine sei vor allem der Umweltbelastung zuzuschreiben, so Marion Grams-Thieme vom Amt für Denkmalpflege.

Ein dritter Typ der preußischen Meilensteine war an der alten Chaussee von Köln nach Neuss zu finden. Es handelt sich um eine schlichte, einfache Form, die wahrscheinlich noch später als die Rundkopf-Varianten eingeführt wurde. Einer von zwei erhaltenen Meilensteinen dieser Art steht in Longerich an der Neusser Landstraße, 150 Meter nördlich der Kreuzung mit der Militärringstraße, ein weiterer an der Alten Neusser Landstraße in Höhe Hausnummer 137 in Worringen. „2 Meilen“ steht auf dem rundlichen und ebenfalls stark verwitterten Steinblock, der sich hinter Leitplanken versteckt. Er wurde vermutlich 1889/1890 aufgestellt.

Damit wäre es ein außergewöhnlich spätes Exemplar. Die Zeit der Meilensteine war bereits 1872 abgelaufen, als in Deutschland das metrische System eingeführt wurde. Statt in Meilen wurde nun in Kilometern gemessen. Viele neue Steine zierten fortan die Straßen, die alten wurden entfernt oder vergessen. Oder einfach mit Kilometer-Angaben überpinselt.

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