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Stadt der ZukunftKölner schaffen sich ihre Outdoor-Wohnzimmer im Veedel

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Köln – Wer in diesen Tagen – wenn es einmal nicht regnet – abends oder am Wochenende auf der Hüttenstraße in Ehrenfeld flaniert, der erlebt ein Aufatmen und eine Ahnung, wie gesellig und leicht sich das Leben in Köln anfühlen wird, wenn der Lockdown gänzlich geht und der Sommer endlich kommt: Selbst gezimmerte Bänke und Tische reihen sich auf dem Bürgersteig und auf der kleinen Verkehrsinsel. Trotz frischer Temperaturen sitzen Menschen dort mit Aperol, Bier- oder Limoflasche in der Hand, plaudern und feiern das Draußensein: In dem öffentlichen Pop Up-Gemeinschaftsgarten auf und um die Verkehrsinsel wachsen in den selbst gebauten Pflanzkästen Kräuter, jede Menge Gemüse, Beeren und Stauden. Alles wird durch ein eigenes Regenwassergewinnungssystem gewässert.

Die Menschen des Veedels sollen hier den Sommer über gesellig zusammensitzen und gemeinsam ernten. Das Projekt des diesjährigen Cityleaks-Festivals, das die Macher als „Transformation einer Straße“ bezeichnen, soll erlebbar machen, was im öffentlichen Raum abseits prominenter Plätze wie dem Brüsseler Platz oder dem Grüngürtel möglich ist. Es ist ein Reallabor, das veranschaulichen soll, wie öffentlicher Raum in der Stadt der Zukunft genutzt werden kann und welche Wirkung das auf die Stimmung im Viertel hat. Geplant war das schon vor Corona, und doch gerade durch Corona ist deutlich geworden, wie sehr eine lebendige Stadt solche Begegnungsräume braucht.

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"Wichtig für das soziale Klima"

Für den Stadtsoziologen Davide Brocchi sind solche kleinteiligen öffentlichen Begegnungsräume die Zukunft, wenn Städte lebendig und nachhaltig sein wollen. Derzeit würden sie in der modernen Stadtplanung noch nicht ausreichend mit bedacht, sondern immer noch Privatisierung, Kommerzialisierung und weiter dem Autoverkehr geopfert. Dabei liege darin ein riesiges Potenzial für das soziale Klima der Städte. Brocchi beruft sich auf die Agora der altgriechischen Polis: den Platz, wo die Bürger zusammenkamen, um über die Politik zu beraten, der als Gerichtssaal und Markplatz diente. Solche Begegnungsräume, wo Menschen unterschiedlicher Milieus zusammenkommen, seien wichtig für das soziale Klima einer Stadt. „Vertrauen entsteht nicht im virtuellen Raum der sozialen Netzwerke, sondern bedarf physischer Räume.“ Und zwar solcher, wo niemand Geld bezahlen oder ein Restaurant aufsuchen muss, um teilzuhaben.

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Viele kleine Outdoor-Wohnzimmer

Da, wo die Stadt die Räume nicht schafft, gehen viele Kölner in die Selbstermächtigung: Gerade jetzt, da die Begegnung in Innenräumen wegen Corona nicht angezeigt war, haben sie den Raum vor ihrem Haus in vielen kleinen Straßen in ein aerosolfreies gemeinschaftliches Wohnzimmer der Nachbarschaft verwandelt. Viele haben einfach eine Bank rausgestellt und an der Laterne angeschlossen und sich abends raus gesetzt. Andere wie die Bewohner der Leostraße 49 haben ein kleines Outdoor-Wohnzimmer geschaffen: In dem bunt bepflanzten Beet vor dem Haus stehen Bänke, die sie vor einigen Wochen gezimmert haben. Dazu ein kleiner Tisch samt Aschenbecher und die schriftliche Einladung zum Verweilen. Und die wird rege angenommen: Trotz der kalten Maiabende sitzen sie hier auf Abstand mit dicker Jacke, Schal und einem Gläschen Wein. Christine Mint sitzt öfter hier und ist angetan, wie gut das funktioniert: „Noch vor ein paar Jahren hatten wir hier etliche Eckkneipen, die alle inzwischen aufgegeben wurden. Da haben sich die Menschen aus der Nachbarschaft getroffen. Und zwar altersübergreifend.“ Der kleine Straßen-Treff soll im Idealfall das wieder sein: Ein Ort, an dem man eben nicht nur mit denen ins Gespräch kommt, die in derselben Blase leben.

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Auch in den Parallelstraßen haben Anwohner solche kleinen Oasen der Kommunikation geschaffen. Mal nur als kleines Bänkchen, mal mit Korbstühlen drumherum. Sie alle hoffen darauf, dass die Stadt sie mit ihrem Ansinnen auch nach Corona gewähren lässt. Dass all das Lebendige im öffentlichen Raum, das die Pandemie hervorgebracht hat – die probenden Chöre im Park, die Salsa-Tänzer auf der Wiese – bleibt.

Corona hat das befördert, was der Stadtforscher Wolfgang Kaschuba eine „Kulturrevolution“ im öffentlichen Raum nennt. „Die Leute gehen raus aus der Wohnung, um Teil der urbanen Stadtkultur zu sein. Dabei geht es nicht um das inszenierte Großevent, sondern um das Wohnzimmer draußen“, betont er. Gerade das suchten die Leute ja in der Stadt, eher als auf dem Dorf, wo man meistens hinter dem eigenen Gartenzaun sitze. Diese Begegnung der Milieus, sie sei auch gesellschaftlich wertvoll. Auf die Art würden die Städte Entwicklungsmodule der Gesellschaft. „Aus dem Trend der draußen inszenierten Vergemeinschaftung erwächst ganz viel an sozialem und politischem Engagement: Da wird aus einer Straßenparty eine Initiative gegen Mietsteigerung oder aus dem Feierabendtreffen eine Initiative zum Urban Gardening. „Das ist der Schatz der lebendig gewordenen urbanen Welt.“ Diesen Schatz wollen auch die Macher von Agora Köln heben, die am 29. Mai zu einem Online-Barcamp einladen. Unter dem Motto „Nachbarschaft macht Zukunft“ geht es darum, Impulse für den Wandel in Köln zu sammeln.

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Vorbild für die Innenstadt

Stadtforscherin Cordelia Polinna sieht gerade die Veedel auch als Vorbild für die Innenstadt, die sich mit ihrer Fokussierung auf den stationären Einzelhandel und Büronutzung ohnehin nach Corona neu erfinden muss: „Kopenhagen boomt ja deshalb touristisch, weil die Leute es toll finden, dass die nachhaltige Mobilität so dominant und der öffentliche Raum so attraktiv ist.“ Es gebe überall Plätze mit tollen Spielmöglichkeiten, wo vorher Parkplätze oder Straßen waren. Räume ohne Konsumzwang, wo man Freunde treffen oder Kulturangebote nutzen kann. Neben Cityleaks ist auch der Ebertplatz so ein Raum, wo kreative Akteure mit den Möglichkeiten des öffentlichen Raums experimentieren.

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Wer allerdings im großen Stil anschauen möchte, wie das auch schon jetzt in Köln geht, den öffentlichen Raum zu einem riesigen Begegnungsort zu machen, dem sei spätestens im Sommer ein Ausflug nach Chorweiler empfohlen: Dort hat Polinnas Agentur Urban Catalyst, die auf die Transformation von städtischen Räumen spezialisiert ist, die Stadt dabei begleitet, den Kern des Stadtteils zu verändern. Für 13 Millionen Euro ist auf dem Liverpooler Platz, dem Pariser Platz und auf den Passagen drumherum ein riesiger Begegnungsort entstanden. Mit langen Holzbänken, die zum Verweilen einladen, vielen Bäumen, Wasserspielen für die Kinder, Streetball-Feldern und Schachbrettern für die Großen. Nicht abseits im Park, sondern mittendrin im Stadtteil. Auf besonderen Wunsch der an der Planung beteiligten Chorweiler steht nun auf dem Pariser Platz ein fest installierter, mit einem farbenfrohen Mosaik dekorierter Tisch der Nationen. An der 20 Meter langen Tafel sollen die Menschen aus den 130 Nationen, die in Chorweiler zuhause sind, ab diesem Sommer an lauen Abenden zum Picknick Platz nehmen und gemeinsam essen, trinken und reden.