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Politiker genervt„Wir verbrennen hier Millionen“ – Entscheidung über Zukunft der Kölner Kliniken zieht sich hin

Lesezeit 4 Minuten
Das Krankenhaus Holweide

Noch kämpft die SPD öffentlich um das Krankenhaus Holweide. Plant die Fraktion im Hintergrund bereits, es aufzugeben?

Die SPD verzögert die Entscheidung über die Zukunft der städtischen Kliniken. Der Stadtrat ist genervt. Steckt dahinter eine Taktik?

Die Entscheidung über die Zukunft der städtischen Kliniken wird wohl erst im Herbst fallen. Denn das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt drängt auf eine breite Mehrheit und will den Beschluss mit der SPD fassen. Die Sozialdemokraten halten das vor den Sommerferien jedoch für undenkbar.

„Man bräuchte einen Blick in die Glaskugel, um jetzt einen Beschluss zu fassen. Für eine vernünftige Kalkulation sollten wir wissen, in welche Richtung die Krankenhausreform geht“, sagte Fraktionschef Christian Joisten. „Wir haben die Zusage von Karl Lauterbach, dass Details hierzu bis Sommer bekannt sein werden“, so Joisten weiter. „Unsere Forderung ist, dass es in Holweide weiterhin Krankenhausstrukturen für die örtliche Versorgung gibt.“ Es gebe Verlustängste vor Ort, als Politik müsse man diese ernst nehmen. Den Erhalt des Kinderkrankenhauses in Riehl hat die Fraktion inzwischen aufgegeben.

Dass sich das Ratsbündnis auf diese Forderung einlässt, gilt als ausgeschlossen. Das Konzept, alle Stationen nach Merheim zu verlegen und die Standorte in Holweide und Riehl aufzugeben, gilt als alternativlos – aus Sicht der Geschäftsführung, der Stadt und auch aus Sicht der drei Fraktionen. Zu hoch waren die Verluste der vergangenen Jahre, seit 2018 fährt man pro Jahr mindestens 46 Millionen Euro Minus ein. Für das laufende Jahr wird ein Defizit von rund 90 Millionen Euro erwartet.

SPD stimmte im Aufsichtsrat für das Klinik-Konzept

Das Konzept sieht Ausgaben von mehr als 800 Millionen Euro bis 2031 vor, der Bau einer neuen Kinderklinik in Merheim und das Auffangen weiterer Defizite inklusive. Dann sollen die Kliniken wieder schwarze Zahlen schreiben oder höchstens noch minimale Verluste machen. Und als Arbeitgeber deutlich attraktiver sein, was mit Blick auf den sich verschärfenden Pflegemangel als zentrales Argument gilt. Der Betriebsrat hat den Plänen mit nur einer Gegenstimme zugestimmt. Im Aufsichtsrat hat man sich ebenfalls für das Konzept ausgesprochen – mit der Stimme der SPD.

Hier wurde der Kompromiss erzielt, die Umsetzung zu beschließen und parallel prüfen zu lassen, ob Krankenhausstrukturen in Holweide doch eine Zukunft haben. Manch einer interpretiert den Prüfauftrag als parteiinterne Notwendigkeit: Die SPD-Fraktion könne ihrer Parteibasis die Schließung nur beibringen, wenn sie schwarz auf weiß hat, dass eine Schließung des Standorts Holweide ausgeschlossen ist. Die Ungeduld ist vor allem bei Grünen und Volt groß, beide Fraktionen würden am liebsten noch in der Mai-Sitzung beschließen, um möglichst schnell die Trendwende einzuleiten. Auch in der CDU hält man die Verlegung aller Stationen nach Merheim für notwendig und will mit dem Beschluss nicht mehr lange warten.

Unmut im Kölner Ratsbündnis wächst: „Ich könnte schreien“

In allen drei Fraktionen ist man hinter den Kulissen genervt vom Vorgehen der SPD. Volt-Fraktionschefin Jennifer Glashagen meldet sich nun sogar öffentlich zu Wort: „Jeder Tag, an dem wir die Entscheidung aufschieben, kostet diese Stadt Geld. Wir verbrennen hier Millionen – obwohl die Lösung auf dem Tisch liegt“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger. „Ich könnte schreien, wenn das Thema nur verzögert wird, um besser dazustehen. Mich macht das wirklich politikverdrossen.“ Der im Raum stehende Vorwurf: Die SPD weiß, dass Holweide und Riehl nicht zu halten sind und spielt auf Zeit, bis sich die Parteibasis an den Gedanken gewöhnt hat, beide Standorte zu schließen. Die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seien nur ein vorgeschobenes Argument.

Die Fraktion ist durch die öffentlichen Auftritte von Lauterbach selbst, der einen Erhalt von Holweide fordert, unter Druck. Auch eine Gruppe Kölner Landtagsabgeordneter sieht die Pläne der Geschäftsführung kritisch und setzt die Ratsfraktion öffentlich unter Druck. Die SPD hat jahrelang mit Angestellten für den Erhalt des Krankenhauses in Holweide demonstriert – und mit dem Thema Wahlkampf gemacht.

Doch im Detail passt nicht alles zusammen: Die Krankenhausreform, für die Lauterbach nun im Fall Holweide wirbt, ist in seinen eigenen Plänen vorgesehen für Häuser, die mindestens 30 Autominuten von der nächsten Maximalversorger-Klinik entfernt sind. Die Maximalversorger-Klinik in Merheim ist vom Krankenhaus Holweide aus in einer Viertelstunde zu erreichen. Dem Vernehmen nach hat die SPD-Fraktion Lauterbach mit diesem Widerspruch konfrontiert. Ohne Ergebnis.

Dass die Fraktion ihre Haltung nach dem Sommer ändert, scheint tatsächlich denkbar. Sollten sich Lauterbachs Reformpläne, die auch die künftige Finanzierung der Kölner Kliniken betreffen, bis nach den Ferien nicht konkretisiert haben, „müssten wir die Situation neu bewerten“, sagte Joisten. Wie zu hören ist, gilt ein Beschluss ohne die SPD vor dem Sommer als sehr unwahrscheinlich. Dies sei nur denkbar, wenn die Verwaltung den Druck erhöhe. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) betonte zuletzt: „Ich erwarte, dass es im Rat über das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt hinaus nun eine Mehrheit gibt.“