AboAbonnieren

Stadtlärm in KölnKann Ehrenfeld zur Tempo 30-Zone werden?

Lesezeit 4 Minuten

Die Venloer Straße weist laut Lärmaktionsplan eine hohe Belastung auf.

  1. Weil der Stadt Geld für den Lärmschutz fehlt, sollen Prioritäten gesetzt werden.
  2. Vor allem auf der Äußeren Kanalstraße, Ehrenfeld-/Melatengürtel und der Venloer Straße besteht Handlungsbedarf.

Ehrenfeld – Vor wenigen Jahren machte ein ganzes Viertel mobil, um Schüler einer in Bau befindlichen Grundschule und Anwohner vor dem Lärm der Autobahn A57 im Bereich Neuehrenfeld zu schützen. Und kürzlich erst forderte eine weitere Initiative per Bürgerantrag eine Lärmschutzwand für den Blücherpark, der an der derselben Autobahn liegt. Beide Ziele wurden nicht erreicht, weil die Kosten jeweils zu hoch waren.

Nur zwei Beispiele für das kölsche Dilemma in Sachen Lärmschutz. Die Stadtverwaltung spricht selber von einer „immensen Anzahl lärmbelasteter Bereiche“ in der Stadt. Lärmschutz ist sogar per Gesetz vorgeschrieben, seit im Jahr 2005 die Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Union im Bundesimmissionsschutzgesetz verankert wurde.

Venloer Straße stark belastet

Aber die Stadt hat nicht nicht genug Geld, um die Vorgaben zu erfüllen. Sie setzt im städtischen Lärmaktionsplan daher Prioritäten. Es soll nur dort etwas gegen Lärm getan werden, wo der Bedarf am höchsten ist. Maßgeblich für die Einstufung in die Liste sind dabei die Höhe der Lärmbelastung und die Anzahl der betroffenen Anwohner. So ist es zu erklären, dass die Venloer Straße im Abschnitt zwischen Innerer und Äußerer Kanalstraße in der ersten Kategorie der sehr hoch belasteten Straßen aufgeführt ist, jedoch die Autobahn A57 im parallel verlaufenden Abschnitt lediglich in der dritten von vier Kategorien auftaucht. Die Lärmwerte für die jeweiligen Straßen, so erläuterte Alexander Reimann vom Büro LK Argus, wurden berechnet und nicht gemessen. Und die vorgeschlagenen Maßnahmen bewegen sich auch nur im Rahmen dessen, was die Stadt zu tun in der Lage ist, um Lärm zu reduzieren.

Der vom Berliner Ingenieurbüro LK Argus im städtischen Auftrag erarbeitete Handlungs- und Maßnahmenkatalog zum Lärmaktionsplan wird zurzeit in den Bezirksvertretungen diskutiert. Es geht darum, den sogenannten Umgebungslärm einzudämmen, der vom Verkehr auf Straßen in städtischer Obhut verursacht wird. Autobahn, Eisenbahn- und Fluglärm sowie Sport- und Freizeitlärm sind im Aktionsplan nicht berücksichtigt, weil dafür andere Behörden zuständig sind.

Tempo 30 für den gesamten Stadtteil gefordert

Die Ehrenfelder Bezirksvertreter zeigten sich wenig begeistert: „Wir reden hier über das größte Umweltproblem in unseren Städten, und die Stadt Köln scheint es nur als lästige Pflichtaufgabe zu betrachten, um die EU-Vorgaben zu erfüllen“, sagte Ralf Klemm (Bündnis 90/Die Grünen). Martin Berg, Vorsitzender der CDU-Fraktion, bezeichnete es als „größtes Problem der städtischen Vorlage, dass sie nicht mit Geld unterlegt ist“.

Petra Bossinger, Fraktionsvorsitzende der SPD, warnte grundsätzlich davor, die Rangfolge von Lärmschutzmaßnahmen nicht davon abhängig zu machen, wie sehr sich Bürger beklagen. „Sonst wird Lärmschutz zum Luxusgut“, sagte Bossinger und wies darauf hin, dass es Viertel gibt, in denen Bürger schwer erreichbar seien für Beteiligungsverfahren.

Die Ehrenfelder Politiker schlagen vor, sich vordringlich mit der Qualität des Verkehrsflusses und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu befassen. Sie fordern ein gesamtstädtisches Geschwindigkeitskonzept. Darin soll die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Stadtgebiet weitestgehend auf 30 Stundenkilometer gesenkt werden. „Tempo 30 reduziert den Lärm deutlich, deshalb sollen die entsprechenden Maßnahmen mit Priorität vor allen anderen umgesetzt werden“, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Christiane Martin, die den Antrag eingebracht hatte. Die SPD-Fraktion mahnte an, dass die Ehrenfelder Forderung, auf der Inneren Kanalstraße/Universitätsstraße durchgängig Tempo 50 anzuordnen, immer noch nicht umgesetzt sei.

Um den Verkehrsfluss zu verbessern, schlägt die Bezirksvertretung vor, das städtische Programm zum Abbau von Ampeln schneller und konsequenter durchzuführen. Hier möchte die Bezirksvertretung aber beteiligt werden und selber Prioritäten setzen.

Für die weiteren Aufgaben, die die Umsetzung des Lärmaktionsplans erfordert, soll eine zusätzliche Stelle in der Verwaltung eingerichtet werden. Auch das Amt für Straßen und Verkehrstechnik soll personell besser ausgestattet werden. Dieser Antrag der Grünen wurde einstimmig angenommen „Ansonsten ist zu befürchten, dass der gesamte Lärmaktions-Prozess lediglich Alibifunktion hat“, so Christiane Martin.

Wo besteht Handlungsbedarf?

Das Ingenieurbüro LK Argus hat die Straßenabschnitte, in denen Lärmschutzmaßnahmen nötig wären, in vier Bedarfsgruppen eingeteilt.

Belastungsschwerpunkte mit mit einem hohen Lärmaufkommen von mehr als 70 Dezibel tagsüber und mehr als 60 Dezibel in der Nacht sowie mehr als 80 Betroffene pro Hektar Fläche sind demnach im Bezirk Ehrenfeld nur:

  1. Äußere Kanalstraße (zwischen Vogelsanger und Venloer Straße)
  2. Ehrenfeld-/Melatengürtel (zwischen Venloer- und Fröbelstraße)
  3. Venloer Straße (zwischen Innerer- und Äußerer Kanalstraße)

Die Stadt schlägt unter anderem vor: Fahrbahnerneuerung, Nachtfahrverbote für den Schwerlastverkehr, Verbesserung des Verkehrsflusses und Anpassungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, Straßenraumgestaltung mit Bäumen und Sträuchern, Strategien zur Vermeidung von Autoverkehr sowie die Festlegung ruhiger Gebiete.