Entscheidung steht bevorSpitze der Kölner Kliniken vor Umbau – wie geht es weiter?
Köln – Was wird aus der Kölner Kliniklandschaft? Seit der „Kölner Stadt-Anzeiger“ jüngst über den geplanten Umbau der Führungsspitze bei den städtischen Kliniken berichtete, erscheint die Zukunft der städtischen Krankenhäuser ungewisser denn je. Nachdem Geschäftsführer Holger Baumann vorzeitig zum 30. September gekündigt hatte, sollen auch der Klinische Direktor Horst Kierdorf und Finanzdirektor Daniel Brozowski die Kliniken verlassen.
Der Aufsichtsrat entschied in seiner Sitzung am vergangenen Freitag noch nicht über die Personalien. Fest steht bereits, dass der Leiter der renommierten Lungenklinik, Erich Stoelben, und mit ihm mindestens neun seiner Chirurgen Merheim zum 1. Juli verlassen werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Wie ist der aktuelle Stand beim Spitzenpersonal der städtischen Kliniken?
Geschäftsführer Holger Baumann verlässt die Kliniken zum 30. September ein Jahr vor Ablauf seines Vertrags. „Meine vorzeitige Kündigung hat rein persönliche Gründe“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Montag. Nach 30 arbeitsreichen Jahren sei es an der Zeit, „dass die Familie an erster Stelle steht“.
Verlassen sollen die Kliniken auch der Klinische Direktor Horst Kierdorf sowie Finanzdirektor Daniel Brozowski. Er wolle sich aktuell nicht zu seiner beruflichen Zukunft äußern, sagt Horst Kierdorf. „Wir arbeiten momentan an einer vernünftigen Lösung.“ Mit einer Entscheidung rechne er in den nächsten zwei Wochen, vielleicht schon in den nächsten Tagen. Rolf Bietmann, Anwalt von Finanzdirektor Daniel Brozowski, teilte mit, dass sein Mandant eine Kündigung nicht ohne weiteres akzeptieren werde.
„Mein Mandant lässt sich nicht zum öffentlichen Prügelknaben für eklatante politische Versäumnisse der zurückliegenden Jahre machen“, heißt es in einem Brief an den Aufsichtsratsvorsitzenden Ralf Unna. Brozowski habe seine Aufgaben für die Finanzen der Kliniken „ordnungsgemäß erfüllt“.
Das Defizit der Kliniken ist in den vergangenen Jahren angewachsen, im Jahr 2020 betrug es 48 Millionen Euro, für das vergangene Jahr soll es noch etwas mehr sein. Woran liegt das?
Im Jahr 2020 habe allein das strukturelle Defizit 30 Millionen Euro ausgemacht, sagt Geschäftsführer Holger Baumann. „Damit relativiert sich das Gesamtdefizit in Höhe von 48 Millionen Euro in einem Jahr mit Verlusten durch die Corona-Pandemie ganz erheblich.“
Einen Teil der Verluste begründet Baumann mit der „doppelten Vorhaltung von Standorten, die nicht ausgelastet sind“. Einen anderen mit Einnahmeausfällen durch Corona.
Krankenhaus Holweide vor dem Aus?
In Holweide und Merheim sind vor allem aufgrund von Personalmangel im Pflegebereich inzwischen fast ein Drittel aller Stationen geschlossen. „Auch wenn es schmerzhaft ist, werden wir im kommenden Monat über die Zukunft des Krankenhauses Holweide sprechen müssen“, so Baumann. Im Sanierungsprogramm sei vermerkt, dass „von zwei Standorten einer geschlossen werden muss“.
Finanzdirektor kritisiert teure Fremdvergaben
Brozowski lässt über seinen Anwalt mitteilen, dass vor dessen Zeit als Finanzdirektor „durch den Aufsichtsrat der Kliniken wesentliche Entscheidungen auf den Weg gebracht worden“ seien, die zu „erheblichen Folgebelastungen des Klinikums“ geführt hätten. Als Beispiele nennt er zwei Fremdvergaben im Bereich der Radiologie für insgesamt 9,1 Millionen Euro pro Jahr sowie eine Fremdvergabe für den kardiologischen Bereich für 2,8 Millionen Euro jährlich sowie eine Vergabe für die Versorgung mit sterilen Materialien für 2,8 Millionen Euro im Jahr.
Baumann führt an, dass die Unternehmensberatung Ernst & Young im Jahr 2017/18 für die Kliniken eine Leistungssteigerung von acht Prozent pro Jahr berechnet habe. „Diese Berechnung würde ich ins Reich der Fantasie verweisen. Tatsächlich hatten wir pro Jahr eine Leistungsminderung von fünf Prozent.“
Warum verlassen Prof. Erich Stoelben und sein Team die Merheimer Lungenklinik?
Stoelben kritisierte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass der onkologische Bereich der Lungenklinik „stark vernachlässigt“ worden sei. Zuletzt habe es nur noch 0,7 Stellen für die gesamte onkologische Abteilung gegeben. Er habe in den vergangenen zehn Jahren auch kein Budget für seine eigene Abteilung gesehen – so könne er nicht wirtschaftlich arbeiten. „Wir bedauern sehr, dass Herr Prof. Stoelben die Lungenklinik verlässt“, sagt Holger Baumann.
„Als Chefarzt für den Bereich Thoraxchirurgie ist er ein wichtiger Teil des Führungsteams des Lungenzentrums Köln-Merheim; er hat hervorragende Arbeit für die Kliniken Köln geleistet. Leider konnten wir ihm die Rahmenbedingungen, die er gefordert hat, nicht sofort erfüllen.“ Bei einem Chefarzt-Wechsel sei es „durchaus üblich, dass einige Ärztinnen und Ärzte ihrem Chef an die neue Klinik folgen“. Die Nachfolge sei ausgeschrieben und stoße „auf großes Interesse“.
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Zur Kritik an mangelnder Transparenz bei den Budgets sagte Baumann, dass „die Entscheidung, den Chefärzten keine Deckungsbeitragsrechnung zur Verfügung zu stellen, länger zurückliegt“ und nicht von der aktuellen Geschäftsleitung getroffen worden sei. Seit Ende 2020 fänden monatliche Gespräche mit den verantwortlichen Ärzten statt, in denen über Erlöse und Fallzahlen informiert werde. Leistungszahlen seien ebenfalls monatlich zur Verfügung gestellt worden. Seit Ende 2020 habe jede Klinik eigene Sachkostenbudgets und ein Monitoring dazu.
Wie steht es um die von der Stadt Köln angestrebte Fusion der städtischen Kliniken mit der Uniklinik?
Der Stadtrat hat sich für den Verbund ausgesprochen, es gibt auch eine positive Machbarkeitsstudie. Interessant ist, dass die Landes-CDU die Fusionierung inzwischen ausdrücklich befürwortet: „Wir unterstützen den Verbund des Universitätsklinikums Köln mit den Städtischen Kliniken Köln zu einem universitären Gesundheitscluster Köln“ heißt es im aktuellen Wahlprogramm.
Es sei „eine sehr gute Nachricht, dass die NRW-CDU den Kölner Klinikverbund in ihrem Programm für die Landtagwahl unterstützt. Mit diesem starken Bekenntnis ist das Projekt seiner Realisierung ein gutes Stück näher gekommen", sagt der Kölner CDU-Landtagsabgeordnete Oliver Kehrl. Neben dem Gesundheitsminister sei auch der Finanzminister in die Abstimmung mit eingebunden gewesen. „Somit liegt jetzt eine klare Positionierung der Landesregierung vor."
„Großer Fan des Klinikverbunds“
Die Landesregierung hat sich bislang noch nicht klar positioniert: Es fehle eine vertiefte Untersuchung der wirtschaftlichen, juristischen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse beider Unternehmen, hieß es zuletzt. Die SPD spricht sich gegen einen Klinikverbund aus. Auch das Bundeskartellamt müsste eine Fusionierung genehmigen.
Skeptisch sind ferner Städte in NRW, die über keinen vergleichbaren Verbund verfügen – sie befürchten Nachteile für ihre eigenen Krankenhäuser. Holger Baumann sagt, er sei „ein großer Fan eines Klinikverbunds. Das lange Hin und Her ist für die Neuaufstellung der Kliniken ein Handicap“. Mit einem Klinikverbund ließen sich allerdings „nicht die Finanzierungsprobleme lösen“.