Studenten bei der KVB„Guten Abend. Die Fahrscheine, bitte“
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Köln – Tuğçe atmet tief aus. Schön ist die Situation an der Haltestelle „Geldernstraße/Parkgürtel“ für keinen der Beteiligten. Nicht für sie, die Kontrolleurin, die umstehenden Zeugen oder den entwischten Schwarzfahrer.
Bevor die nächste Bahn einfährt, verreibt Tuğçe Desinfektionsmittel zwischen ihren Händen. Die Türen öffnen sich, sie holt tief Luft, tritt ein, wartet bis die Türen wieder geschlossen sind und lächelt: „Guten Abend. Die KVB, die Fahrscheine, bitte.“
30 Studenten arbeiten bei der KVB
Kellnern, Nachhilfe, Datenerfassung – das sind alltägliche Studentenjobs. Fahrausweise kontrollieren eher nicht. Unter den 240 Beschäftigten der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) im Bereich Sicherheit und Service sind aber auch 30 Studenten. Wie Tuğçe und Viktor, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchten.
Zusammen mit 28 studentischen Kollegen beginnen sie am Samstag um 16 Uhr in der Leitstelle in Braunsfeld ihren Dienst. Ausgerüstet mit dem „Mobi-Dat“, dem mobilen Datenerfassungsgerät, machen sich die beiden 25-Jährigen auf den Weg zur Haltestelle „Aachener Straße/Gürtel“, wo ihre Schicht beginnt und um 0.45 Uhr wieder endet. Normalerweise sind die Studenten in Zivil unterwegs, nur wegen des schlechten Wetters trägt Viktor eine graue Regenjacke mit einem kleinen, silbernen KVB-Logo auf der Brust.
„Wenn die Bahn losfährt, beginnen wir die Kontrolle“
In der quietschend heranfahrenden Linie 13 sitzen nur wenige Fahrgäste. „Wenn die Bahn losfährt, beginnen wir die Kontrolle“, sagt Tuğçe. Mit fester, aber freundlicher Stimme fordern sie die Fahrgäste auf, ihr Ticket zu zeigen. Viktor bleibt hinten im Wagen stehen, Tuğçe läuft nach vorn. Der erste Fahrgast, den Viktor anspricht, kramt in seiner Tasche nach dem Fahrausweis. Als sein Handy klingelt, nimmt er den Anruf entgegen.
Viktor behält ihn im Auge und kontrolliert schon einmal den nächsten Fahrgast. Als Viktor wiederkommt, erklärt der junge Mann, es sei ein ganz dringender Anruf, er könne sein Ticket gerade nicht finden und müsse jetzt aussteigen. Viktor bleibt gelassen. Zwischendurch dreht er sich zu Tuğçe um und hält den Daumen hoch, Tuğçe nickt ihm vom anderen Ende des Wagens aus zu. Fahrausweise kontrollieren ist wie klettern: Sich gegenseitig sichern ist die oberste Maxime. Niemals darf einer alleine aussteigen oder weiterfahren.
Man müsse die Fahrgäste auch verstehen
Mittlerweile hat Viktors Fahrgast sein Ticket gefunden, das seit vier Monaten ungültig ist. Nach vielen Erklärungen der Kontrolleure holt er seinen Personalausweis heraus. Er nimmt den orangefarbenen Zettel mit dem Hinweis, dass er 60 Euro zahlen muss, mürrisch, aber ruhig entgegen. „Die meisten sehen ein, dass sie nachzahlen müssen und bleiben höflich“, sagt Viktor. Man müsse die Fahrgäste auch verstehen, erklärt Tuğçe.
Peinliche Situationen
„Immerhin ist es eine peinliche Situation, wenn man vor anderen Passagieren erwischt wird“, sagt sie. Einfühlungsvermögen ist für sie auch eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man in diesem Job haben sollte – und: Ruhe bewahren zu können. In der vierwöchigen, bezahlten Ausbildung lernen die studentischen Ausweiskontrolleure daher auch Deeskalationstechniken für den Fall, dass Fahrgäste aggressiv reagieren.
„Ich bin immer noch überrascht, wie oft es gut funktioniert, beruhigend auf den Fahrgast einzureden. Zuerst ist der stocksauer, wünscht einem am Ende aber doch einen schönen Tag“, sagt Tuğçe, die seit eineinhalb Jahren für die KVB kontrolliert. 2016 lag die Schwarzfahrerquote nur noch bei knapp zwei Prozent. Die KVB schätzt ihre jährlichen Einbußen durch Schwarzfahrer auf bis zu sechs Millionen Euro.
„Viele mögen unseren Job nicht – manchmal hören wir trotzdem Dank dafür“
Während die nächste Bahn der Linie 13 anrattert, geht Viktors Blick automatisch nach oben. Unterm Dach steht die vierstellige Wagennummer, die er fürs Mobi-Dat braucht. Am Ende der Schicht ist seine Hand mit Zahlen vollgekritzelt. Als alle Fahrgäste ihre Tickets vorgezeigt haben, fahren Tuğçe und Viktor bis zur Haltestelle „Neusser Straße/Gürtel“. Dort kann man in andere Linien umsteigen und Kaffeepause machen.
Aufenthaltsräume für die KVB-Mitarbeiter
Den meisten Passanten fallen die grauen Eisentüren im Vorbeigehen nicht auf, aber in vielen unterirdischen Stationen gibt es sie: kleine Aufenthaltsräume für die KVB-Mitarbeiter. Tuğçe schließt auf, der gut beheizte Raum ist schon besetzt von zwei Kollegen. Man erzählt sich, was auf der Schicht alles passiert ist.
Plötzlich hört man von draußen Gekreische. Kinder? Eine Frau? Tuğçe und Viktor schauen sich an. Das Geschrei wird lauter, Tuğçe springt auf, ihr Stuhl mit dem schweren Mantel fällt hinten über und beide laufen nach draußen. Dort albert nur eine Gruppe männlicher Jugendlicher herum. Entwarnung. Aber auch das gehört zum Job.
„Hauptsächlich sind wir für das Kontrollieren zuständig, aber wir achten auch auf die Sicherheit und geben Fahrplanauskünfte“, sagt Viktor. „Viele Leute mögen den Job, den wir ausüben, vielleicht nicht, aber wir hören auch häufig Dank dafür, dass wir da sind und uns kümmern“, berichtet Tuğçe.
Nach der kurzen Pause geht es weiter. An der Haltestelle „Geldernstraße/Parkgürtel“ steigt Viktor mit einer Schülerin aus, die ihr Ticket vergessen hat und es später nachzeigen muss. Tuğçe folgt einem jungen Mann Anfang 20 aus der Bahn, der zwar einen Fahrschein zeigen konnte, ihn aber nicht abgestempelt hat. Er versteht die Studentin auf einmal nicht mehr und will keine Angaben darüber machen, wie er heißt oder wo er wohnt. Er wirkt nervös, blickt sich um und weicht Tuğçe aus.
Wenn sich jemand verweigert, müssen die Kontrolleure die Polizei rufen. Während Tuğçe telefoniert, steht er auf einmal am Bahnsteigrand, mit den Zehen schon in der Luft, und will über die Gleise laufen – lebensgefährlich an dieser Station, an der auf beiden Seiten die Züge aus Kurven kommen. Tuğçe zieht ihn zurück.
Verärgert knallt der Mann seine blaue Sporttasche auf eine nahe Bank, reißt sie dann hoch, hält sie wie ein Schutzschild vor sich, rempelt Passanten an und läuft über die regennasse Rolltreppe davon. Fast rutscht er aus. Tuğçe läuft ihm reflexartig nach, aber Viktor hält sie auf. „Lass ihn“, sagt er. Nur langsam fällt Tuğçes Adrenalinspiegel wieder. In zwei Minuten steigt sie in die nächste Bahn.
KVB sucht neue studentische Fahrausweiskontrolleure
Zum 1. August suchen die KVB neue studentische Fahrausweiskontrolleure. Voraussetzungen für Bewerber: Sie müssen an einer Hochschule eingeschrieben, körperlich belastbar (ständiges Stehen und Gehen), und in der Lage sein, Konflikte zu lösen.
Gearbeitet wird am Wochenende und feiertags. Gezahlt wird ein Tarifstundenlohn von 13,16 Euro zuzüglich Zuschlägen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit. Die Dauer der Beschäftigung ist auf ein Jahr befristet und kann um ein weiteres verlängert werden.