Terroranschlag geplantGericht fällt Urteil im Rizin-Bomber-Prozess
Köln – Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am Donnerstag den so genannten Rizin-Bomber von Köln zu zehn Jahren Haft verurteilt. Zuvor hatte Bundesanwältin Verena Bauer ebenfalls zehn Jahre Haft für Sief Allah H. gefordert.
Der Staatsschutzsenat unter Vorsitz von Jan van Lessen sieht es als erwiesen an, dass der 31-jährige Tunesier von Herbst 2017 an in Chorweiler mit seiner 44 Jahre alten deutschen Ehefrau Yasmin H. „arbeitsteilig“ einen islamistisch motivierten Sprengstoffanschlag vorbereitet hat, bei dem das tödliche Gift Rizin durch eine Splitterbombe verbreitet werden sollte. Somit habe er sich der vorsätzlichen Herstellung einer biologischen Waffe schuldig gemacht, in Tateinheit mit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.
In weiteren Fällen eine Gewalttat vorbereitet
Auch in weiteren Fällen habe er eine solche Gewalttat vorbereitet: Zwei Mal habe er mit Unterstützung seiner Frau versucht, in das Herrschaftsgebiet der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auszureisen, um am bewaffneten Kampf teilzunehmen.
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Die Herstellung des Sprengsatzes in einem Hochhaus in der Osloer Straße sei „weit fortgeschritten“ gewesen, sagte van Lessen, und das Ehepaar habe aus einem Teil der insgesamt 3300 Rizinussamen, die von zwei Online-Anbietern stammten, bereits ein „erhebliche Menge“ Gift hergestellt. Durch den Anschlag wären viele Menschen ums Leben gekommen und verletzt worden. Der Bundesnachrichtendienst war in einer Einschätzung auf mehr als 100 Tote gekommen.
Mehr als 100 Tote möglich
In einer umfangreichen Einlassung hatte Sief Allah H., der durch die Heirat mit Yasmin H. im November 2016 nach Deutschland gekommen ist und mit ihr zwei Kinder hat, eingeräumt, sich bereits in seiner Heimat islamistisch radikalisiert zu haben. Über soziale Medien habe er in Kontakt mit Anhängern des IS gestanden, sich Propagandamaterial und auch Bestandteile einer Sprengladung besorgt, darunter in der Bundesrepublik nicht zugelassene Feuerwerkskörper aus Polen.
Er gab zu, an einer Bombe gebaut, Rizin hergestellt und damit experimentiert zu haben – jedoch nicht zum Zweck, in Deutschland einen Anschlag zu verüben. Vielmehr habe er sich militärische Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen wollen, um in den Dschihad in einem islamischen Land zu ziehen. In ihren Plädoyers wiederholten seine Verteidiger Ralf Dalla Fini und Serkan Alkan, er sei keinesfalls „fest entschlossen“ gewesen, in Deutschland ein Attentat zu begehen.
Senat hält Behauptung für „unglaubhaft“
Der Senat hält diese Behauptung für „unglaubhaft“ und „durch zahlreiche Beweise widerlegt“. Sief Allah H. habe zusammen mit seiner Frau sehr wohl vorgehabt, hierzulande „Andersgläubige“ zu töten. „Beide Eheleute befürworteten Gewalt im Namen ihrer Religion,“ so Bundesanwältin Verena Bauer. Die Verteidiger beteuerten, der 31-Jährige habe sich inzwischen vom IS „distanziert“, und beantragten, die Haftstrafe solle acht Jahre nicht überschreiten. Sief Allah H. selber sagte in seinem letzten Wort, das er mit einer religiösen Formel begann, er lehne terroristische Gruppierungen ab.
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Nach dem Hinweis eines ausländischen Geheimdiensts war er im Juni 2018 festgenommen worden. Bald geriet auch Yasmin H., die nach ihren Angaben 2004 zum Islam konvertiert ist, ins Visier der Ermittler. Im Juli 2018 wurde die Mutter von sieben Kindern verhaftet. Bis zur vergangenen Woche wurde gegen das Ehepaar gemeinsam ermittelt.
Anwälte verlassen unter Protest den Saal
Dann der Eklat: Weil Yasmin H.s Anwälte Seda Başay-Yıldız und Ali Aydin mit ihrem Antrag, die Hauptverhandlung wegen der Coronakrise zu unterbrechen, nicht durchkamen, verließen sie schließlich unter Protest den Saal. Darauf trennte der Staatsschutzsenat das Verfahren gegen die Frau ab. Am Donnerstag entschied er, es nicht wieder mit demjenigen gegen Sief Allah H. zu verbinden. Dies entspreche dem Beschleunigungsgebot.
Während die Beweisaufnahme im Fall des Mannes abgeschlossen sei, sei im Fall von Yasmin H. damit zu rechnen, dass sich das Verfahren noch einige Zeit hinziehen werde, schon allein deshalb, weil sie eine 140 Seiten lange Einlassung vortragen will. Zudem lasse das bisherige Verhalten ihrer Verteidiger erwarten, dass sie mit weiteren Anträgen die Verhandlung in die Länge ziehen würden, sagte van Lessen. Der Prozess gegen die Frau wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.