TrinkgeldKölner Kellner, Taxifahrer und Friseure beklagen „Umsatzschwund“
Köln – Die Faustregel besagt: Fünf bis zehn Prozent. So viel Trinkgeld gilt in Deutschland als angemessen. Doch Energiekrise und Inflation bringen diese Regel ins Wanken. Die Preise steigen, das Trinkgeld sinkt. Das erleben auch Kölner Servicekräfte, Friseurinnen und Taxifahrer.
„Vor einem halben Jahr war es noch deutlich mehr“, bemerkt Jessika Losacker. Vor zwei Wochen hat das Café „Pause“ in Nippes, in dem sie einen Minijob hat, die Preise erhöht. Sie sieht das als einen der Gründe, warum das Trinkgeld immer weniger wird. Dass die Kundschaft wegen der höheren Preise für Speisen und Getränke weniger Trinkgeld gibt, kann sie verstehen.
Trotzdem findet Losacker: „Wenn man ins Café geht, sollte man das Trinkgeld mit einplanen.“ Das sei für sie nicht nur finanziell wichtig, sondern sie empfindet es auch als Ausdruck von Wertschätzung, wenn sie für ihre Leistung und Freundlichkeit belohnt wird. Dass das Trinkgeld weniger werde, sei nicht erst seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine spürbar, sondern schon seit Beginn der Corona-Pandemie, sagt Losacker.
Dienstleister in Köln spüren Trinkgeldschwund
So erlebt es auch Jasmin Krämer. Sie ist Friseurin und erzählt, dass der Salon „Cut“, in dem sie arbeitet, die Preise im ersten Lockdown ebenfalls angehoben hat. Seitdem sei weniger Trinkgeld in ihrer Dose an der Kasse. Ihr Kollege Nico, der noch Azubi ist und seinen Nachnamen lieber für sich behält, berichtet ebenfalls davon. „Manchmal sind nach einem ganzen Arbeitstag nur zwei Euro in meiner Dose. Obwohl ich den ganzen Tag shampooniere und sauber mache.“ Mit einem Euro Trinkgeld pro Kunde wäre er schon zufrieden.
„Alles wird teuer und Friseure verdienen sowieso wenig“, so Nico. Jasmin Krämer ist pessimistisch. „Ich denke, dass es noch weniger wird.“ Dabei seien viele Servicekräfte auf das zusätzliche Trinkgeld angewiesen, weil viele für Mindestlohn arbeiten.
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Auch dem Besitzer dreier Kölner Kneipen, der anonym bleiben möchte, bestätigt, dass immer weniger Trinkgeld gegeben wird - besonders von der älteren Kundschaft. „Die ältere Generation hat schon einmal eine Inflation erlebt. Sie erinnern sich an früher und haben Angst.“ Hinzu kommt: Aus Angst und Vorsicht konsumieren die Gäste auch weniger. „Sie sparen und trinken dann weniger, vielleicht weil sie sich fragen, ob sie im Winter noch Strom und Heizkosten zahlen können“, mutmaßt er.
Menschen bleiben mehr zu Hause
„Fakt ist, dass es früher mindestens üblich war, den Bon großzügig aufzurunden und heute schon die Frage nach Ausgehen oder zu Hause bleiben häufig zulasten der Betriebe und Mitarbeiter entschieden wird“, so Mathias Johnen vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Köln.
Nicht nur in der Gastronomie gibt es weniger Nachfrage und weniger Einnahmen. Antonio, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, ist Taxifahrer und erzählt: „Seit der Inflation mache ich weniger Fahrten. Ich muss jetzt länger arbeiten, um das gleiche Geld zu verdienen.“ Auf Trinkgeld setzt er schon länger nicht mehr: „Vom Trinkgeld kann man sich noch ein Brötchen kaufen. Ohne Belag.“