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„Trocks“ beim Kölner SommerfestivalBei keinem anderen Ballett fallen so viele Ballerinen auf den Hintern

Lesezeit 3 Minuten
Zwei Männer als Prinz Siegfried und die Schwanenkönigin in Schwanensee.

Bei den „Trocks“ tanzen nur Männer, in den weiblichen wie männlichen Rollen.

Derzeit ist „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“ in Köln zu sehen. Die Kompanie verbindet Komik mit Tanz.

Wenn eine Ballerina auf der Bühne stürzt, ist das normalerweise ein Fiasko. Nicht so bei „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“. Hier landet eine Ballerina nach der anderen auf ihrem Hintern. Dazu kommt eine Gesichtsgymnastik, die sonst höchstens in Ballettproben zu beobachten ist – niemals würde man einer Ballerina sonst auf der Bühne ihre wahren Gefühle im Gesicht ablesen können, nachdem ihr Pas-de-deux-Partner sie ein Dutzend Mal Pirouetten drehen ließ.

„Trocks“ wurden 1974 gegründet

Der Wechsel zwischen perfekt choreografierter Albernheit, die zeitweise an Clownerie erinnert, und einem sauberen Grand Jeté (ein Spagatsprung) ist nicht das Einzige, was diese Ballettkompanie von anderen unterscheidet. Bei den „Trocks“ tanzen ausschließlich Männer. In Tutu, mit Perücke und auffällig geschminkt reisen die Mitglieder der vor 50 Jahren in New York gegründeten Kompanie heute durch die ganze Welt. Am Dienstagabend feiern sie die Premiere ihres Kölner Gastspiels beim 35. Sommerfestival in der Philharmonie, noch bis Sonntag tanzen sie hier.

Ein Mann sitzt vor einem Spiegel und verteilt mit einem Schwamm Concealer in seinem Gesicht.

Felix Molinero del Paso braucht etwa eine Stunde für sein Bühnen-Make-up.

Rund eine Stunde vor Showbeginn herrscht im Untergeschoss der Philharmonie konzentriertes Schweigen. Felix Molinero del Paso sitzt mit kurzer Jogginghose, T-Shirt und den für das Ballett typischen Aufwärmstiefeln in seiner Umkleide und betrachtet sein Gesicht in einem Handspiegel. Er greift zu einem der Dutzend Pinsel, die vor ihm liegen, und zieht ein weiteres Mal seine Augenbraue nach. Wenn der 27-Jährige später die Bühne betritt, wird er kaum noch zu erkennen sein. Denn dann ist er nicht mehr Felix Molinero del Paso, sondern Holly Dey-Abroad.

Ein Mann trägt mit einem Pinsel Glitzer auf seinem Augenlid auf.

Den Glitzer auf den Augen mag er am liebsten.

Das Make-up sei anfangs schwierig für ihn gewesen, sagt er. Heute sitzt jeder Handgriff, nur vor dem Ziehen des Eyeliners atmet er einmal tief durch und das Aufkleben der künstlichen Wimpern, mit denen die Tänzer sehr viel und effektvoll klimpern, entlockt ihm einen leisen Laut der Frustration. Aber danach kommt sein Lieblingsschritt: Der Glitzer. „Wir können mit dem Make-up unsere Persönlichkeit auf der Bühne ausdrücken. Die einzige Regel ist der rote Lippenstift.“

Männer tanzen auf Spitzenschuhen

Seit er neun Jahre alt ist, tanzt der gebürtige Spanier Ballett. Von 2016 bis 2019 lernte er an der Hochschule für darstellende Kunst in Frankfurt am Main, seit 2021 ist er Teil der „Trocks“. Zu lernen, in Spitzenschuhen zu tanzen, sei eine große Herausforderung gewesen. „Aber es war eine spaßige Herausforderung“, sagt er. Um das höhere Gewicht eines männlichen Tänzers auf die Spitze des Schuhs zu heben, brauche es viel Kraft. Und nach einem Sprung so abzurollen, dass es wirkt, als seien die muskelbepackten Tänzer federleicht, gelingt auch nicht immer.

Balletttänzer tanzen quer durcheinander.

Das organisierte Chaos macht die „Trocks“ so unterhaltsam.

Dass die männlichen Tänzer auch in den weiblichen Rollen glänzen können, beweist etwa der dritte und letzte Akt der Vorstellung in der Philharmonie. „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“ tanzen Ausschnitte aus verschiedenen Balletten, vorzugsweise russische. Den Abschluss bildet „Paquita“. Die Solistin Varvara Laptopova (Takaomi Yoshino) entlockt dabei dem Publikum in der Philharmonie mit ihren Pirouetten – wer mitgezählt hat, muss beeindruckt sein – Laute des Staunens.

Für Belustigung sorgt dagegen etwa im ersten Akt der ikonische Tanz der kleinen Schwäne. Wer diese Choreografie zu der Musik von Tschaikowski einmal getanzt hat, hat wohl schon mindestens einmal über die Kopf-Choreografie dazu gestöhnt. Links, über unten nach rechts, links, rechts, über unten wieder nach rechts und so weiter. Bei den „Trocks“ hat einer der vier kleinen Schwäne dieses Spiel noch nicht ganz raus. Das daraus resultierende, geplante Chaos ist Lach-Garant – jedenfalls für jeden, der das klassische Ballett nicht zu ernst nimmt.