Tschüss, VerstärkerStadt Köln dreht Straßenmusikern den Saft ab
Köln – Paul Schneider trifft man auf der Hohe Straße, als er gerade seine Instrumente auspackt. Der Kölner Straßenmusiker spielt seit zwei Jahren Didgeridoo und Handpans, trommelähnliche Geräte aus Stahlschalen. An diesem Mittwochnachmittag hat der 22-Jährige seine Verstärker zu Hause gelassen. Seit Mittwoch sind sie wie auch Lautsprecher im gesamten Stadtgebiet verboten, wie eine neue Verordnung der Stadt besagt - so wie in vielen anderen NRW-Städten auch.
„Für mich persönlich ist es nicht so schlimm, weil meine Instrumente auch ohne Lautsprecher funktionieren“, sagt Schneider. „Andere Musiker können dagegen jetzt einpacken.“ Im Domumfeld durften Straßenmusiker bereits seit einem Jahr keine Verstärker verwenden, doch diese Regelung hat sich aus Sicht der Verwaltung nicht bewährt. Die Probleme verlagerten sich offenbar nur in andere Bereiche der Innenstadt.
Insbesondere Geschäftsleute und Ärzte beklagten sich im vergangenen Jahr zunehmend über den von Straßenmusikern und anderen Künstlern verursachten Lautstärkepegel. Das Ordnungsamt zählte 2017 fast doppelt so viele Beschwerden wie im Jahr 2016. Die Mitarbeiter im Außendienst sprachen im vergangenen Jahr insgesamt 148 mündliche Verwarnungen aus, kassierten 63 Verwarngelder und stellten in sieben Fällen Instrumente oder Musikanlagen sicher.
Die Politiker beschlossen angesichts dieser Zahlen in der Dezember-Sitzung des Stadtrats das jetzt in Kraft getretene generelle Verstärker-Verbot. Musik und andere Kunstdarstellungen auf der Straßen dürfen grundsätzlich nur zwischen 10 und 21.30 Uhr in den ersten 30 Minuten einer vollen Stunde gespielt werden – die zweiten 30 Minuten muss Ruhe herrschen. Die Künstler müssen nach dieser Zeit ihren Standort wechseln und mindestens 300 Meter Abstand zum vorigen Spielort halten. Derselbe Platz darf innerhalb eines Tages nicht erneut besetzt werden. Von 22 bis 10 Uhr sind Musik und andere Kunst auf der Straße verboten.
Ordnungsamt ermahnt Musiker
Das Ordnungsamt verzichtete am ersten Tag des Verstärker-Verbots gestern auf einen besonders intensiven Einsatz. Die Mitarbeiter unternahmen lediglich ihre üblichen Streifgänge durch die Innenstadt und ermahnten Musiker, die trotz der geänderten Verordnung einen Verstärker einsetzten. Die Künstler erhielten zur Erinnerung Zettel, auf denen die neue Regelung detailliert erklärt wird. Strafen für eine Zuwiderhandlung verhängt der Ordnungsdienst während der ersten Woche nicht.
„Wir betrachten das als Einführungs- und Übergangszeit, damit sich alle daran gewöhnen können“, sagt ein Stadtsprecher. Erst ab dem 1. Februar drohen den Straßenmusikern Sanktionen, wenn sie trotz des Verbots einen Verstärker oder Lautsprecher einsetzen. Sie müssen in der Regel mit einem Verwarn- oder Bußgeld rechnen. Die Mitarbeiter des Ordnungsamts dürfen die verwendeten Geräte außerdem sicherstellen, um eine weitere Nutzung zu verhindern.
Musiker reagieren mit Verständnis
Die Betroffenen reagieren auf die neue Regelung durchaus mit Verständnis. „Wir erfüllen mit unserer Musik auch einen kulturellen Auftrag“, sagt Musiker Schneider einerseits. Andererseits könne er Menschen verstehen, die sich durch die Musik gestört fühlen. Er schlägt daher eine Zonen-Regelung vor, wie sie die Stadt Konstanz praktiziere. Dort gebe es Orte, an dem Musiker spielen dürfen, Plätze, an denen das nicht gestattet ist und Stellen, wo man nur ohne Verstärker auftreten darf. Richtig geärgert hat sich Schneider über Mitarbeiter der Stadt. Die seien einmal mitten in eines seiner Konzert geplatzt und hätten ihn mit einem Handzettel über das Verstärker-Verbot informiert. „Da fehlt es etwas an Respekt.“
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Jürgen Kronz ist schon seit 30 Jahren als Straßenmusiker mit kölschen Liedern in Köln und im Umland unterwegs und kann die Stadt teilweise verstehen. Seitdem das Verstärker-Verbot vor einigen Jahren in Köln aufgehoben wurde, seien zahlreichen Musiker aus anderen Städten nach Köln gekommen. „Nicht alle davon können wirklich gut spielen“, sagt der 63 Jahre alte Gitarrist und Sänger. Allerdings treffe das Verbot auch ihn, weil er manchmal selbst gerne mit Lautsprechern auftrete, um die Stimme zu schonen.
Am Eigelstein, wo in warmen Sommertagen Straßenmusiker vor der Eigelsteintorburg spielen, haben Anwohner und Geschäftsleute wenig gegen die Mini-Konzerte in ihrem Viertel: „Wir leben hier in einer Großstadt, da muss es auch Straßenmusik geben“, sagt Adrian Przondziono von der Buchhandlung am Eigelstein. „Von mir aus dürfen die Musik machen, wann und wie sie wollen.“ Auch die 37 Jahre alte Anwohnerin Diana Leiseife hat nichts gegen die Auftritte: „Ich bin in Köln mit Straßenmusik aufgewachsen. Musiker wie der Leierkastenmann gehören einfach zur Stadt dazu. Mit und ohne Verstärker.“