Kölner Polizeichef im Einsatz„Wir müssen als Polizei erklären, was wir machen“
- Mehrere Tage gewährte der Polizeipräsident detaillierte Einblicke in seine Arbeit
- Auch zum Sessionsauftakt am 11.11. waren wir an der Seite des Behördenchefs
- Uwe Jacob sucht Widersruch in der eigenen Behörde – und bekommt ihn
Köln – Es ist kurz nach 20 Uhr am 11.11., als Uwe Jacob aus dem Polizeipräsidium in Kalk in die Kälte tritt. Hinter ihm liegen zwölf Stunden Arbeit, vor ihm eine Stunde Autofahrt nach Moers. Seit 30 Jahren wohnt der Kölner Polizeipräsident am Niederrhein. Uwe Jacob hat gute Laune, aus Polizeisicht ist die Sessionseröffnung einigermaßen glatt über die Bühne gegangen. Keine herausragenden Verbrechen, keine verletzten Beamten und überhaupt: deutlich weniger Ingewahrsamnahmen und Straftaten als befürchtet.
Der Fahrer wartet schon und dreht sofort die Heizung auf. Jacobs Handy klingelt, seine Frau ist dran. „Guten Abend, Frau Jacob“, meldet er sich fröhlich, und man ahnt, worüber die beiden morgens vor seiner Abfahrt noch gesprochen haben. „Ich habe genau die richtige Jacke angezogen“, beginnt der 65-Jährige das Gespräch. „In dem Mantel hätte ich heute nur gefroren.“
Termine von 7 bis 22 Uhr, vier oder fünf Stunden Schlaf
Die Tage vollgestopft mit Terminen, oft von 7 bis 22 Uhr, Nächte mit vier oder fünf Stunden Schlaf. Aber auch: Spannung, Adrenalin, Abwechslung, immer nah am Leben. So beschreibt der 65-Jährige seinen Alltag. Am Mittwochmittag, dem Tag vor der Sessionseröffnung, sitzt er in einem Konferenzraum im Polizeipräsidium. Eine Pause zwischen zwei Besprechungen. Jacob quetscht den Rest eines Wasserstangeneises aus der Verpackung. Zitronengeschmack, Waldmeister war gerade nicht da.
Uwe Jacob hat zugestimmt, sich vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ fünf Tage bei seiner Arbeit begleiten zu lassen, von morgens bis abends. Der Arbeitstitel der geplanten Reportage lautet: Was macht eigentlich ein Polizeipräsident? Jacob brauchte kaum Bedenkzeit. „Ich finde, man muss mit offenen Karten spielen“, sagt er. „Wir müssen erklären, was wir machen als Polizei.“ Also legte er seinen Terminkalender offen, gewährte Zutritt zu internen Besprechungen, ließ den Reporter und den Fotografen an Absprachen mit seiner persönlichen Referentin und seinem Pressesprecher teilhaben. Nur ein Thema wollte er im Nachhinein ausgeklammert wissen – es betrifft interne Prozesse, bei denen nicht die Polizei Köln federführend ist, sondern das NRW-Innenministerium.
Uwe Jacobs Terminkalender am 10. November
6.45 Uhr Abfahrt in Moers
Seit 30 Jahren wohnt Uwe Jacob in Moers am Niederrhein. Ein Fahrer holt ihn morgens dort ab, bringt ihn nach Köln und abends wieder nach Hause. Im Auto bereitet sich der Polizeipräsident auf Termine vor, erledigt Telefonate und Schreibkram. „An der Form meiner Unterschrift können Sie meistens ganz gut erkennen, ob ich auf gerader Strecke gefahren bin, in einer Kurve war oder auf einer Ruckelpiste unterwegs.“
8. 15 Uhr Absprache mit persönlicher Referentin
Welche Termine stehen heute an? Kommt Besuch? Gibt es nennenswerte Vorkommnisse in der Behörde? Darüber spricht Uwe Jacob morgens im Präsidium oft als allererstes mit seiner persönlichen Referentin Silke Frank.
9.30 Jour Fixe mit den Beamten des Höheren Dienstes
Einmal im Monat treffen sich die ranghöchsten Führungskräfte im Präsidium zum Jour Fixe. Heute nehmen 28 Beamtinnen und Beamte teil. Die Agenda: Vorstellung des Abschlussberichts der „AG Wertekultur“ (eine interne Jobzufriedenheitsbefragung von Bereitschaftspolizisten), Stand der Dinge in Sachen geplante Waffenverbotszonen in NRW, Stand der Vorbereitungen zum Sessionsauftakt am folgenden Tag, Zahl der an Corona erkrankten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Behörde – und ein allgemeiner Appell von Uwe Jacob, auf korrekte Signaturen in dienstlichen E-Mails zu achten: „Manche haben da kreisende Dome drin, andere schreiben: ‚Bin dann mal weg, Euer Willi‘. Das geht nicht, da muss drin stehen: ‚Abwesend von bis‘. Das sollte schon sauber sein.“
10.30 Uhr Telefonat mit dem Staatssekretär
Der Staatssekretär aus dem NRW-Innenministerium will wissen, wie die Polizei Köln für den Sessionsbeginn aufgestellt ist – und mit wie viel Andrang sie rechnet. Die Behörde plant mit 1200 Einsatzkräften, so viele wie üblich an einem 11.11. Ob auch so viele Menschen in die Stadt strömen werden wie in Vor-Corona-Zeiten, steht in den Sternen. „Wir sind auf alles vorbereitet“, sagt Jacob.
10.45 Uhr Belobigungen
In einem großen Konferenzraum im Präsidium sind 14 Kölner Polizistinnen und Polizisten versammelt, die aus Sicht der Behörde im vergangenen Jahr Herausragendes geleistet haben. Zum Beispiel ein IT-Forensiker, dem es gelungen ist, das Handy einer mutmaßlichen Mörderin auszulesen und bereits gelöschte Daten auf dem Smartphone zurückzuholen. Oder ein Kriminalbeamter, der in seiner Freizeit einen Trickbetrüger gefangen hat. Oder eine Beamtin und ein Beamter, die einen Mann von einem geplanten Selbstmord abgehalten haben. Sie alle bekommen eine Medaille und eine Urkunde, die der Personalakte beigelegt wird.
13 Uhr Auftaktveranstaltung Potenzialförderung
Uwe Jacob begrüßt im Präsidium fünf junge Polizistinnen und fünf Polizisten, die ihr Bachelorstudium mit Bestnoten abgeschlossen haben. Für „High Potentials“ wie sie hat die Polizei Köln ein neues Förderprogramm aufgelegt. Das Ziel: mehr Beamtinnen und Beamte für Führungsaufgaben im Höheren Dienst zu motivieren.
15.15 Uhr Besuch der Wache in Sülz, Polizeiinspektion 2
Reihum besucht Uwe Jacob seit Wochen alle sieben Polizeiinspektionen in Köln und Leverkusen. Er will sich vor Ort mit Beamtinnen und Beamten an der Basis austauschen und aus erster Hand erfahren, wo der Schuh drückt. Wie ist die Personalsituation? Was sind die Einsatzschwerpunkte im Bezirk? Welche Rückmeldungen kommen aus der Bevölkerung? Heute ist die Wache an der Rhöndorfer Straße dran. Ein Beamter aus dem Bezirksdienst macht seinem Ärger Luft über zu viel Arbeit für zu wenig Personal. „Irgendwann kommt der Punkt, da sagen die Kollegen, sie können nicht mehr.“ – „So weit darf es nicht kommen“, sagt Jacob und erläutert, warum die Personalsituation ist, wie sie ist – und nach welchen Kriterien das Personal auf die einzelnen Wachen und Kripo-Dienststellen verteilt wird. „Wir haben 5700 Polizistinnen und Polizistin in Köln“, schließt Jacob. „Wären es doppelt so viele, könnten wir auch die locker beschäftigen.“ Diesem Satz stimmen alle im Raum zu.
18 Uhr Heimfahrt nach Moers
Wieder Telefonate, Schreibkram. Jacobs Fahrer reicht dem Polizeipräsidenten zwei dicke Mappen auf die Rückbank mit Urkunden zum Unterschreiben. Es sind die Urkunden der Kommissarinnen und Kommissare, die kürzlich ihr Studium beendet und ihren Dienst in Köln angetreten haben. Kurz nach 19 Uhr trifft Jacob zu Hause ein. Um 19.30 Uhr erfährt er aus dem Fernsehen, dass der Kölner Karnevalsprinz Sven I. an Corona erkrankt ist.
Dass die Begleitung am 12. November nach nur zwei Tagen abgebrochen werden muss, ist der Corona-Pandemie geschuldet, denn auch bei der Polizei steigt die Zahl der Infizierten, der Präsident muss seine persönlichen Kontakte wieder auf ein notwendiges Minimum reduzieren.
Das könnte Sie auch interessieren:
Rundgang an den Karnevalshotspots
Im Konferenzraum legt Pressesprecher Ralf Remmert seinem Chef die Terminplanung für den nächsten Tag vor, die Karnevalseröffnung. 9.45 Uhr: Abfahrt in den Einsatzraum, 10 Uhr: Treffen mit Polizei-Einsatzleiter Rüdiger Fink am Heumarkt und Rundgang um den Alter Markt. 10.30 Uhr: Treffen mit Veranstaltungsleiter Ralf Schlegelmilch von der Willi Ostermann Gesellschaft. 10.50 Uhr: Treffen mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Backstagebereich am Heumarkt. 11.00 Uhr: Interview mit n-tv neben der Bühne. 14.15 Uhr: Gemeinsame Pressekonferenz mit Henriette Reker im Rathaus. „Und um 19.30 Uhr – das steht da noch nicht – will dich die Lokalzeit als Gast im Studio für eine erste Bilanz“, sagt Remmert. „Mich? Ist das nicht eher was für die OB?“, fragt Jacob. „Klärt sich noch“, antwortet Remmert. Am Ende wird Stadtdirektorin Andrea Blome in der „WDR“-Lokalzeit Rede und Antwort stehen. Jacobs Referentin Silke Frank steckt den Kopf zur Tür hinein: „Wollen wir?“
Es geht zum nächsten Termin. Der Titel ist sperrig: „Auftaktveranstaltung Pilotprojekt Potenzialförderung“. Das Thema liegt Jacob am Herzen: 1000 Polizistinnen und Polizisten in Köln erfüllen die Voraussetzungen für den Höheren Dienst, aber nur 30 bewerben sich jedes Jahr. „Finde den Fehler“, sagt Jacob auf dem Weg zur Veranstaltung eine Etage tiefer. Er will den Einführungsvortrag halten. Fünf Beamtinnen und drei Beamte sitzen an Tischen, die im Kreis aufgestellt sind. Fast alle in Uniform, fast alle Anfang 20, und alle haben ihr Bachelor-Studium an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) mit Bestnoten abgeschlossen. Aus Sicht der Behörde sind sie so genannte High Potentials, besonders leistungsstarke Nachwuchskräfte. Die Polizei Köln hat ein neues Förderprogramm für Talente wie sie aufgelegt. Jacob nimmt Platz und begrüßt seine jungen Kolleginnen und Kollegen. Er erntet ein schüchternes Nicken. „Haben Sie an der HSPV auch sprechen gelernt?“, fragt er. „Sie sind heute hier, weil Sie zu gut sind. Ist jemand für seine Abschlussarbeit auch vom Innenminister ausgezeichnet worden?“ Schweigen und allgemeines Kopfschütteln. „Ah, so gut waren Sie also auch wieder nicht.“
„Mittlerweile wissen alle, dass ab und zu ein blöder Spruch kommt“
Wer den gebürtigen Duisburger zum ersten Mal erlebt, könnte seinen Umgangston für schroff halten. In Wahrheit aber ist das wohl dieser besondere Slang, der im Ruhrpott als liebevoll gilt. „In Köln hatten einige anfangs Probleme mit meiner offenen Schnüss“, sagt Uwe Jacob. „Mittlerweile wissen alle, dass da ab und zu ein blöder Spruch kommt. Und ich freue mich immer, wenn einer zurückkommt.“ Oft kommt da aber nichts. Jacob bedauert das. „Widerspruch finde ich toll. So kommen die wirklich wichtigen Themen zur Sprache. Was soll ich denn damit anfangen, wenn die Leute immer nur sagen: Das ist aber super, was Sie da wieder entschieden haben, Herr Polizeipräsident.“
Auch beim ersten Termin an diesem Morgen, dem monatlichen Jour Fixe mit den ranghöchsten Führungskräften der Behörde, war es ihm wieder mal „ein bisschen zu ruhig“, wie er später bekennt. „Eigentlich komisch. Jeder einzelne, der da sitzt, kann problemlos einen Vortrag vor 1000 Leuten halten.“ Ein Teilnehmer der Runde hat die Ergebnisse einer Jobzufriedenheits-Befragung unter Hundertschaftspolizisten vorgetragen. Das Ergebnis: Viele haben das Gefühl, „zwischen den Stühlen zu stehen“, es keiner Seite recht machen zu können. Ihr Einschreiten werde von Passanten oder Demonstrationsteilnehmern zunehmend als rassistisch motiviert wahrgenommen. Ein Drittel der Befragten hat die Sorge, als „politisch inkorrekt“ zu wirken, sei es aber gar nicht. Die Polizei Köln will nun Workshops aufsetzen, um die Themen zu vertiefen.
Auf dem Weg zurück ins Büro klingelt Jacobs Handy. Jürgen Mathies, Staatssekretär von NRW-Innenminister Herbert Reul, erkundigt sich nach dem Stand der Vorbereitungen für den 11.11. Jacob sieht dem Einsatz gelassen entgegen: 1200 Einsatzkräfte stehen bereit, der Zellentrakt im Keller des Präsidiums ist frisch renoviert und bietet 100 potenziellen Randalierern Platz. Oder wie es der Polizeipräsident ausdrückt: „Hotel Jacob ist wieder voll buchbar.“ Mathies ist Jacobs Vorgänger als Polizeipräsident in Köln. Er hatte die Behördenleitung nach der verheerenden Silvesternacht 2015/2016 übernommen und den beschädigten Ruf der Polizei wieder hergestellt. Bis heute genießt er großen Respekt und hohe Sympathiewerte in der Stadt.
Seine Referentin nimmt Uwe Jacob viel Arbeit ab
„Jürgen Mathies hat viel geleistet für die Polizei“, sagt Jacob und erinnert sich an die Silvestermesse im Dom vor zwei Jahren, an der er selbst teilgenommen hat. Kardinal Woelki dankte ihm, Jacob, stellvertretend für alle Kölner Polizistinnen und Polizisten dafür, dass man wieder „sicher eine Messe im Dom feiern“ könne. 1400 Gläubige applaudierten. Jacob sagt, dieser Moment habe ihn sehr bewegt. „Da wusste ich: Die Kölner Polizei ist wieder da.“
Referentin Silke Frank reicht ihm eine Mappe mit einem roten Klebezettel: „Eilt“. Darin der Entwurf eines Schreibens der behördeninternen „Projektgruppe Neubau“. Es geht um die Suche nach einem Grundstück für eine neue Polizeiwache in Weiden. Jacob fliegt über die Zeilen und setzt seine Unterschrift darunter. Er schreibe nichts mehr selbst, sagt er. „Das schaffe ich gar nicht.“ Die meiste Arbeit läuft geräuschlos im Hintergrund, am Ende muss er nur noch Ja oder Nein sagen.
1600 Kontakte im Smartphone - „Mein Handy ist mein Büro“
Ohne seine Referentin und seine Mitarbeiterinnen im Vorzimmer geht nichts. Sie planen seine Termine, lesen seine Mails und filtern täglich um die 50 heraus, die der Präsident persönlich bearbeiten muss. Meistens erledigt er das ab dem späten Nachmittag im Büro oder im Auto auf dem Heimweg nach Moers. Hauptsache, am Ende des Tages ist das Postfach leer. „Ich kann es nicht haben, wenn da 200 ungelesene Mails drin sind.“
Sein Vorzimmer pflegt auch die Kontaktliste in seinem iPhone. Mehr als 1600 Namen sind darin gespeichert, jeder einzelne Eintrag mit Foto. „Mein Handy ist mein Büro“, sagt Jacob. Auch im Urlaub, auf seiner Lieblingsinsel Mallorca etwa, telefoniere er zwei bis drei Stunden täglich. Andere mag es nerven, in der Freizeit mit beruflichen Dingen belästigt zu werden, Jacob nicht, im Gegenteil. „Ich fühle mich unwohl, wenn ich nicht weiß, was läuft.“ Abschalten, mal ein paar Tage komplett herunterfahren - das ist nichts für einen wie ihn. „Ich stecke da voll drin, das ist alles spannend, alles toll. Aber die Familie sitzt natürlich oft alleine zu Hause“, sagt der vierfache Vater. Das sind die Schattenseiten.
Ende März bremste eine Krebs-Erkrankung den 65-Jährigen abrupt aus. Er musste operiert werden, verbrachte Wochen in der Reha. Im August stand er wieder im Büro. Seine Ärzte rieten ihm, sich etwas zu schonen, nicht zu viele Treppen zu steigen. Er versucht, sich daran zu halten. Zumindest an das mit den Treppen, er nimmt jetzt öfter mal den Fahrstuhl. Ende Januar wird Uwe Jacob in den Ruhestand gehen. Viele in seiner Situation wären wohl für diese letzten fünf Monate gar nicht mehr zurückgekehrt. Aber für ihn sei das nicht in Frage gekommen, sagt er. „Nein, so wollte ich nicht aufhören.“
Hitzige Diskussion über hohe Arbeitsbelastung bei der Schutzpolizei
Der letzte Termin für diesen Mittwoch steht an: ein Besuch der Polizeiwache an der Rhöndorfer Straße in Sülz. Reihum fährt der Polizeipräsident seit Wochen alle Polizeiinspektionen ab, um zu erfahren, wo die Beamtinnen und Beamten an der Basis der Schuh drückt. In einem Besprechungsraum haben sich acht Mitarbeiter versammelt. Der Leiter des Bezirksdienstes kommt schnell in Fahrt. Er beklagt sich über die hohe Arbeitsbelastung: Demos, während Corona sogar mehr als je zuvor, immer mehr Veranstaltungen, Karneval im Winter, Karneval im Sommer, Halloween, Weihnachtsmärkte – und nebenbei das Tagesgeschäft. „Wir haben inzwischen das ganze Jahr über Strom.“ Das sei doch schön, entgegnet Jacob, und früher sei auch nicht alles besser gewesen. „Na gut, wir haben im Nachtdienst Doppelkopf gespielt. Macht man das heute noch?“
Der Bezirksbeamte ist nicht zu bremsen. Es ist jetzt so weit, der Polizeipräsident erntet seinen Widerspruch. „Herr Jacob, ich habe 200 Puls gerade!“, schimpft der Bezirksbeamte. „Irgendwann kommen meine Kollegen an und sagen: Es geht nicht mehr, wir können nicht mehr.“ Jacob wird ernst. „Das darf natürlich nicht passieren.“ Die Zahl an Neueinstellungen steige immerhin seit einigen Jahren, entgegnet er. Aber er könne auch nicht zaubern. Stattdessen erläutert er der Runde, warum die Personalsituation so ist, wie sie ist – und nach welchen Kriterien die Beamtinnen und Beamten auf die einzelnen Wachen und Kripo-Dienststellen verteilt werden. 5700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien bei der Polizei Köln beschäftigt, schließt Jacob. „Wären es doppelt so viele, könnten wir auch die locker beschäftigen.“ Später im Auto, auf der Rückfahrt ins Präsidium, wirkt Uwe Jacob zufrieden. „Ich fand das toll gerade. Das ist ein Schutzmann aus dem Leben, und ich verstehe ihn ja.“
Jeder Tag beginnt mit der „Morgenlage“ im Präsidium
Der nächste Tag, die Sessionseröffnung. Das Präsidium am Walter-Pauli-Ring ist in dichten Nebel gehüllt. In der „Morgenlage“ um 9 Uhr treffen sich die Direktionsleiter mit ihrem Präsidenten und besprechen aktuelle Einsätze aus der Nacht. Ein tödlicher Verkehrsunfall auf der Autobahn, eine Leiche in einem Grüngelände (vermutlich natürlicher Tod), ein dreister Trickdiebstahl in Bayenthal. Geschäftsmäßig weist einer aus der Runde noch darauf hin, dass heute der Karneval eröffnet wird. „Ach“, entfährt es Jacob. „Das wusste ich nicht.“
Zwei Stunden später trifft er auf dem Heumarkt hinter der Bühne auf Henriette Reker. Im VIP-Bereich, zwischen Currywurst, Kölsch und Brötchen handflächendick mit Fleischwurst belegt, bietet Uwe Jacob ihr das Du an. Vor der Sitzung des städtischen Krisenstabs im Rathaus drei Stunden später, zu der ein Stadtsprecher dem Reporter und dem Fotografen den Zutritt verwehrt, wird sie ihn mit „mein lieber Uwe“ begrüßen.
Bei der Pressekonferenz um 14.15 Uhr im Spanischen Bau sitzt Uwe Jacob neben ihr. Er berichtet von einem „friedlichen Verlauf“ der Feiern aus polizeilicher Sicht – und ist froh, dass die kritischen Fragen zuständigkeitshalber an die Oberbürgermeisterin gehen: War es richtig, heute so viele Menschen feiern zu lassen? Hätte man die Sessionseröffnung nicht absagen sollen? „Hätten Sie mich das gefragt“, sagt Jacob später mit todernster Miene zum Reporter, „wäre unser Projekt hier auf der Stelle beendet gewesen.“ Reker antwortet den Journalisten: Nein, man hätte das nicht verbieten können, Karneval ist Brauchtum, die Kölner hätten sich das Feiern sowieso nicht nehmen lassen.
Auf der Zülpicher alles wie immer: „Ex und Hopp in den Kopp“
Während sie das sagt, muss die Polizei ein paar Kilometer weiter auf der Zülpicher Straße immer wieder den privaten Sicherheitsdienst unterstützen, der an den Zugängen Impfpässe und Ausweise tausender, oft betrunkener und angriffslustiger Jecken kontrollieren müsste, hin und wieder aber einfach überrannt wird.
Auf der Zülpicher, stellt Uwe Jacob am Abend fest, nachdem er mit seinem Pressesprecher eine Stunde die Straße auf und ab gelaufen ist und dem WDR drei Live-Schalten gegeben hat, sei eigetnlich alles wie immer an einem 11.11.: Alkohol und Halligalli. „Ex und Hopp in den Kopp“, bilanziert der Polizeipräsident. „Die Frage ist, wie kurzfristig man das im Vorfeld hätte stoppen können. Die Leute wären wohl trotzdem gekommen.“
Für Uwe Jacob war es die letzte Sessionseröffnung als Polizeipräsident. Seine womöglich allerletzte Amtshandlung vor dem Ruhestand ist für den 28. Januar im Hotel Maritim geplant – sofern die Corona-Lage es zulässt. Bei der traditionellen Karnevalssitzung der Polizei wird die Ruhrpott-Schnüss das Kölner Dreigestirn zu Ehrenkommissaren ernennen.