Kölner Theater hilftUrania organisiert Transporte für ukrainische Flüchtlinge
Köln-Ehrenfeld – Seit einer Woche steht das Handy von Bettina Montazem nicht mehr still, genauso wenig wie sie selbst. Auch geschlafen hat die 51-Jährige in den letzten Tagen kaum. Montazem leitet zusammen mit ihren Töchtern Rosa und Lea das Urania Theater in der Platenstraße. Montazems Rastlosigkeit rührt derzeit aber nicht vom Spielplan des Theaters, sondern von den Geschehnissen auf der weltpolitischen Bühne.
Das Urania Theater spendet ab sofort alle Einnahmen seines Stückes „Gegen die Demokratie” an das Blau-Gelbe Kreuz, um den Menschen in und aus der Ukraine zu helfen. Eine Übersicht über die Spieltermine findet sich auf der Website des Theaters.
Am Donnerstag, 10. März, spielt das RMS Jazz-Orchester im Urania Theater zudem ein Benefizkonzert für die Ukraine. Auf dem Programm stehen Swing-Klassiker sowie zeitgenössische Kompositionen. Das Konzert beginnt um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Auch der Erlös des Konzertes kommt dem Blau-Gelben Kreuz zugute.
„Als der Krieg in der Ukraine begann, war sofort klar, dass wir den flüchtenden Menschen helfen werden”, erklärt Montazem, die schließlich auch ihre eigene Heimat auf Grund eines gewalttätigen Konflikts verlassen musste. 1979 flüchtete Montazem mit ihrer Familie aus dem Iran, da war sie gerade neun Jahre alt: „Ich weiß genau wie sich das anfühlt, es ist fürchterlich.”
Viele Flüchtlinge stranden in Polen
Seit die russischen Truppen in die Ukraine eingedrungen sind, haben rund eine Millionen Menschen das osteuropäische Land verlassen - viele weitere Flüchtlinge, so schätzen Experten, werden folgen. Die meisten dieser Menschen stranden zunächst in Polen, inzwischen kommen aber auch immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland. Und das muss koordiniert werden: „Der Krieg bringt das Chaos”, sagt Bettina Montazem, die gemeinsam mit ihren Töchtern und anderen Helfern versucht, ein wenig Ordnung in dieses Chaos zu bringen.
Tournee-Theater mit Transporterfahrung
In Zusammenarbeit mit dem Verein „Blau-Gelbes Kreuz” vermitteln die Ehrenfelder Helfer Unterkünfte an die Flüchtenden, organisieren Fahrten aus der polnischen Stadt Posen nach Deutschland - und transportieren die Menschen auch selbst: „Wir sind ein Tournee-Theater”, erklärt Montazem, „wir sind so strukturiert, dass wir schnell von A nach B kommen und können uns diese Eigenschaft jetzt zu Nutze machen.”
Montazem war bereits selbst in Polen, um dort ukrainische Flüchtlinge abzuholen. In Posen kommen diese in einem kleinen Hotel unter, bevor sie dann nach Deutschland und andere Länder gebracht werden: „Wir haben Autos, Fahrer und Geld organisiert und sind direkt hingefahren”, erzählt die 51-Jährige.
Vater musste in Kiew bleiben
In Posen angekommen, wollten die Helfer zwei ukrainische Familien aufnehmen - Kinder und ihre Mütter, Großeltern und eine Hochschwangere. Die Männer blieben in Kiew - Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land auf Grund der Mobilmachung nicht verlassen: „Der Vater hat nun ein Gewehr in der Hand, steht in Kiew und überall wird geschossen”, sagt Montazem, „das hat den Kindern und den Müttern natürlich Angst gemacht.”
Die Frauen, so erzählt Montazem weiter, hätten aber nicht nur Angst um die zurückgebliebenen Männer, sondern auch vor Schlepperbanden: „Sie waren panisch und es herrschte eine enorme Skepsis. Sie wollten zunächst nicht in unsere Fahrzeuge steigen, weil sie fürchteten, entführt zu werden.”
Verein Blau-Gelbes Kreuz aus Köln
Denn auch das ist die traurige Realität im Kielwasser des Ukraine-Konflikts - Menschenhändler verschleppen flüchtende Frauen und Mädchen, zwingen sie in die Prostitution: „Die Dimension an menschlicher Boshaftigkeit und Niedertracht ist schrecklich”, sagt Montazem, „am Ende hat nur ein Telefonat mit dem Blau-Gelben Kreuz die Frauen überzeugen können, in die Autos zu steigen. Die Arbeit des Vereins ist enorm wichtig.”
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Trotz der Schwierigkeiten steht für die Ehrenfelderinnen fest, ihre Hilfsaktion fortzusetzen, bis die momentane „Übergangsphase” bewältigt ist: „Es ist jetzt an der Zeit, diesen Menschen zu helfen”, sagt Montazem. Schon während der Umweltkatastrophe im Ahrtal habe man gelernt, dass Nachbarschaftshilfe die schnellste Methode der Unterstützung ist: „Wir haben über die Bürokratie vergessen, was die größte Kraft der Menschen ist: Menschen sind für Menschen da.”
Unterstützt werden Montazem und ihre Mitstreiter des Urania Theaters durch die Volksbühne Köln und die Karnevalsgesellschaft Nippeser Bürgerwehr, die Autos und Sprit für die nächsten Fahrten zur Verfügung gestellt hat. Doch weitere Tatkraft ist mehr als nur willkommen: Derzeit ist das Urania Theater auf der Suche nach Helfern bei der Organisation von Fahrten und Unterkünften, Geldspenden sollen hingegen direkt an das Blau-Gelbe Kreuz überwiesen werden: „Wir können Putin nicht davon abhalten, solch ein enormes Leid über Menschen zu bringen, aber wir können unseren Teil dazu beitragen, dieses Leid zu lindern”, sagt Bettina Montazem. „Wir alle können etwas tun.”