Veedels-CheckGrengel ist ein Dorf mit eigenem Flughafen
Lesezeit 7 Minuten
Köln-Grengel – Hält man im Jahr 2018 zusammen in den Veedeln? Gibt es sie noch, die typisch kölschen Veedel? Mehr als 30.000 Kölner haben sich an unserer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt und Noten für Ihre Stadtteile verteilt. Alle 14 Tage veröffentlichen wir die Ergebnisse von fünf weiteren Veedeln.
Im Mai ist es überall schön, wo es grünt und blüht und duftet – in Grengel aber ganz besonders. Denn zwischen den Baumkronen im Kunstwäldchen, das die Grengeler Ortsgemeinschaft (GOG) pflegt, wölbt sich ein lichtdurchflutetes Frühlingsdach aus 60 bunten Schirmen. Die farbenfrohe Idee hat Malermeister Andreas Frericks mit der GOG umgesetzt. Um diesen Blickfang festzuhalten, zücken viele Passanten ihre Handys oder Kameras. Manche nehmen dabei vielleicht zum ersten Mal zur Kenntnis, wie die GOG das kleine Waldstück neben der Peter-Petersen-Schule aufgewertet und einen Dorfplatz eingerichtet hat.
Gestirne aus rostigem Eisen hängen in den Bäumen, farbige Skulpturen aus Kunststein sorgen für einen Blickfang am Boden, und inmitten eines Pflanzbeetes steht die eiserne Nachbildung eines Grengels.
Ein Grengel – das ist die alte Bezeichnung für einen Schlagbaum, wie er früher die Grenze zwischen Ortsfluren bildete. Die Bauern von Urbach und von Elsdorf trieben einst ihr Vieh zum Weiden in die Heide, da gab es einen Urbacher und einen Elsdorfer Grengel. Weil der Veedelsname im Bewusstsein der hier lebenden Menschen einen starken Bezug zur Herkunft hat, setzte die GOG dem Grengel ein Denkmal. Und so wie die Flurbegrenzung „der Grengel“ heißt, wird auch der Ortsteil im Sprachgebrauch häufig mit einem Artikel versehen. Man wohnt also nicht in Grengel, sondern „im Grengel“ oder „auf dem Grengel“.
Weil die Grengeler Geschichte so jung ist, gibt es noch viele Bewohner, die sich an die Nachkriegszeiten vor der Gründung des Veedels und an den Aufbau erinnern. Gerhard Peschel gerät ins Schwärmen, wenn er vom Schwimmen in den Bieselwaldteichen erzählt oder vom Urbacher Sportplatz, der auf dem Gelände des Hotels Holiday Inn am Flughafen lag. Der damals so genannte „Flower-Airport“ war noch klein – kein Vergleich zum jetzigen Flughafen Köln/Bonn, der zu großen Teilen auf Grengeler Gebiet liegt.
13300 Menschen arbeiten jetzt am internationalen Drehkreuz, 2017 stellte der Airport mit 12,4 Millionen Passagieren einen Rekord auf. In den 50er Jahren, erinnert sich Peschel, seien spielende Kinder auf dem Rollfeld noch ungehindert bis an die Maschinen herangekommen.
Hatten die ersten knapp 70 Siedlerfamilien in Grengel noch Grundstücke von einem viertel Hektar Größe, um Gemüse anzubauen und Tiere zu halten, wurden die Neubau-Parzellen in den Folgejahren deutlich kleiner. Die Siedlungshäuser sind aber typisch für Grengel geblieben. Waren sie in der Bauphase sehr ähnlich und vor allem praktisch gestaltet, haben viele Bewohner sie später individuell verschönert. Beim Spaziergang fallen liebevoll umgebaute Häuschen auf.
Später, als der Ortsteil sich rasant ausdehnte, wuchsen Straßenzüge mit Mehrfamilienhäusern, es wurde die Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt gebaut, I-Dötzchen konnten seit 1951 im eigenen Veedel zur Schule gehen, ein Jugendzentrum entstand. Ein reges Vereinsleben begann, unter anderem mit der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft von 1959, wo Peschel 1. Brudermeister ist und schon zweimal Königswürden errang.
Während diese Einrichtungen über die Jahrzehnte Bestand haben, drohte die kleine Einkaufsmeile etwa seit der Jahrtausendwende zu veröden. Fachgeschäfte gaben auf, viele Grengeler trauern noch immer „ihrem“ Fleischer nach. „Als die Stadtsparkasse ihre Filiale schloss und Edeka wegging, wollten wir nicht länger tatenlos dem Niedergang zusehen“, erinnert sich GOG-Vorsitzender Thomas Plage-Bastian an die Gründung der Ortsgemeinschaft. „Mit ein paar Aktiven aus Handwerk, Vereinen, Geschäftswelt, Ärzteschaft haben wir die Gemeinschaft 2011 gegründet. Jetzt haben wir mehr als 300 Mitglieder“.
Durch Tatkraft, Verhandlungsgeschick und gute Vernetzung erreichte die GOG viele Verbesserungen. Die kleine Einkaufsmeile hat einen Supermarkt und nette Fachgeschäfte, durch das Zupacken so vieler sieht manche Grünfläche weitaus gepflegter aus, und der Zusammenhalt ist stark gewachsen. Das wird bei den Stammtischen der GOG, bei Putz- und Pflanzaktionen und natürlich bei geselligen Anlässen deutlich.
Der Weihnachtsbaumverkauf mit frisch geschlagenen Bäumen aus Radevormwald und Markt-Programm ist ein Highlight im Veranstaltungskalender, den die zahlreichen Ortsvereine seit einigen Jahren gut miteinander abstimmen. Ob Maitanz in der Grundschulaula oder Schützenfest auf dem St. Sebastianus-Gelände an der Kriegerstraße – die Grengeler feiern gern miteinander. Dabei entstehen neue Ideen am laufenden Band. „Als nächstes planen wir die Anlage von Beeten unter dem Motto »Essbares Grengel«. Wir begeistern Förderer für ein Projekt mit Aktivbänken, wo Spaziergänger zu kleinen sportlichen Übungen animiert werden“, zählt Vorstandsmitglied Elvira Bastian auf.
„Und Ende Mai wollen wir unser selbst finanziertes Projekt zu mehr Verkehrssicherheit durch eigene Tempo-Messungen auf Grengeler Straßen beginnen“, ergänzt Thomas Plage-Bastian.Mit seiner gemütlichen Kneipenszene kann Grengel punkten. Der Akazienhof war schon dreimal Hofburg des Porzer Dreigestirns und wurde von GOG-Aktiven beim Einzug der Tollitäten fantasievoll verteidigt. Den betriebsamen Flughafen, der im Osten riesige Flächen nutzt, und den Bieselwald als beschaulichsten Fleck im Veedel verbindet der Butzbach. Das knapp sechs Kilometer lange Fließgewässer wird, von Hasbach aus der Heide kommend, unter dem Flughafengelände verrohrt. Der Bach tritt im Ort wieder an die Oberfläche, ist streckenweise sehr schön renaturiert und mündet in die Bieselwaldteiche. Dort versickert er in der Urbacher Senke.
er Bach und die Teiche, lauschig im Grünen gelegen, sind der Stolz vieler Anwohner. Kinder bauen hier kleine Dämme und lassen Äste schwimmen. Tierfreunde beobachten Wasservögel und -schildkröten. Liebespaare, Familien (und zum Missfallen der Nachbarn zunehmend Gruppen von Drogenkonsumenten) bevölkern die Ruhebänke im Landschaftsschutzgebiet. Nur ab und zu durchschneidet Düsengrollen die Stille. „Dafür, dass wir den Flughafen quasi im Dorf haben, ist es hier erstaunlich ruhig. Da bekommen andere Orte viel mehr Lärm ab“, ist der Ur-Grengeler Gerhard Peschel überzeugt. Er mag gute Nachbarschaft, und auch der Flughafen sei ein guter Nachbar.
Die wichtigsten Baustellen in Grengel
Mit eigenen Kräften sorgen die Grengeler dafür, dass ihr kleines Geschäftszentrum nicht der Verödung anheimfällt. Die Ortsgemeinschaft (GOG) setzt sich dafür ein, einen bunten Mix in den Ladenzeilen an der Friedensstraße und am Akazienweg zu erhalten, und ermuntert Bewohner, im eigenen Veedel zu kaufen.
Sehr ärgerlich finden viele Anwohner, dass zahlreiche Flugpassagiere vor dem Start ab Köln/Bonn ihre Autos im Veedel abstellen. Lange Reihen von Privatwagen mit auswärtigen Kennzeichen blockieren oft wochenlang Parkraum. Die GOG will erneut mit dem Flughafen über Möglichkeiten sprechen, in Flugticketpreise gleich die Parkhausgebühren zu integrieren. In manchen Straßen ist das Anwohnerparken eingeführt. Was sich niemand wünscht, ist eine komplette Bewirtschaftung des Parkraums an den Straße. Das träfe schließlich auch die Grengeler.Der Bieselwald ist nach Beobachtungen von Anwohnern in jüngerer Zeit verstärkt zum Treffpunkt von Drogenhändlern und -konsumenten geworden. Mit der Präsenz von Ordnungskräften und mit persönlicher Ansprache hofft die Ortsgemeinschaft, das Problem in den Griff zu bekommen.
Die Geschichte von Grengel
Auf dem Gebiet des Porzer Ortsteils Urbach entstand seit 1948 eine offene ländliche Stadtrandsiedlung mit 68 Siedlerstellen und je einem Morgen Land für Gartenbau und Viehhaltung. Pläne dafür hatte es schon vor dem Zweiten Weltkrieg gegeben, umgesetzt wurden sie aber erst, als mit den großen Flüchtlingsströmen aus den Ostgebieten dringend neue Wohnungen geschaffen werden mussten. Etliche Familien, die keinen Platz in solchen Siedlerhäusern fanden, wohnten noch lange in sogenannten Nissenhütten am Grengeler Ortsrand.
Das waren Notunterkünfte mit halbrundem Wellblechdach, die nach dem Krieg in vielen Städten den Flüchtlingen eine erste Bleibe boten. Porz wurde im Jahr 1951 zur selbstständigen Stadt, zu deren Ortsteilen Grengel gehörte. 1975 wurde Grengel mit der Stadt Porz nach Köln eingemeindet. Der Porzer Stadtteil „Flughafen“ wurde zu diesem Zeitpunkt an Grengel angeschlossen. Obwohl der Flughafen im Bewusstsein vieler Menschen eher dem Stadtteil Wahn zugeordnet wird, liegen tatsächlich die Abfertigungsgebäude und die meisten Start- und Landebahnen auf Grengeler Grund. (bl)