Veedelscheck MeschenichEin Veedel, zwei Welten im Kölner Süden
Meschenich – Rechts der Kölnberg mit seinem schlechten Ruf. Links die Kirche und das alte Dorf. In der Mitte die Brühler Landstraße, auf der sich die Lkw stauen.Die Gegensätze sind groß: zum einen das Leben in der Hochhaussiedlung und dem gegenüber das Leben im „alten Dorf“. In Köln wird sich Vergleichbares kaum finden lassen.
Ingo Brambach, aufgewachsen im Rechtsrheinischen, kam vor 15 Jahren nach Meschenich. „2002 lernte ich meine Frau kennen, 2003 zog ich hierher“, erinnert sich der Familienvater. „Bis dahin war ich eingefleischter Rechtsrheinländer“, schmunzelt er.Mit seiner Frau bezog er das Haus ihrer Großeltern und landete mitten in „Alt-Meschenich“.
Auch Alexandra Meller ist vor einigen Jahren hergezogen – „alles passte, und wir haben ein Haus gekauft“. Auch sie kannte den Ort kaum, war jedoch positiv überrascht: „Es ist ruhiger als ich dachte. Sehr viel Grün ist um uns herum.“
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Meschenich ist nicht nur „Kölnberg“
Die beiden sind zwei von 7600 Einwohnern, sie leben in einem etwas vergessenen Stadtviertel – denn Meschenich, das bedeutet für viele Kölner der „Kölnberg“. Der wurde in den 70er Jahren als Wohnform der Zukunft konzipiert, man warb damals mit Tennisplätzen, einem Schwimmbad und Reitställen in der Nähe. Vornehmlich Ärzte und Apotheker sollten die Wohnungen als Kapitalanlage mit Traumrenditen kaufen. Doch die Siedlung, teilweise 26 Etagen hoch, wurde zum sozialen Brennpunkt. Heute leben rund 4000 Menschen aus etwa 70 Nationen in dem Hochhauskomplex, der nur aus drei Straßenzügen besteht. Tendenziell bleiben die einzelnen Volksgruppen unter sich. Prostitution, Drogenhandel und Kriminalität sorgen immer wieder für negative Schlagzeilen rund um die Siedlung. Positive Nachrichten wie kürzlich die Ausstattung des Bolzplatzes mit Flutlicht und Kunstrasen werden dagegen kaum wahrgenommen.
Im Schatten dieser bekannten Skyline leben die „Alt-Meschenicher“ und „Neu-Meschenicher“ zumeist ohne jeden Berührungspunkt zu den Bewohnern des Kölnbergs. Es sind zwei Welten, die nebeneinander stehen, und die Grenze bildet die Brühler Landstraße. Die folgenden Zahlen werden vor allem durch die Bewohner des Kölnbergs geprägt: Gut 61 Prozent der Meschenicher haben einen Migrationshintergrund. Die Arbeitslosequote ist hoch, 25 Prozent der Menschen beziehen Harz IV.
Im „alten Dorf“, jenseits der Brühler Landstraße, sieht es anders aus. Dort lebt es sich wie einst, als man noch zur Altgemeinde Rodenkirchen und nicht zur Stadt Köln gehörte. „Als ich ,eingebürgert’ wurde, schloss ich mich direkt der Bürger- und Vereinsgemeinschaft Meschenich an, das gehörte damals zum guten Ton“, erinnert sich Brambach. Bis heute ist er dort Mitglied, schätzt das rege Vereinsleben im Veedel. Die erste Meschenicher Hunnenhorde ist hier zu Hause, das „Damenkomitee Löstige Kraade“ feierte just sein 60-jähriges Bestehen. Der Sportclub Meschenich mit seinem Tennisplatz und dem nicht nur von Kindern und Jugendlichen rege genutzten Fußballplatz zieht viele Anwohner an.
„Der Tennisplatz ist mein Lieblingsort, ich kenne diesen Platz, seitdem er angelegt wurde, und das ist schon lange her“, blickt Petra Maron liebevoll auf „ihren“ Tennisplatz. Auch sie ist „Alt-Meschenicherin“. Sie ist eingebunden und vernetzt, im Tennisverein Kassiererin und dritte Vorsitzende. Zusätzlich ist sie im VdK Ortsverband Meschenich aktiv, ebenso wie ihr Mann – wer hier lebt, ist innerhalb der Vereine „zu Hause“.
Doch auch Neues ist entstanden. Ingo Brambach gründete 2009 kurzerhand einen eigenen Bürgerverein, „aktiv für Meschenich“. „Für uns war das ein Glücksfall. Wir konnten Gleichgesinnte und Gleichaltrige finden und haben seit der Anfangszeit auch schon viel erreicht“, so Brambach. Mit dem neuen Verein habe man sich jenseits alteingesessener Strukturen bewegen können. Auch sei man zuversichtlich, dass etwa die langersehnte Ortsumgehung in absehbarer Zeit kommen werde.
Der Lärmschutz auf der Brühler Landstraße ist ein großes Thema nicht nur des Vereins. Inzwischen darf dort nur noch Tempo 30 gefahren werden. „Wir wollen die Lkw aber ganz aus dem Ort verbannen“, so der 51-jährige „Jung-Meschenicher“. Ansonsten, so sein Resümee, habe sich in den vergangenen Jahren wenig geändert. „Der typische Meschenicher lebt hier in der dritten oder vierten Generation. Alle anderen bleiben unterschwellig irgendwie fremd“, schildert er seine Erfahrungen. „Ich habe mir aber angewöhnt, mich zu allem zu äußern, obwohl ich nicht in der vierten Generation aus dem Ort stamme. Inzwischen kennen mich alle“ – er sei eben doch ein wenig hier angekommen, so Brambach weiter.
Seine Kinder besuchen die hiesige Grundschule. Und doch, die Anwohner seien eine verschworene Gemeinschaft. „Und das meine ich nicht negativ,“ sagt Brambach. Wer hier wohne, sei sich der exponierten Lage bewusst und fast stolz darauf. Viele Menschen, erklärt Brambach, empfänden das Veedel nicht als Lebensmittelpunkt, sondern als Wohnort. Das mag mit daran liegen, dass die wenigen Einkaufsmöglichkeiten vor Ort die Menschen zwingen, in den Nachbarorten einzukaufen. Der schwierige Ruf, den das Veedel hat, spielt sicher auch eine Rolle. Gaststätten oder andere Treffpunkte sind kaum zu finden.
Brambach indes hat für sich viele Lieblingsorte gefunden. Seine Wohnstraße gehört dazu. Auch ins Naturschutzgebiet zieht es ihn. „Das ist wirklich eine schöne Ecke“. Walter Halfenberg von der Nabu-Naturschutzstation Leverkusen-Köln bestätigt: „Der See, der sich dort in der Kiesgrube befindet, ist einzigartig. Es gibt in ganz Köln keine vergleichbare Wasservegetation.“ Der Experte fährt fort: „Der Teichrohrsänger wird dort regelmäßig gesehen, auch die Nachtigall – als Naturschutzgebiet ist das Areal wirklich sehr schützenswert“.
Brambach zählt weitere Sehenswürdigkeiten auf: „Unsere Kirche ist beeindruckend, viele Gäste sind positiv überrascht, wenn sie sie zum ersten Mal betreten.“ Auf seiner Wunschliste für den Ort stehen bessere Einkaufsmöglichkeiten, Kinderspielplätze und vielleicht sogar ein Angebot für die Kinder in dem recht neuen „Sportpferdezentrum“ am Ende des Ortes. Und: „Ich würde mir wünschen, dass ein lokal ansässiges Unternehmen sich stärker für die Anwohner vor Ort engagiert.“
Offene Baustellen
Einige wenige, aber große Themen bewegen die Meschenicher Anwohner. Da ist der Kölnberg, der trotz vieler Bemühungen immer wieder mit Drogenhandel, Kriminalität und Prostitution in die Schlagzeilen gerät. Da ist aber auch die seit vielen Jahren geforderte Umgehungsstraße, die den Lkw-Verkehr durch die Brühler Landstraße verhindern soll. Ganz aktuell hat die Bezirksregierung Köln das Planfeststellungsverfahren für den Neubau der Bundesstraße „B 51 neu – Ortsumgehung Meschenich“ abgeschlossen. Die Genehmigung liegt vor, Straßenbau NRW kann also mit dem Bau beginnen.
Ein großes Anliegen ist die Anbindung an den Bahnverkehr. Ein Ausbau der Stadtbahn bis nach Meschenich ist grundsätzlich förderfähig und kann auf öffentliche Gelder von Bund und Land hoffen. Das Projekt soll das geplante Ende der Nord-Süd-Stadtbahn am Verteilerkreisel im Kölner Süden mit Meschenich verbinden. Die Bahn wäre eine Weiterführung der Linie 5 der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB). Derzeit endet sie noch am Heumarkt. Das Amt für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau hält den Bau ab 2024 für möglich und bereitet den nötigen Planungsbeschluss für den Stadtrat vor.
Blick zurück
Meschenich wies schon in römischer Zeit eine Besiedelung auf. Eine erste urkundliche Erwähnung von „Meschingen“ datiert aus dem Jahre 1166. Bereits 1274 wurde die romanische Kirche des Ortes erwähnt. Weite Bereiche von Meschenich gehörten seit dem Mittelalter verschiedenen Kölner Kirchen und Klöstern. Hauptstraße des Ortes war einst die Alte Kölnstraße, in deren Mitte der Dorffriedhof und die romanische Kirche lagen. Nach Niederlegung des mittelalterlichen Vorgängerbaus war 1891 eine neue Kirche im neuromanischen Stil errichtet worden.
Gegenüber liegt der nur noch in Teilen erhaltene Magerhof. In den schmalen Seitenstraßen finden sich häufig noch die für das 19. Jahrhundert typischen ein- bis zweigeschossigen giebelständigen Backsteinhäuser. Diese waren ursprünglich Kleinstgehöfte oder Landarbeiterhäuser. Die heutige Hauptstraße durch den Ort ist die Brühler Straße. Sie wurde zwischen 1826 und 1830 angelegt. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gehörte Meschenich zum kurkölnischen Amt Brühl. 1975 wurde es nach Köln eingemeindet. Danach war es der Teil der Gemeinde Rondorf, die von 1961 bis zur Eingemeindung nach Köln 1975 Gemeinde Rodenkirchen hieß. Der „Kölnberg“ entstand in den 1970er-Jahren und ließ die Bevölkerung sprunghaft um mehr als die Hälfte ansteigen.