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Volksbühne am RudolfplatzGerd Köster brilliert in Kölner Premiere

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Der Unbeugsame - der Widerstand des Karl Küpper

Köln – Von der Decke hängen etwa ein Dutzend schwarze Schnüre, an denen Glühbirnen befestigt sind, an einigen sind zusätzlich Zettel mit Wäscheklammern angebracht, zwei Holzstühle, ein Kleiderständer, an dem ein Jacket und ein Hut hängen, und eine Bütt.

Mehr Bühneneinrichtung braucht das Theaterstück „Der Unbeugsame - der Widerstand des Karl Küpper“ nicht. Das fiktionale Stück basiert auf dem Leben des Büttenredners, der es wagte, sich offen gegen die Nationalsozialisten zu stellen. Damals ein Alleinstellungsmerkmal unter den Kölner Karnevalisten. Die Produktion von Autor Tilman Strasser und Regisseur Stefan Herrmann feierte am Mittwochabend eine umjubelte Premiere in der Volksbühne am Rudolfplatz.

Gerd Köster grandios in der Rolle des Karl Küpper

„Der Unbeugsame“ ist ein wuchtiges Stück mit grandiosen Darstellern. Gerd Köster verleiht der Figur Karl Küpper eine unglaubliche Tiefe. Es gelingt ihm, den Büttenredner in seiner Stärke, seinem Mut, seiner Angst und in seiner Zerrissenheit zwischen Bühne und Familie zu zeigen.

Es wird deutlich, dass der Widerstand Küppers gegen die Nazis mit den Mitteln des Karnevalisten, nämlich aus der Bütt, in seinem Fall auf der Bütt, für ihn nicht verhandelbar war. Er musste das tun, er hatte aus seiner Sicht gar keine andere Wahl. „Dafür bin ich doch da“. Auch als ihn die Nazis verhafteten, folterten und mit Redeverbot belegten.

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Die zwei Seiten des Thomas Liessem

Neben Gerd Köster brilliert Georg Lenzen in der Rolle von Thomas Liessem. Er verkörpert perfekt den früheren Festkomiteepräsidenten und Chef der Prinzen-Garde mit dessen enormer Bühnenpräsenz, überschäumender Begeisterung für das „herrliche vaterstädtische Fest“ und seiner Liebe für den Karneval.Um im nächsten Augenblick ebenso authentisch den knallharten Funktionär und Geschäftsmann aufleben zu lassen, der Küpper eindringlich rät, geschmeidig zu sein und seine Reden der neuen Zeit und den neuen Machthabern anzupassen.

Es wird deutlich, wie gegensätzlich Küpper und Liessem während und nach der Zeit des Nationalsozialismus ihre Rollen im Karneval interpretierten und die Frage, wie politisch kann beziehungsweise muss er sein, beantworteten. An der Seite der beiden Hauptfiguren überzeugen Bettina Muckenhaupt als Küppers Ehefrau Sophie und Michael Meichßner in verschiedenen Rollen. Auch Lenzen spielt neben Liessem noch zwei weitere Figuren.

Publikum erlebt Achterbahn der Gefühle

„Der Unbeugsame“ macht es dem Publikum nicht immer leicht. Es darf sich zwar amüsieren, beim Büttenmarsch mitklatschen, Alaaf rufen, bei Willi Ostermanns „Heimweh nach Köln“ zumindest mitsummen, aber kurz vor der Schunkelgrenze ist Schluss. Es gibt Szenen, die so wirkmächtig sind, dass es einem schier den Atem nimmt. Etwa als die Bütt mit Hakenkreuzfahne zum Schreibpult in der Gestapodienststelle mutiert.

Dort, wo heute das NS-Dokumentationszentrum ist, musste sich Küpper nach seiner Entlassung aus der Haft täglich melden. Um einer erneuten Verhaftung durch die Gestapo zu entgehen, meldet sich der Karnevalist 1940 freiwillig zur Wehrmacht. Die fast endlos erscheinende Passage, in der Köster/Küpper mit erhobenem rechten Arm im (Gefechts)nebel steht und dazu langanhaltender Fliegeralarm ertönt, zählt zu den beeindruckendsten und beklemmendsten Momenten des Theaterstücks.

„Karneval ist wie eine Droge“

Teil der Handlung sind Redebeiträge von Kölner Bürgern, die ihr Engagement im Karneval nutzen, um der Obrigkeit den Spiegel vorzuhalten und - wenn notwendig - sich gegen Institutionen und Funktionäre aufzulehnen. Qualitativ waren die drei Einschübe am Premierenabend durchwachsen. Herausragend war Jupp Menth. Der noch aktive Redner in der Type „Ne Kölsche Schutzmann“ gab Erfahrungen aus seiner Bühnenkarriere preis. „Man geht als Redner an einem Auftrittsabend durch ein Wechselbad der Gefühle.“ Auf Hochstimmung könne Depression folgen. Warum man dennoch dabeibleibe? „Karneval ist wie eine Droge.“ Eine, die auch Karl Küpper brauchte.

Dies zeigt das Stück ebenfalls. „Ich muss auftreten“. Genau das blieb ihm nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend versagt. Als die alten Seilschaften wieder stramm gezogen wurden und politisch belastete Männer wie Thomas Liessem erneut an die Spitze des Karnevals kamen, war der immer noch nicht angepasste Küpper nicht erwünscht. Er war wieder nicht geschmeidig genug für die neue Zeit.

„Der Unbeugsame“, Volksbühne am Rudolfplatz, Aachener Straße 5. Weitere Termine: 11. bis 14. Juli, 3. und 4. September, jeweils 19.30 Uhr. volksbuehne-rudolfplatz.de