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Vorwürfe sexueller BelästigungDieses Gehalt bekommt Kölns Generalmusikdirektor Roth

Lesezeit 5 Minuten
François-Xavier Roth dirigiert in der Philharmonie.

François-Xavier Roth dirigiert in der Philharmonie.

Eine externe Kanzlei soll prüfen, was an den Vorwürfen gegen François-Xavier Roth dran ist. Eine Frage soll sein, ob er weiter sein Gehalt bezieht.

Der Kölner Generalmusikdirektor François-Xavier Roth soll nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein jährliches Grundgehalt von 90.000 Euro verdienen, dazu kommen Bezüge für die jeweiligen Dirigate. Für das erste Dirigat eines Programms erhält er demnach 18.000 Euro, für das zweite 15.000 Euro und für weitere Auftritte sowie Opernvorstellungen bekommt er jeweils 13.000 Euro. 35.000 Euro Pauschale jährlich soll er für Reisekosten, Bewirtung und Übernachtung erhalten, weitere 15.000 Euro pro Jahr sind demnach für die Nutzungsrechte von Konzertaufnahmen vorgesehen.

Laut der Internetseite des Gürzenich-Orchesters und der Oper hatte Roth im vergangenen Jahr 18 Auftritte in der Philharmonie und 19 in der Oper, ob die Internetseiten die Dirigate vollständig auflisten, ließ sich am Montag nicht klären.

Erhält Roth weiter sein Gehalt

Stadtsprecher Alexander Vogel wollte sich auf Anfrage zu konkreten Summen nicht äußern, er bestätigte nur, dass die Verwaltung mit Roth vertraglich ein Grundgehalt sowie Bezüge für Dirigate vereinbart hatte. Im Entwurf des Arbeitsvertrags aus 2020 sind drei Personen zum Unterzeichnen eingetragen: Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), die damalige Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach und Roth selbst.

Am Montag war in Politik und Verwaltung die Frage zu hören, ob Roth nach den Vorwürfen sexueller Belästigung möglicherweise sein Gehalt nicht weiter erhalte. Vogel antwortete: „Wenn Herr Roth keine Dirigate übernimmt, erhält er dafür keine Bezüge.“

Zur Frage, ob das Grundgehalt weiter gezahlt wird, sagte er: „Alles Weitere ist nun Bestandteil der Sachverhaltsaufklärung.“ Laut seiner Aussage werden die Gastdirigenten, die für Roth einspringen, aus dem Haushalt des Gürzenich-Orchesters bezahlt.

Kulturdezernent Stefan Charles.

Kulturdezernent Stefan Charles.

Der Hintergrund sind die Vorwürfe sexueller Belästigung von weiblichen und männlichen Orchestermitgliedern, die die Pariser Zeitschrift „Le canard enchainé“ am vergangenen Mittwoch öffentlich gemacht hatte. Der Zeitschrift zufolge wurden und werden diese Vorwürfe nicht nur aus von Roth dirigierten französischen Orchestern, sondern eben auch dem Gürzenich-Orchester heraus erhoben.

Laut den in der französischen Zeitschrift geäußerten Anschuldigungen ging Roth stets ähnlich vor. Es habe mit spätabendlichen, schmeichelhaften SMS begonnen. Habe er darauf eine Reaktion erhalten, seien weitere Nachrichten gefolgt, auch mit Kuss- und Herz-Emojis. Manchmal habe er auch sogenannte Dickpics, also Fotos seines Genitals, verschickt.

Statement von Roth vorgelesen

Wie berichtet, hatte Roth vorige Woche selbst erklärt, seine Posten als Generalmusikdirektor und Kapellmeister des Gürzenich-Orchesters ruhen zu lassen. Vergangenen Donnerstag hatte Orchesterdirektor Stefan Englert dem Orchester ein Statement Roths vorgelesen. Darin kündigte er die Untersuchung der Vorwürfe an.

Roth teilte mit: „Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, das Gürzenich-Orchester vorerst nicht zu dirigieren, um in aller Ruhe die Durchführung der Untersuchungen zu ermöglichen. Ich entschuldige mich bei allen, die ich verletzt haben könnte.“ Auch Englert teilte auf der Internetseite des Orchesters mit, dass Roth selbst entschieden hat, „mit sofortiger Wirkung seine Arbeit ruhen zu lassen“.

Stadtsprecher Alexander Vogel.

Stadtsprecher Alexander Vogel.

Laut Stadtsprecher Vogel und Englert liegen aber bis heute keine Beschwerden bei der zuständigen Stelle der Stadtverwaltung vor, die laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für solche Fälle vorgesehen ist.

Vorige Woche hatte Englert dieser Zeitung gesagt: „An mich wurden 2020, während der Pandemie-Zeit, ganz allgemeine Gerüchte herangetragen – und dazu wiederum widersprüchliche Aussagen –, zu denen auch vertrauliche Gespräche geführt wurden. Ich habe damals gesagt: Wenn da was ist und belegbar ist, werden wir dem auch arbeitsrechtlich nachgehen. Ich bin als leitender Angestellter der Stadt Köln verpflichtet, für ein sicheres Arbeitsumfeld zu sorgen. Aber es gab keine AGG-Beschwerde und auch keine juristisch verwertbaren Aussagen.“

Laut Van-Magazin zitiert „Le canard enchainé“ einen Brief eines Mitglieds des Gürzenich-Orchesters an Englert, in dem Roth sexuell übergriffiges Verhalten gegenüber Orchestermusikerinnen vorgeworfen wird. Auf die Frage, ob Roth sich vorher bei der Stadt Köln hätte melden müssen, sagte Vogel: „Herr Englert hat deutlich gemacht, dass um Vertraulichkeit gebeten worden sei. Und an diese Vertraulichkeit hat er sich gehalten.“ Laut Vogel hat die Stadt erst am Donnerstag erste Presse-Anfragen zum Thema erhalten.

Gegenüber der „Kölnischen Rundschau“ hatte Kulturdezernent Stefan Charles gesagt, dass Englert formal nicht an ihn berichten müsse, sondern an Reker. Und Charles sagte: „Meine Erwartungshaltung ist schon, dass mich die Leitung auch der betriebsähnlichen Einrichtung im Sinne einer good governance über Probleme oder mögliche Probleme informiert. Das ist gelebte Praxis.“

Charles wollte sich am Montag gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht dazu äußern, wann er von Roths Textnachrichten an Mitglieder des Orchesters erstmals erfahren hatte. Er verwies auf die Untersuchung der externen Kanzlei, die prüfe, „wer was wann wusste“.

Wann die Analyse der externen Kanzlei abgeschlossen sein soll, ist noch offen. Vogel sagte: „Die Untersuchung erfordert die Zeit, die es braucht. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“ Auf der Internetseite des Gürzenich-Orchesters heißt es dazu: „Da es unser oberstes Ziel ist, eine transparente und gründliche Aufklärung zu gewährleisten, bitten wir Sie um etwas Geduld.“

Das Gürzenich-Orchester

Seit 2015/2016 ist François-Xavier Roth Kapellmeister des Gürzenich-Orchesters und Generalmusikdirektor der Stadt Köln. Die Betriebsleitung besteht aus ­­­Stefan Englert als Direktor und Roth als Betriebsleiter. Das Orchester ist ein Eigenbetrieb der Stadt Köln.

Die Stadt Köln bezeichnet das Gürzenich-Orchester Köln als „eines der traditionsreichsten Sinfonie-Orchester Deutschlands“. Seine Vorgeschichte reicht demnach bis ins Mittelalter zurück, offiziell gegründet wurde es 1827. Seit 1888 ist es das Orchester der Stadt Köln, die rund 150 Musikerinnen und Musiker spielen rund 50 Konzerte jährlich in der Philharmonie, sie ist ihr Stammsitz. Weitere 160 Vorstellungen spielt das Orchester in der Oper. (mhe)