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Privatstraße in JunkersdorfKölner Paar spricht im Wegerechtsstreit von „unerträglichen Zuständen“

Lesezeit 4 Minuten
Porträt von Perwin Sakar und Latif Bekiri vor einer Mauer, im Hintergrund ein Wendehammer, vorne Poller

Der Streit um das Wegerecht in einer Junkersdorfer Privatstraße dauert seit bald vier Jahren. Perwin Sakar und Latif Bekiri kritisieren auch die Stadt Köln.

Der Amtsrichter hält die Situation für „unsinnig“, weil das Ehepaar die Straße zu ihrem Haus eigentlich nicht betreten darf. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Seit bald vier Jahren schwelt ein Nachbarschaftsstreit ums Wegerecht in Junkersdorf. „Seitdem wird von der Stadt Köln in Kauf genommen, dass wir in unerträglichen Zuständen leben“, sagt Perwin Sakar. Die Eigentümerin der Privatstraße, einer Sackgasse im Stüttgerhofweg, hatte von Perwin Sakar und ihrem Ehemann Latif Bekiri Gebühren für die Nutzung der Straße verlangt. Das Ehepaar fühlte sich schikaniert – nicht zuletzt, weil kein anderer Nachbar Geld für die Straßennutzung zahlte.

Vor allem aber hätte der Abschnitt des Stüttgerhofwegs nach seiner Erschließung im Jahr 1973 wohl an die damalige Gemeinde Lövenich übertragen werden müssen – so sahen es die Verträge von damals zumindest vor. Die Mitarbeiterin des Bauamts sah das Unheil voraus: „Wenn Sie keinen Helikopterlandeplatz haben, nehmen Sie sich besser schnell einen Anwalt“, sagte sie Perwin Sakar nach einem Blick in die Unterlagen.

Kölner Wegerechtsstreit erregt überregional Aufmerksamkeit

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete mehrfach über den Fall, andere Medien wie „Sat.1“ oder „Der Spiegel“ schlossen sich an. Die Stadt Köln hatte dem Ehepaar im Dezember 2020 zunächst lediglich geantwortet, es sei „mit Schwierigkeiten verbunden“, die Straße durch Umwidmung zu einer öffentlichen Straße zu machen. Nach jahrelangen Interventionen des Ehepaars, größtenteils erfolglosen Klagen gegen die Eigentümerin und mehreren Artikeln des „Kölner Stadt-Anzeiger“ kam das Rechtsamt der Stadt Köln zu der Einschätzung, die Eigentümerin sei verpflichtet, die Straße nachträglich öffentlich widmen zu lassen.

Sollte die Eigentümerin der Umwidmung nicht zustimmen, werde die Stadt die Straße auch ohne deren Zustimmung öffentlich widmen und die „sofortige Vollziehung anordnen“, hieß es in einem Schriftstück an einen Anwalt des Paars vor mehr als einem halben Jahr.

Bis heute ist die Umwidmung indes nicht vollzogen worden. Die Stadt befinde sich bis heute in Verhandlung mit der Eigentümerin der Straße, „um zu einer tragfähigen Lösung zu finden“, teilt eine Sprecherin der Stadt Köln mit. Von der erhofften „gütlichen Einigung“ ist man offenbar so weit entfernt wie am Anfang des Streits.

Kölner Wegerechtsstreit: Eine Lösung scheitert wohl vor allem am Geld

Wie aus Schriftstücken hervorgeht, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen, scheitert eine Lösung wohl vor allem am Geld: Die Eigentümerin der Straße ist der Auffassung, dass Baulandpreise zugrunde zu legen seien, demnach betrüge der Grundsteuerwert der Stichstraße Gerichtsunterlagen zufolge rund eine Million Euro. Die Anwältin des Ehepaars meint, es handele sich um Straßenland. Die von der Stadt zu erwerbende Fläche wäre dann nur rund 5000 Euro wert.

Die Zeit eilt auch deswegen, weil das Kölner Amtsgericht Anfang Januar geurteilt hat, dass das Ehepaar sich strafbar macht, sobald es die Privatstraße betritt, die zu seinem Haus führt. Bis zu maximal 250.000 Euro Ordnungsgeld oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Wochen drohten „für den Fall der Zuwiderhandlung“, hieß es im Urteil. Die paradoxe Gemengelage, die der Kölner Amtsrichter als „unsinnige Situation“ bezeichnete, war auch deswegen entstanden, weil das Ehepaar nicht rechtzeitig ein Notwegerecht von der Eigentümerin verlangt und eingeklagt hatte. Mit erteiltem Notwegerecht hätte die Eigentümerin keine Möglichkeit mehr gehabt, dem Paar das Betreten der Privatstraße zu verbieten.

Die Kosten für die Anwälte sind inzwischen so hoch, dass ich mir zum ersten Mal in meinem Leben Geld leihen musste
Perwin Sakar

Der frühere Anwalt von Perwin Sakar und Latif Bekiri hatte indes argumentiert, dann wären seine Mandanten verpflichtet gewesen, eine sogenannte Notwegerente zu zahlen. Inzwischen hat das Ehepaar den Anwalt gewechselt und das Notwegerecht beantragt – „die Kosten für die Anwälte sind inzwischen so hoch, dass ich mir zum ersten Mal in meinem Leben Geld leihen musste“, sagt Perwin Sakar, die als Führungskraft für einen Kölner Autokonzern arbeitet. Sie ist dabei den Tränen nah.

Notwegerecht: Vertrag sah vor, dass keine Freunde und Journalisten den Weg nutzen dürfen

Zu einer Einigung über ein Notwegerecht ist es bislang nicht gekommen – das Ehepaar stimmte dem von der Straßeneigentümerin vorgeschlagenen Gestattungsvertrag nicht zu. Der Vertrag sah zum Beispiel vor, dass nur das Ehepaar selbst (und nicht zum Beispiel Freunde und Bekannte) die Privatstraße nutzen dürfen, der Wendekreis der Sackgasse nicht genutzt werden dürfe und die Eigentümerin den Vertrag jederzeit kündigen dürfe, wenn das Notwegerecht vertragswidrig zum Beispiel auf Medien „jedweder Art“ übertragen werde. Sprich: wenn Journalisten die Straße betreten würden.

„Die Situation ist schon lange unerträglich, die Atmosphäre in der Straße ist eisig“, sagt Sakar. Das erste Mal in ihrem Leben habe sie seit Beginn des Streits das Gefühl, „nicht dazuzugehören“. Bevor sie aber entscheiden, ob sie bleiben oder gehen, müsse die Stadt Köln ihren Fehler von einst korrigieren und die Straße öffentlich widmen. „Vorher werden wir keine Ruhe geben.“