AboAbonnieren

„Weird Wrestling Circus“Kunstblut und Bierduschen für alle im Kölner Gebäude 9

Lesezeit 3 Minuten
Weird Wrestling Circus SCHMIDL

Der „Weird Wrestling Circus“ in Köln 

Köln – „Heute bin ich Sergej, der Robbenmetzger aus Sibirien“, sagt Matthias Mundt vor dem Gebäude 9 in Köln-Deutz. Hier ist am Sonntag der „Weird Wrestling Circus“ zu Gast gewesen – Wrestling, Live-Musik, Party, ein bisschen Musical. „Weird“, also komisch oder seltsam, trifft es ganz gut. Wenn Mundt, der eigentlich sehr freundlich wirkt, später im Wrestlingoutfit auf die Bühne beziehungsweise in den Ring geht, wird er sich unter dem Jubel der Zuschauerinnen und Zuschauer mit einem Eimer Kunstblut übergießen und seinen Gegner verprügeln.

Die Schaukämpfe beim „Weird Wrestling Circus“ werden musikalisch von den „Hellbound Boozehounds“ begleitet, die „auf Stadtfesten und Jahrmärkten beliebt sind“, wie es der Moderator, der nur als „Maschine“ bekannt ist, beschreibt. Die Show eröffnet er mit einer Rede aus Blindtext, also einem lateinischen Text, der als Platzhalter verwendet wird – ironisch-sinnbildlich für die Sinnlosigkeit des Abends.

Weird Wrestling Circus 2 SCHMIDL

Das Publikum im Gebäue 9 ist begeistert vom „Weird Wrestling Circus“ 

„Maschine“, erst im weißen Kostüm, dann im engen Netzanzug, duscht wie alle Kämpferinnen und Kämpfer und besonders die vorderen Reihen des Publikums in Bier: Das Werfen von randvollen Bierbechern gehört hier zum guten Ton und wird sogar eingefordert, man könnte fast von einer Tradition reden. „Wir machen das ungefähr seit 16 Jahren. Nicht mehr so oft wie früher, aber relativ regelmäßig einmal pro Jahr.“

„Weird Wrestling Circus“ gibt es schon mehr als zehn Jahre

Am Sonntag feierte der „Weird Wrestling Circus“ sein zehnjähriges Jubiläum nach; seit 2010 läuft das Event unter dem aktuellen Veranstalter. 2020 konnte aus bekannten Gründen kein Geburtstag gefeiert werden. Der damalige Veranstalter, Inhaber eines Plattenlabels, wollte Live-Shows einer der Bands interessanter gestalten, erzählt Mundt zu den Anfängen des „Weird Wrestling Circus“. „Das war eine Surf-Band und in Südamerika ist es oft so, dass diese Bands Wrestlingmasken tragen. Also warum nicht auch eine Wrestling-Show auf der Bühne?“

Das könnte Sie auch interessieren:

Inzwischen steht das Wrestling im Vordergrund. Mundt selbst fing das Wrestling damals als Aushilfsjob an: „Ich hatte mit einem Kommilitonen über Jobs gesprochen, irgendwie war da nichts in Aussicht. Er sagte dann: 'Warte, ich habe einen Super-Job, ich gehe nächste Woche auf Wrestlingtour.' Da wollte ich unbedingt mitmachen, und eine Woche später saß ich in einem Bus nach Rotterdam.“

Inzwischen macht Mundt das nur noch aus Spaß, hat einen festen Job. Der „Circus“ tourt auch nicht mehr, sondern ist nur in Köln zuhause. Es gibt ein festes Team, das aus Wrestlerinnen und Wrestler und Band besteht. „Es ist wie ein Varieté-Programm“, so Mundt.

Gewalt ist beim „Weird Wrestling Circus“ völlig überzeichnet

Neben – mäßig überzeugenden, aber darum geht es hier auch nicht – geskripteten Kämpfen singen und tanzen die Kostümierten im Ring. Das Publikum, teils (kunst-)blutüberströmt und oft biergetränkt, feuert sie an, buht sie aus, schmeißt wieder mit Bier. „Maschine“ moderiert zwischendurch crowdsurfend.

Die allermeisten Anwesenden, die meisten zwischen Anfang 30 und Anfang 40, sind offensichtlich nicht zum ersten Mal hier. In der ersten Reihe steht ein Mann, der seine Kinder mitgebracht hat – vielleicht angesichts der Biermassen und der Gewaltdarstellung nicht die beste Idee. Denn Gewalt ist natürlich ein Thema, letztlich ist sie aber derart überzeichnet, dass es mit echter Gewalt nichts mehr zu tun hat.

Zum Abschluss kommen nach fast zweieinhalb Stunden Kämpfen noch einmal alle in den Ring: Aus einer „Massenschlägerei“ wird bald ein Chor, der „Ti Amo“ singt. Das Fazit zu diesem Abend, der nicht jedermanns Sache sein wird: sehr seltsam, sehr unterhaltsam.