Ein Besuch in der Werkstatt von Uhren Stupp in Köln-Junkersdorf.
ZeitumstellungDie Uhrmacher von Köln-Junkersdorf und das Geschäft mit der Zeit
Uhren gibt es viele im Hause Stupp. Der Zeitumstellung in der Nacht zum Sonntag sahen Vater und Sohn, Uhrmacher-Meister in der zweiten und dritten Generation, dennoch gelassen entgegen. Heinz Stupp musste im Wohnzimmer eine Pendel- und eine Atmos-Uhr umstellen, das erledigt er immer schon am Nachmittag vor der nächtlichen, offiziellen Umstellung von drei auf zwei Uhr. Die Winter-Zurückstellung ist bei der Pendeluhr etwas aufwändiger als das Vorstellen im Sommer, Stupp Senior musste das Pendel für eine Stunde anhalten. Bei der Atmos gibt es nur einen Trick: warten, bis das Schwungrad die Richtung wechselt. Genau in diesem Moment können die Zeiger problemlos verstellt werden.
Seine Alltags-Rolex am Handgelenk durfte Heinz Stupp nicht vergessen, es ist ein Modell von 1974 mit auffallender, rot-blauer Lünette, so heißt die Umrandung des Ziffernblattes im Fachjargon. Der Junior trägt eine Smartwatch am Arm, die sei schön leicht und im Arbeitsalltag praktisch, sagt er. Und sie stellt sich von ganz allein um. Das sei doch nicht standesgemäß für einen Uhrmacher-Meister, habe er schon öfter gesagt bekommen, erzählt Daniel Stupp. Aber da steht er drüber. Er weiß ja, was er für besondere Tage im Safe hat. Wie der Vater favorisiert er Modelle von Rolex. Weil sie schick sind. Und weil sie die beste Chance bergen, dass ihr Besitz nicht nur Liebhaberei, sondern auch Geldanlage ist. So manches Modell legte in den vergangenen Jahrzehnten enorme Wertsteigerungen hin.
Uhrmacher inzwischen ein aussterbender Beruf
Im kleinen Ladenlokal der Stupps in Junkersdorf stehen noch eine ganze Reihe Pendeluhren, aber die laufen nicht und mussten somit auch nicht umgestellt werden. Sie sind aus Porzellan, Jade oder Marmor, es handelt sich um Sammlerstücke mit französischer Technik. „Das ist Qualität für die Ewigkeit“, sagt Heinz Stupp. Besonders schön: ein feuervergoldetes Bronze-Exemplar mit Schwänen, gefertigt um 1880 und signiert von Josef Biergans, dem Hofuhrmacher von König Ludwig II. von Bayern.
Das älteste Gehäuse im Laden ist aus Schildpatt mit Messing, es stammt von 1738 und hängt direkt neben einer hölzernen Kuckucksuhr aus dem Schwarzwald, die rund 150 Jahre später gefertigt wurde. Dem Schildpatt-Gehäuse fehlt das Uhrwerk. Das liegt in der Stuppschen Werkstatt im Keller und „müsste mal aufgearbeitet werden“, wie Stupp Senior sagt. Aber dafür fehlt den beiden Meistern die Zeit. Der Verkauf von Pendülen läuft schon seit gut 20 Jahren nicht mehr. Arbeit haben Vater und Sohn dennoch reichlich.
Gegründet wurde Uhren Stupp 1958 von Willy, dem Vater von Heinz und Großvater von Daniel. Dessen Mutter war nach dem Krieg der Meinung gewesen, der Sohn müsse „etwas Anständiges“ lernen, erzählt Heinz Stupp. Und Uhrmacher galt schließlich als grundsolider Beruf. Willy Stupp reparierte und verkaufte Armbanduhren. „Damals war Köln gepflastert mit Uhrmachern“, sagt Stupp Senior. Im Zentralverband für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik seien zu Zeiten seines Vaters rund 6500 Uhrmacher organisiert gewesen. Heute sind es noch 650.
„Das ist inzwischen ein aussterbender Beruf“, sagt Daniel Stupp. Das Berufsbild sei „angestaubt“, in NRW gebe es nur noch eine einzige Berufsschule in Recklinghausen, kein Kind träume davon, Uhrmacher zu werden. „Dabei kannst du gutes Geld verdienen und es gibt genug Arbeit“, betont der Junior. Er selbst sei bereits zweimal von einem Headhunter angesprochen worden, weil Uhrmacher so dringend gesucht werden. Vor allem in der Schweiz, dem Mutterland der hochpreisigen Armbanduhren. Oder in Glashütte, dem deutschen Zentrum der Uhrmacherkunst. Aber auch im kleinen Familienbetrieb in Junkersdorf hat Daniel Stupp genug zu tun.
Es gab allerdings eine Zeit, da machte sich Heinz Stupp ernsthaft Sorgen um das Geschäft. Das war, als Mitte der 70er Jahre batteriebetriebene Quarzuhren massentauglich wurden. „Jeder Zehn-Euro-Zeitmesser vom Discounter ist heute genauer als die mechanische 20.000-Euro-Uhr“, sagt Daniel Stupp. Ihn lässt das sichtlich kalt, der Markt für Schweizer Luxus-Uhren hat sich längst erholt und es gibt da draußen genug mechanische Sammler-, Liebhaber- oder Erbstücke, die von ihm gewartet oder aufgearbeitet werden sollen.
Aber Stupp Senior bangte damals. Er sah die Schweizer Uhrenindustrie in die Knie gehen. Und erlebte, wie sie durch die Erfindung der Swatch gerettet wurde, einer bunten und billigen Plastik-Uhr, die sich zum Kult-Objekt der 80er Jahre mauserte. Die Swatch-Group entstand unter der Leitung von Nicolas Hayek durch den Zusammenschluss von zwei durch die Quarzkrise gebeutelten Schweizer Uhrenherstellern, weitere wurden in der Folge übernommen. Rolex gehörte nicht dazu, hielt aber auch durch, bis die Nachfrage nach mechanischen Luxusuhren wieder stieg.
Aufarbeitung und Reparatur von mechanischen Uhren läuft weiter
Den Stupps bescherte die Swatch immerhin eine neue Einnahmequelle: „Wir haben die Batterien verkauft“, erzählt Heinz Stupp. Außerdem entdeckte er damals das Geschäft mit den Pendülen. Er kaufte vernachlässigte Exemplare, arbeitete sie auf und verkaufte sie gewinnbringend wieder. Irgendwann ließ das Interesse der Menschen an den teuren Tischuhren jedoch deutlich nach. Heute sind die übriggebliebenen Exemplare im Laden der Stupps so etwas wie ein Schaufenster in vergangene Zeiten.
Das Geschäft mit Rolex und Co. und das Handwerk an sich, also Aufarbeitung und Reparatur von mechanischen Uhren, läuft dagegen immer weiter. Die hochpreisige Armbanduhr sei „das Schmuckstück des Mannes“, sagt Heinz Stupp. Und zugleich sei sie Wertanlage und Spekulationsobjekt. Er selbst hat eine Rolex Explorer II Steve Mc Queen von 1971 in seiner Sammlung. „Die könnte ich verkaufen“, sagt Stupp Senior, „aber nicht so gerne“. Der Preis wäre beachtlich, doch sein Uhrmacher-Herz hängt an dem Exemplar.
Nächstes Jahr, mit 64 Jahren, will Heinz Stupp in Rente gehen. Daniel Stupp wird dann das Geschäft von Vater und Opa weiterführen. Sorgen um seine Zukunft macht er sich nicht. Und auch wenn oben im Laden der Stupps noch das Flair vergangener Tage in der Luft liegt – unten in der Werkstatt hat der Junior längst ein neues Zeitalter seines Handwerks eingeläutet.
Sein Arbeitsplatz ist mit modernster Kamera- und Computer-Technik ausgestattet, denn Daniel Stupp überträgt seine Arbeit live via Twitch. Er hat knapp 1700 Follower, 40 bis 60 Menschen schauen ihm täglich dabei zu, wie er Uhrwerke zerlegt und wieder zusammenbaut. Er beherrscht nicht nur das, sondern führt auch noch sehr versiert und ideenreich Regie. „Damit mache ich Werbung für unseren Betrieb und für den Beruf“, sagt Stupp. Ersterer hat es nicht unbedingt nötig. Zweiterer schon.