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Umzug ins GrüneWieso junge Familien aus Köln wegziehen

Lesezeit 5 Minuten
Tobias Reich mit seinen beiden Töchtern. Bis 2021 lebte Familie Reich in Köln.

Tobias Reich mit seinen beiden Töchtern. Bis 2021 lebte Familie Reich in Köln.

Zwei Familien haben Köln verlassen und sind nach Windeck in den Rhein-Sieg-Kreis gezogen. Sie berichten über ihre Erfahrungen.

Die Bevölkerung Kölns wächst – genau 1.097.631 Einwohnerinnen und Einwohner zählte die Stadtverwaltung am letzten verfügbaren Stichtag 30. November 2024. Dazu tragen vor allem Zuzüge aus dem Ausland bei, und auch die Gruppe der 18- bis 29-jährigen Kölnerinnen und Kölner wuchs zuletzt. Familien mit Kindern verlassen hingegen immer häufiger das Stadtgebiet. Für viele sind Kölner Wohnungen schlicht nicht mehr bezahlbar, hinzu kommen Kita-Gebühren, die bei zwei Normalverdienern schnell 400 bis 600 Euro im Monat betragen.

Viele Kölner Familien träumen aber auch von einem Haus nahe der Natur, weit weg von der Enge und dem Verkehr der Stadt – und entdecken das Umland für sich. Zwei von ihnen erzählen, warum sie nach Windeck im Rhein-Sieg-Kreis gezogen sind: einen Ort, wo es nur eine Handvoll Ampeln gibt und der Dom außer Sichtweite ist.

Anschluss durch die Kinder

Alexandra und Tobias Prellwitz entschlossen sich vor sechs Jahren, Ehrenfeld hinter sich zu lassen. „Wir hatten bereits ein Kind und haben uns die Frage gestellt, wo wir leben möchten, falls es noch mehr werden“, erzählt die 39-Jährige. „Eigentum in Köln kam nicht infrage, die Preise waren illusorisch“, ergänzt ihr Mann. „Viel Platz und ein Garten waren das Hauptmotiv, aus Köln wegzuziehen. Wir wollten die Tür aufmachen und rausgehen, ohne dass man Nachbarn im Hausflur begegnet.“

Bergisch Gladbach und Dormagen – zu teuer. Frechen und Hürth – zu nah an den Kohlegruben. Sie entschieden sich für Windeck, eine Gemeinde mit knapp 20.000 Einwohnenden am östlichen Rand des Rhein-Sieg-Kreises. „Wir wollten etwas ohne Einflugschneise und waren von der alternativen Szene angetan. Aber es gehörte schon Mut dazu, so weit rauszuziehen, weil wir hier ja auch niemanden kannten“, sagt Tobias Prellwitz.

Und doch kauften sie 2019 ein Haus, noch vor der Pandemie. „Im Herbst sind wir eingezogen, drei Monate später kam der Lockdown. Danach sind die Preise in die Höhe gegangen, das hätten wir uns dann auch nicht mehr leisten können“, sagt Alexandra Prellwitz. Es wurde das Zuhause des sechsjährigen Jasper und seiner beiden Schwestern Marlene  und Josefine, vier und ein Jahr alt.

In Altwindeck leben Tobias und Alexandra Prellwitz mit ihren drei Kindern Jasper, Josefine und Marlene.

In Altwindeck leben Tobias und Alexandra Prellwitz mit ihren drei Kindern Jasper, Josefine und Marlene.

„Durch die Kinder haben wir schnell Anschluss gefunden. Hier gibt es nicht nur Kindergarten und Grundschule in der Nähe, sondern auch Metzger, Bäcker und Supermarkt. Wenn das Wetter es zulässt, lassen wir das Auto stehen“, sagt Tobias Prellwitz. Er und seine Frau arbeiteten weiterhin in Köln bei dem gleichen Unternehmen. „Wir wären hier auch nicht hingezogen, wenn es die direkte Bahnverbindung nicht gäbe. Von Tür zu Tür brauchen wir eine Stunde und zehn Minuten.“

Und abseits der Arbeit: „Klar, hier gibt es nicht so viele Freizeitangebote wie in Köln. Mal eben essen gehen in einer netten Bar oder einem Restaurant geht auf dem Land nicht. Und im Winter ist hier nichts los. Dafür geht man bewusster ins Theater, weil man sich dann organisieren muss“, sagt der 45-Jährige.

Seine Frau findet: „Man wird in Köln von dem Freizeitangebot fast erschlagen, da geht es um Optimierung der Hobbys. Möglichkeiten sind immer da, ich habe das Gefühl, dass ich sie dann weniger nutze. Anders in Windeck: Wenn da etwas stattfindet, geht man auch hin.“ Beide freuten sich auf das Stadt-Land-Fluss-Festival, ein zweiwöchiges Kulturfestival im Frühjahr, das an der Oberen Sieg stattfindet.

200 neue Kita-Plätze

„Wir machen uns auch keine Sorgen, dass sich die Kinder langweilen werden. Gehen wir ein paar Meter aus dem Ort, ist da nur Wald. Ansonsten gibt es Sportvereine und Tanzgarden. Es gab noch keinen Tag, an dem wir daran dachten, von hier weg zu ziehen“, sagt der Vater.

Als eine von fünf Kommunen erhielt Windeck vor Kurzem den Familienpreis des NRW-Familienministeriums. „Wir sind eine wachsende Kommune: Die gute Bahnanbindung an Köln, Bonn und Siegen wirkt sich auf den Zuzug aus“, sagt Bürgermeisterin Alexandra Gauß.

Nicht nur die Bevölkerungszahl, auch das Durchschnittseinkommen und die Geburtenrate seien zuletzt entgegen dem Trend in der Region gestiegen. Die Gemeinde reagierte und schuf 200 neue Kita-Plätze, etablierte ein Ganztagsangebot an allen Grundschulen. Die Bürgermeisterin ist selbst in Windeck aufgewachsen. Probleme sieht sie in der Gentrifizierung ihrer Heimat nicht. „Auch wir durchleben den demografischen Wandel. Wir bräuchten kleinen, bezahlbaren Wohnraum.“ Doch Familien suchten Einfamilienhäuser mit Garten. „Wer zu uns kommt, sucht gezielt danach.“

In Altwindeck leben Tobias und Alexandra Prellwitz, hier mit Jasper und Josefine.

In Altwindeck leben Tobias und Alexandra Prellwitz, hier mit Jasper und Josefine.

Auch Tobias Reich hat mit seiner Frau und seinen zwei und neun Jahre alten Töchtern hier ein Zuhause gefunden. „Wir haben bis 2021 in Köln gelebt, haben immer mal überlegt, umzuziehen. So weit draußen wollten wir eigentlich nicht wohnen, haben es dann aber einfach mal ausprobiert“, sagt der 42-Jährige. Anders als Familie Prellwitz wohnen sie zur Miete.

„Die Menschen hier sind recht offen, auf der Straße sind wir schnell in Kontakt gekommen. Wir waren vor 17, 18 Jahren zum ersten Mal hier, im Biergarten Elmores. Ich habe auch eine Zeit lang als Mountainbike-Trainer in Windeck gearbeitet“, sagt er. Heute ist er hauptberuflich als Lehrer an einer Schule im 20 Minuten entfernten Eitorf tätig.

„Die Bahnverbindung ist ein Riesending, so können uns Freunde aus Köln besuchen. Wären wir mitten im Westerwald, hätten wir das nicht gemacht. Natürlich ist das Angebot begrenzt. Musikunterricht für die Kinder ist schwierig und für das Leichtathletik-Training fahren wir unsere Tochter nach Nümbrecht“, sagt Reich – fast eine halbe Stunde dauert die Fahrt zum Sport. Und Spielplätze, sagt er, habe es in Köln an jeder Ecke gegeben.

Ausschließen könne er eine Rückkehr in die Stadt nicht. „Das Leben auf dem Dorf ist anders: Wir haben jetzt ein Haus, vorher eine Wohnung. Jetzt beschäftigen wir uns mit Holz machen im Garten. Wir schätzen das Angebot vor Ort, gerade im Sommer. Dann ist in den Gärten einiges los“, sagt er.