Streit um Sporthalle und BauaktenGibt es „Wild-West-Methoden“ am Kölner Großmarkt?
Köln – Einmal in der Woche kommt der ehemalige deutsche Meister im Cruisergewicht, Rüdiger May, zum Boxen an den Kölner Großmarkt. Dann steigt er mit Oliver Kleinjohann in einen Ring, der im ersten Stock des ehemaligen Bushido-Sportcenters an der Sechtemer Straße aufgebaut wurde. Der Chef des Unternehmens IDK Kleinjohann hält sich beim Boxen fit. Es ist die einzige sportliche Aktivität, die zur Zeit in der großen zweistöckigen Halle mit mehreren Sportflächen betrieben wird. Die Stadt hat Kleinjohann den Besitz übertragen. Miete zahlt er nicht.
Mietkosten für barrierefreien Sport auf 7000 Euro erhöht
Früher trainierten hier die behinderten Sportler des Vereins „VG-Projekt“. „VG“ sind die Initialen des zweifachen Europameisters im Para-Judo, Viktor Gdowczok. Sein Vater Klaus Gdowczok hat den Verein nach seinem Sohn benannt, der für viele ein Vorbild ist. In ihre alte Sportstätte dürfen Vater und Sohn sowie die rund 450 weiteren Vereinsmitglieder nicht mehr. Seit über einem Jahr steht die barrierefreie Sportstätte leer.
„Wir könnten sofort wieder starten“, so Gdowczok. Ein erster Versuch einer Einigung über eine weitere Nutzung scheiterte. Kleinjohann wollte 2000 Euro pro Monat. Das sei der Betrag, den er für Instandhaltung und Nebenkosten aufbringen müsse. Der wenig diplomatisch agierende Vereinssportler und der Unternehmer kamen nicht zusammen. Nun steht ein neuer Preis im Raum. Kleinjohann hat auf 7000 Euro erhöht. Beim alten Vermieter zahlte der Verein nach eigenen Angaben – allerdings nicht für die ganze Halle – unter 1000 Euro. Gdowczok findet das alles unhaltbar. Der Stadt, die tatenlos zusehe, wirft er „Inklusionszerstörung“ vor.
Nachträglich Bauakten verändert?
Der Streit um die Sporthalle steht für grundsätzliche Konflikte, bei denen die Interessen eines Investors auf die von alten Nachbarn stoßen. Die Stadt laviert nicht selten dazwischen. Rechtsanwälte des Großmarkt-Händlers Montaner haben Kleinjohann „Wild-West-Methoden“ vorgeworfen. Außerdem verdichte sich „der Eindruck“, dass die Stadt mit IDK Kleinjohann, „wie man auf Kölsch salopp sagt, klüngelt“. So steht es in einem Schreiben der Anwälte im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren gegen die Stadt.
Michael Rieke, der nicht nur für die Firma Montaner, sondern auch für die Interessengemeinschaft Kölner Großmarkt spricht, sieht „erhebliche Ungereimtheiten“ und mögliche Gefälligkeiten. Im Raum steht auch sein Vorwurf, dass Bauakten nachträglich verändert wurden. Bislang hat kein Gericht die Vorwürfe bestätigt. Mit dem Versuch, über einstweilige Verfügungen einen Baustopp gegen Kleinjohann zu erwirken, ist Montaner gescheitert.
Fragt man die Stadt nach den „Wild-West-Methoden“, überrascht sie mit einer Bestätigung, sieht die Schuld aber bei ganz anderen: „Zur Aussage, auf dem Großmarkt herrschten 'Wild-West-Methoden' ist festzustellen, dass es in der Tat Vorkommnisse gibt, in denen die Stadt durchgreifen beziehungsweise zumindest Schaden beseitigen muss.“ Dies betreffe die Manipulation von Stromzählern, eine lasche Zahlungsmoral oder illegale Abfall-Entsorgung.
Stadt überlässt Investor Zugriff auf ihren Besitz
Das Verhältnis zwischen den um ihre Zukunft besorgten Großmarkthändlern und der Stadtverwaltung ist seit langem nicht das Beste. Der Umzugstermin in ein neues Frischezentrum, für das noch kein Stein auf den anderen gesetzt wurde, wurde immer wieder verschoben. So richtig sicher, dass sie wirklich irgendwann mal in Marsdorf eine neues Heimat finden, sind sich die Händler immer noch nicht.
Im Streit um die Aktivitäten von Oliver Kleinjohann kommt ein weiteres Spannungsfeld hinzu: Die Stadt vermittelt nach außen den Eindruck, dass allein sie und ihr Wohnungsunternehmen GAG den vollen Zugriff auf Planung und Entwicklung des Areal zur „Parkstadt Süd“ hat. Tatsächlich hat sie jedoch auch einem tatkräftigen privaten Investor einen roten Teppich ausgerollt. Die Stadt dulde, dass sich Kleinjohann „Stück für Stück Flächen des Großmarkts einverleibt“ und sich „ins Gelände fräst“, so Rieke.
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Der Stadtrat ist vor zwei Jahren dem Vorschlag der Stadtverwaltung gefolgt, der Firma, die bereits ein Nachbargrundstück neben ihrem Firmensitz bebaut, auch das so genannte „Erstandienungsrecht“ für das gegenüberliegende städtische Areal zu gewähren. Das macht man, um eine kluge Gesamtplanung und mehr städtebauliche Qualität für ein größeres Areal zu ermöglichen. Der damalige Vorsitzende des Liegenschaftsausschusses, Jörg Frank (Grüne), unterzeichnete im September 2019 zusammen mit dem ausgeschiedenen Stadtdirektor Stefan Keller (CDU) eine Dringlichkeitsentscheidung, damit der Investor schnell „mit der komplexen und kostenintensiven Planung“ beginnen kann.
Kleinjohann bekam bis Ende Mai 2021 Zeit, Ideen zu entwickeln, um danach in direkte Verkaufsverhandlungen einzusteigen. Ohne politischen Beschluss, legte die Stadt noch einen drauf: Kleinjohanns Firma wurde auch der Besitz der Liegenschaften übertragen. So wurde sie zum Besitzer der Sporthalle. Auch ein städtisches Grundstück, auf dem ein Gebäude der Firma Montaner steht, gehört zum übertragenen Gelände.
Politik schlecht informiert
Die Frist für das Erstandienungsrecht ist seit Monaten abgelaufen. Eigentlich hätte die Verwaltung den Stadtrat über den Stand der Dinge informieren müssen. Das geschah nicht. Und die Politiker sahen offenbar keinen Grund nachzufragen. Auf dem Großmarkt sieht man das als Beleg für die Nähe vieler Beteiligter. Der eloquente Diplom-Ingenieur ist bestens vernetzt, Gründungsmitglied des Karnevalsvereins „Goldene Jungs“ und CDU-Parteispender. Er weist alle Vorwürfe zurück und lobt die gute Kooperation mit der Stadt. Wenn die Verwaltung die Politik nicht informiere, sei das nicht sein Fehler.
Tatsächlich ist Kleinjohann seit dem Beschluss im Rathaus nicht untätig gewesen. Das Bild vom rücksichtslosen Investor bekommt schnell Risse, wenn er durch seine Firmenzentrale führt und die Ideen für das umliegende Areal erläutert. Die Firma, die er 2010 von seinem ebenfalls bestens in der Stadt vernetzten Vater Dieter übernommen hat, kann ihren Mitarbeitern tolle Räumlichkeiten bieten, um Hochbauprojekte in ganz Deutschland zu planen.
Der gelungene Umbau einer heruntergekommen Halle neben dem Hochbunker an der Sechtemer Straße zeugt von besonderem Engagement. Und auch die Frage, was er denn in den vergangenen Jahren für das Erstandienungsrecht gemacht hat, kann er mit anschaulichen Entwürfen beantworten: Alte Bausubstanz könnte sich mit moderner Büroarchitektur rund um einen Platz „mit hoher Aufenthaltsqualität“ verbinden.
Überzeugende Idee für Hochbunker
Sogar für den unansehnlichen, denkmalgeschützten Bunker hat er mit dem Architekturbüro „Kister, Scheithauer, Gross“ eine überzeugende „Realisierungsidee“ entwickelt. Auf den fensterlosen Klotz aus dem Zweiten Weltkrieg mit Kirchturmsattrappe zur Tarnung bei Luftangriffen ließe sich ein zweistöckiger Kubus mit heller Glasfront setzen. Der Bunker ist nicht Bestandteil des Ankaufsangebots. „Wir glauben jedoch, auch hier etwas ganz Besonderes von unserem Grundstück aus schaffen zu können“, so Kleinjohann.
Die Visualisierungen sind noch nicht das, was gebaut wird. Das Stadtplanungsamt will ein zusätzliches „Qualifizierungsverfahren“ durchführen lassen, was Kleinjohann akzeptiert. Den Verdacht, dass er auf dem Großmarktgelände noch weiter expandieren will, weist er zurück. Das, was er tue, „geschieht nicht unter wirtschaftlichen Aspekten“.
Der Streit mit dem Sportverein spricht eher dagegen. Kleinjohann führt einen anderen Grund dafür an, dass es noch keinen bezahlbaren Mietvertrag gibt: Vereinschef Klaus Gdowczok hat in den vergangenen Monaten verbal schwer ausgeteilt. Das müsse er sich nicht gefallen lassen.
Der Verein will nun Zuschüsse bei der Stadt beantragen, damit er vielleicht doch noch zurück in die Halle kommt. Dann wäre die komplizierte Gemengelage um eine Facette reicher: Die Stadt würde sich an Mietzahlungen für eine Halle beteiligen, die ihr selbst gehört, aber an einen Investor übertragen wurde, der Miete nehmen darf, obwohl er selbst keine zahlt. Vor zwei Jahren hätte sie die Zwischennutzung durch den Verein auch einfach zur Bedingung machen können – ganz ohne Subvention.
Fragt man bei der Stadt nach Einzelheiten, bekommt man allgemeine Antworten: Mit der Kombination aus Erstandienungsrecht und Besitzüberlassung mache man seit Jahren gute Erfahrungen. So ließen sich Projekte beschleunigen und gute Ergebnisse erzielen. Die Stadt spare Kosten. Zu den konkreten Vereinbarungen mit Kleinjohann wolle man nichts sagen. Vertragsinhalte würden vertraulich behandelt.