Wohnungsbau in KölnBUND fordert neues Programm für Hunderte Baulücken
- Trotz Wohnungsnot gibt es in Köln weiterhin Hunderte Baulücken, die Platz für neue Wohnungen bieten würden.
- Der Bund für Umwelt und Naturschutz kritisiert die Stadt und fordert ein Umdenken. Anstatt auf der grünen Wiese zu bauen, soll weiter verdichtet werden.
- Die Stadt weist die Kritik zurück. Eigentümer zum Schließen von Baulücken zu bringen, ist ein mühsames Geschäft.
Köln – Wer die Bebauung von Freiflächen verhindern will, müsse Alternativen anbieten. „Die Stadt nutzt die vorhandenen Potenziale nicht“, sagt Helmut Röscheisen. Der Sprecher der Kölner Kreisgruppe im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat sich zum Start einer „Initiative für Umdenken im Wohnungsbau“ einen guten Ort für die Freiluft-Pressekonferenz ausgesucht.
Hinter ihm klafft eine der hässlichsten Baulücken Kölns. Das Bistro „Al Caminetto“ lädt in ein eingeschossiges Gebäude an der Ecke Redwitzstraße/Berrenrather Straße. Wenn Fachleute die Nutzung einer solchen Baulücke als „Minderwertige Bebauung“ klassifizieren, dürften ihnen die Worte für das fehlen, was behelfsmäßig als kleiner zweistöckiger Aufbau auf einen Teil des Restaurant-Gebäudes gesetzt wurde und aussieht, als könnte es jederzeit zusammenbrechen. Er grenzt an ein Nachbarhaus, das ebenfalls ein architektonisch völlig misslungenes Gebilde ist. Aber immerhin zeigt es an, welche Häuserhöhe möglich wäre, wenn man hier neu bauen würden.
Junge Forscherin sieht riesiges Potenzial
Röscheisen hat Julika Wilken mit zum Sülzer Schandfleck in bester Lage gebracht. Die Masterstudentin der Technischen Universität Darmstadt hat eine Arbeit über die Wohnungsbaupotenziale im Stadtteil geschrieben. Elf Wohneinheiten wären über dem italienischen Restaurant möglich, rechnet sie vor. Ihre detaillierte Recherche ist für den BUND eine Traumvorlage. In ihrer Forschungsarbeit hat Wilken ein Areal in Sülz mit mehr als 1500 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern untersucht.
Ihr Ergebnis: 41 existierende Gebäude und Freiflächen eignen sich für Aufstockungen und Lückenschlüsse. Für neun weitere Grundstücke schlägt sie einen Abriss des Bestands und einen Neubau vor. So würden 136 zusätzliche Wohnungen mit einer durchschnittlichen Fläche von 75 Quadratmetern entstehen können. Das entspricht einem Plus von fast neun Prozent. Noch mehr wäre möglich, wenn die Stadt den Bebauungsplan für das Areal ändern würde. Dann wäre gar ein Plus von fast 17 Prozent möglich.
Für Röscheisen ist das der Beleg, dass in Köln Tausende Wohnungen durch Gebäudeaufstockungen und Baulückenschließungen geschaffen werden könnten. Er fordert von der Stadt eine umfängliche Potenzialanalyse für das ganze Stadtgebiet nach dem Vorbild Hamburgs. Die Hansestadt hat auch ihre Bauordnung geändert, um das Aufstocken leichter zu machen. Das will der BUND auch in NRW durchsetzen. Die zuletzt beschlossenen Lockerungen gehen ihm nicht weit genug.
Bestimmungen machen es Hausbesitzern schwer
Röscheisen will an das schwierige Thema Brandschutz ran. Zu viele Bestimmungen würden es Hausbesitzern und Investoren zu schwer machen. Auch die Beschränkungen für Holzbauweise müsste vom Tisch. Der Umweltverband will einen Forderungskatalog erarbeiten, der weitere heikle Fragen ansprechen wird. So müsse man auch aus dem Prinzip „Eigentum verpflichtet“ konkrete Maßnahmen ableiten. Röscheisen findet, dass mehr Druck auf Eigentümer möglich sein müsse.
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Zur Zeit ist das Recht jedes Eigentümers, selbst zu entscheiden, ob er aufstocken will oder nicht, das größte Hindernis solcher Verdichtungspläne. Ein weiteres Problem, für das auch der BUND noch keine überzeugende Lösung vorlegen kann, ist der Mangel an Schul- und Kitaplätzen in den heute schon dicht besiedelten Stadtvierteln. Außerdem sind radikale Veränderungen in der Verkehrspolitik nötig.
In der Einladung zur Pressekonferenz hat Röscheisen Lösungen zur Überwindung der Hindernisse angekündigt. Doch die bleiben vorerst noch recht allgemein: „Es ist nicht einfach“, sagt der umtriebige Klimaschützer. „Wichtig ist: Man muss es wollen.“ Architekturstudentin Wilken schlägt attraktive Förderprogramme vor. Wer neue Wohnungen schafft, müsse sich sicher sein können, dass sich die Investition in 20 bis 25 Jahren rechnet.
Stadt weist Kritik zurück
Die Stadt glaubt nicht, dass es am Geld und an fehlenden Fördermitteln liegt. Die Hemmnisse seien in der Regel „planungs- und baurechtlicher Natur“. Das kostenlose Beratungsangebot, das die Stadt im Rahmen ihres Baulückenprogramms anbiete, habe sich bewährt, so das Amt für Stadtentwicklung. Die vom BUND geforderte systematische Erfassung aller Baulücken laufe bereits.
Im Bezirk Innenstadt und weiteren Stadtteilen mit vielen Baulücken habe man rund 770 Grundstückseigentümer angeschrieben und Unterstützung angeboten. Seit der Wiederaufnahme des Baulückenprogramms 2017 seien Baugenehmigungen für rund 850 neue Wohneinheiten erteilt worden.
Allerdings bieten selbst erteilte Baugenehmigungen noch keine Sicherheit, dass tatsächlich eine Baulücke wie die an der Berrenrather Straße, Ecke Redwitzstraße verschwindet: Seit 2012 sei man mit dem Grundstückseigentümer im Gespräch, er habe das Beratungsangebot der Stadt „intensiv in Anspruch genommen“, so das Amt für Stadtentwicklung. Eine bereits 2014 erteilte Baugenehmigung habe der Eigentümer jedoch verfallen lassen. Doch es gibt Hoffnung auf einen zweiten Anlauf: Der Eigentümer habe erneut eine Baugenehmigung beantragt, die zur Zeit geprüft werde.