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GentrifizierungMieter beschweren sich über Kölner Immobilienunternehmen

Lesezeit 6 Minuten
Frauen blicken aus ihrem Wohnungsfenster auf Müll.

Mieterinnen beklagen sich über Dreck, Baustellen und nicht übernommene Reparaturkosten.

Ein Kölner Unternehmen kauft Filetstücke in der Innenstadt und modernisiert sie. Mieter fühlen sich schlecht behandelt.

Wenn Häuser in bester Kölner Lage von Investoren gekauft werden, gibt es Geschichten, deren Dramaturgie so vorhersehbar ist wie ein Rosamunde-Pilcher-Film: Der Investor kündigt Modernisierungen an und erhöht die Mieten, die Bewohnerinnen und Bewohner sind besorgt, einige lassen sich (auch mit Abfindungen) vom Auszug überzeugen, andere wehren sich. Die Investoren betonen, dass Baulärm und andere Unannehmlichkeiten unvermeidbar seien, die Mieter halten anhaltende Wohnungsmängel, Dreck und schlechte Erreichbarkeiten bei Beschwerden für Schikane. Ein Happyend gibt es meist nicht.

So ist es Thomas Bönig ergangen, der seit bald 15 Jahren in einer wunderschönen Dachgeschosswohnung am Rathenauplatz lebt. Als eine Immobiliengesellschaft das Haus im Herbst 2023 kaufte, erhöhte sie die Miete und die Nebenkosten – als die Global Act forderte, Bönig solle binnen einer Woche die Dachterrasse räumen, weil diese saniert werden müsste, und wenig später einfach das Schloss zum Dachgarten wechselte, wendete sich Bönig an den „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Der Bericht schlug Wellen, der Streit des Mieters mit der Immobiliengesellschaft spitzte sich in der Folge weiter zu. Im Januar erhielt Bönig ein Schreiben, in dem ihm die Global Act verbietet, seinen 29 Quadratmeter großen, ausgebauten Spitzboden und seine gut 30 Quadratmeter große Dachterrasse weiterhin zu nutzen. Begründung: Da es dort jeweils keinen zweiten Fluchtweg gebe, bestehe „Gefahr für Leib und Leben“. „Das ist auch deswegen interessant, weil das Unternehmen ja dann in den vergangenen eineinhalb Jahren fahrlässig in Kauf genommen hätte, dass mein Leben bedroht ist“, sagt Bönig. „Es hätte dann gar keine baurechtliche Genehmigung geben dürfen, mir die Wohnung so zu vermieten.“ Sein Anwalt hat ein entsprechendes Schreiben an die Immobiliengesellschaft geschickt.

Die Global Act verweist darauf, bereits in einer Antwort auf Fragen zum ersten Artikel dieser Zeitung im Oktober darauf verwiesen zu haben, dass sie das Mehrfamilienhaus in „desolatem Zustand übernommen“ habe. Eine Sanierung sei „vor allem aus Sicherheitsgründen sowie aufgrund energetischer Anforderungen zwingend erforderlich“. Insbesondere sei das Unternehmen als Eigentümer „verpflichtet, baurechtliche Auflagen der Stadt Köln etwa im Bereich Brandschutz umzusetzen“. Auf die „im Wesentlichen nicht zutreffenden Vorhaltungen des Mieters“ habe die Global Act im Herbst 2024 geantwortet, das wolle sie dieses Mal nicht tun. Geklärt werden könnten die unterschiedlichen Sichtweisen „nur zwischen Eigentümer bzw. Verwalter und Mieter“.

30.08.2024, Köln: Auch am Rathenauplatz sind Mieter von  Entmietung betroffen. Foto: Uwe Weiser

Die Fronten zwischen Thomas Bönig und dem Immobilienunternehmen Global Act sind verhärtet. Jetzt hat der Mieter die außerordentliche Kündigung bekommen.

Gütlich geklärt werden kann zwischen dem Unternehmen und dem Mieter freilich vermutlich nichts mehr. Immer wieder ist der Streit auch emotional eskaliert. Am 17. Februar erhielt Bönig eine außerordentliche Kündigung: Das Unternehmen wirft ihm unter anderem üble Nachrede vor – auch öffentlich auf einer Internetseite und in Kommentaren zum ersten Artikel im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bis zum 4. März sollte Bönig seine Dachgeschosswohnung räumen.

Ich werde mich nicht einschüchtern und nicht aus der Wohnung vertreiben lassen
Mieter Thomas Bönig

Bönig sagt, sein Anwalt gehe davon aus, dass die Vorwürfe haltlos seien. „Ich werde mich nicht einschüchtern und nicht aus der Wohnung vertreiben lassen.“ Stattdessen erarbeitet Thomas Bönig einen Ratgeber für betroffene Mieter ähnlich gelagerter Fälle, den er veröffentlichen möchte. Darin listet er auf, was Eigentümer machen, um Mieter loszuwerden: von Krach, Lärm und Dreck über schlechte Erreichbarkeit und unangemessenen Fristsetzungen bis zu möglichen Gesundheitsgefährdungen.

Auch andere Mieterinnen von Global Act, denen zahlreiche Mehrfamilienhäuser in der Innenstadt gehören, wendeten sich zwischenzeitlich an den „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Zum Beispiel Rosi K. und Farina W., die in einem Haus im Rathenau-Viertel wohnen, das die Global Act im März 2021 übernahm. Angefangen habe es mit der Vermessung der Wohnung: 62 Quadratmeter ist Farina W.s Wohnung laut Mietvertrag groß, der neue Eigentümer maß nach, sei auf 64,5 Quadratmeter gekommen – und habe die Miete erhöht, so W. Um 15 Prozent habe die Immobiliengesellschaft die Miete mit dem Verweis auf Modernisierungsmaßnahmen erhöht – W. zahlte vorher 730 Euro warm, jetzt sind es 840 Euro. So weit, so normal.

Kölner Mieterin geht nach Unfall auf Baustelle vor Gericht

Dass Farina W. Vertreter des Eigentümers oder deren Subunternehmers bald vor Gericht wiedersieht, hängt mit einem Unfall zusammen: Im Treppenhaus, sagt die Mieterin, „lagen wochenlang überall verstreut Kabel herum“. Sie zeigt Fotos. An einem Tag im Sommer 2022 sei sie beim Versuch, die Stolperfallen zu überwinden, gefallen – und musste in der Folge zweimal am Handgelenk operiert werden. Sie habe die Global Act über den Sturz informiert – wenige Tage später hätten alle anderen Mieter ein Schreiben bekommen, dass es zu „Vandalismus im Treppenhaus“ gekommen sei. „Ich selbst habe das Schreiben seltsamerweise nicht erhalten“, sagt sie.

Farina W. dokumentierte, dass die chaotische Baustelle mit aufgetürmten Zementsäcken und Kabelsalat noch Wochen später unverändert war. Genauso hielt sie fest, dass von ihr gekaufte maßangefertigte Fliegengitter, die 1500 Euro gekostet hätten, nach Bauarbeiten verdreckt und mit einem Brandfleck beschädigt waren. Dass Bauschlamm auf die Fenster getropft war. Wie Bauarbeiter ihr sagten: „Wenn Sie ein Problem haben, nehmen Sie sich einen Anwalt!“

Im Juli 2022 sei ein neues Garagentor installiert worden – das habe in der Folge wochenlang offen gestanden, in dieser Zeit sei das Fahrrad einer Mieterin gestohlen worden. „Der Eigentümer hat in solchen Angelegenheiten immer darauf verwiesen, dass er nicht zuständig sei, sondern die von ihm beauftragten Unternehmen“, sagt Farina W. Auch, dass „oft erst ein paar Stunden oder am Abend vorher angekündigt wird, wenn Strom oder Wasser abgestellt wird, ist für mich Schikane“.

Rosie K. erzählt, dass im November 2024 ein Rohr in ihrer Küche geplatzt sei. Dass in der Folge das Laminat hochschwemmte, ist bis heute zu sehen. „Es ist außerhalb der normalen Geschäftszeiten passiert, deswegen habe ich einen Notdienst angerufen und musste mit gut 1000 Euro in Vorleistung gehen.“  Sie habe der Global Act die Rechnung geschickt, doch die habe geantwortet, dass es sich um ein „unseriöses Unternehmen“ handele – daher übernehme sie die Kosten nicht.

Wir möchten noch einmal klarstellen, dass bei einer solchen Sanierungsmaßnahme Beeinträchtigungen der Bewohner leider unvermeidlich sind
Immobilienunternehmen Global Act

Als im Herbst die Heizung kalt blieb, habe ein Verantwortlicher des Unternehmens ihr mitgeteilt, sie müsse die Heizung entlüften – das sei nicht möglich, habe sie geantwortet. „Nach zwei Wochen kam dann jemand mit einem Plastikschälchen und Schlüssel, der entlüften wollte – und stellte fest, dass sich die Heizung nicht entlüften lässt.“ Erst in der Folge sei die Therme repariert worden.

Das Unternehmen antwortet auf entsprechende Fragen dazu nicht. Ein Sprecher schreibt lediglich: „Wir möchten noch einmal klarstellen, dass bei einer solchen Sanierungsmaßnahme Beeinträchtigungen der Bewohner leider unvermeidlich sind. Dies wird Ihnen auch jeder andere Projektentwickler, der ein ähnliches Sanierungsvorhaben realisiert, bestätigen. Wir tragen allerdings gemeinsam mit den ausführenden Firmen nachdrücklich Sorge dafür, dass solche Beeinträchtigungen so gering wie möglich gehalten werden.“

Ich kämpfe mit möglichst vielen anderen Betroffenen zusammen dafür, dass die Immobilienhaie so nicht durchkommen
Mieter Thomas Bönig

Nach Abschluss der Baumaßnahmen, „die wir nur bei einem Mitwirken der Bewohner zügig durchführen können“, böte das Mehrfamilienhaus den Bewohnern „einen zeitgemäßen Wohnstandard“. Durch die energetischen Maßnahmen leiste das Unternehmen „einen Beitrag zum Klimaschutz“, auch das Stadtbild vor Ort werde aufgewertet. Farina W. und Rosi K. sagen, dass sie „so schnell wie möglich ausziehen wollen“ – wenn sie eine bezahlbare andere Wohnung finden. Thomas Bönig will das nicht. „Ich kämpfe mit möglichst vielen anderen Betroffenen zusammen dafür, dass die Immobilienhaie so nicht durchkommen“, sagt er. Fortsetzung: folgt.