Gitarrist Christopher Annen und Schlagzeuger Severin Kantereit sprechen unter anderem über ihr Konzert in Lützerath – und warum sie den Protest legitim finden.
AnnenMayKantereit im Interview„An manchen Tagen denke ich: Scheiße, es funktioniert gar nichts“
Sie sind am 8. Januar bei einer Demonstration in Lützerath aufgetreten. Wie haben Sie die Stimmung dort erlebt?
Christopher Annen: Bei unserem Konzert waren mehr als 5000 Leute, die Stimmung war richtig gut und friedlich. Ich fand es total beeindruckend, wie intensiv sich die Menschen dort mit dem Thema Klimaschutz befasst haben. Es waren so viele Menschen da, die alle die gleiche Forderung haben: das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten. Ich fand es beklemmend zu sehen, wie besorgt und zum Teil richtig verzweifelt vor allem jüngeren Menschen sind angesichts der Klimakrise.
Fällt es Ihnen manchmal schwer, nicht in Weltuntergangs-Stimmung zu verfallen, sondern den Optimismus zu bewahren, dass die Welt noch zu retten ist?
Annen: Manchmal habe ich Tage, wo ich denke: Scheiße, es funktioniert ja gar nichts. Und dann habe ich Tage, wo ich denke: Es ist noch genug zu tun. Jedes Zehntel Grad macht einen großen Unterschied. Darum ist wirklich jede Maßnahme sinnvoll, die Erwärmung zu begrenzen. Wir steuern ja gerade eher auf 2,5 bis 3 Grad Erderwärmung zu, was Auswirkungen haben wird, die man noch gar nicht einschätzen kann. Darum ist es so wichtig, jetzt etwas zu tun, aber auch in 50 Jahren noch etwas zu tun. Unser Nichthandeln wird Milliarden Menschen betreffen.
Wie stehen Sie zu zivilem Ungehorsam – sei es in Lützerath oder bei Straßenblockaden?
Annen: Ich finde zivilen Ungehorsam legitim. Ich habe Verständnis dafür, dass sich Leute auf die Straße kleben. Der Ungehorsam findet ja auch auf politischer Ebene statt, muss man ehrlich sagen. Vor zwei Jahren hat das Verfassungsgericht ein Urteil veröffentlicht, dass die Politik alles dafür tun muss, damit man auf dieser Welt in hundert Jahren noch leben kann. Das wird an vielen Stellen einfach nicht eingehalten. Unsere Politik ist nicht darauf ausgerichtet, das Co 2-Budget, das Deutschland zugewiesen worden ist, einzuhalten, damit wir alle zusammen das 1,5-Grad-Ziel nicht reißen.
Wie positionieren Sie sich als Band politisch?
Kantereit: Wir machen das, was von uns authentisch rüberkommt. Wir können Musik machen und in Lützerath ein Konzert geben. Wir können in unseren sozialen Netzwerken Aufmerksamkeit schaffen – und das tun wir auch.