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Zu wenig Spielflächen in KölnPlötzlich ist das Tor zum Bolzplatz wieder zu

Lesezeit 6 Minuten
Sechs Jungen stehen mit drei Fußbällen vor einem verschlossenen Tor. Im Hintergrund ist eine Schule zu erkennen.

Gleb (links) und seine Freunde vor dem verschlossenen Schulhof an der Baadenberger Straße in Ehrenfeld.

Auf neun Schulhöfen in Köln konnten Kinder auch am Nachmittag und an den Wochenenden spielen und Sport treiben. Jetzt ist das zu teuer.

Anfang Januar standen Gleb und seine Kumpel plötzlich wieder vor einem verschlossenen Tor. Der Bolzplatz auf dem Schulhof der Grund- und Hauptschule Baadenberger Straße in Ehrenfeld, auf dem die Fünft- und Sechstklässler an den Nachmittagen gerne gekickt haben, ist nicht mehr zugänglich. Der Grund: Das vor gut drei Jahren gestartete Projekt „Offene Schulhöfe“ wurde zum Ende des Jahres vonseiten der Stadtverwaltung ohne Vorwarnung beendet.

In einer knappen Mitteilung, einlaminiert und mit Kabelbindern am Schultor befestigt, wird an der GGS Spoerkelhof in Merkenich die auch hier erfolgte Schließung des Schulfhofs von der Stadt mit „derzeit nicht zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln“ erklärt. Und eine Sprecherin der Stadt bestätigte auf Anfrage, dass das Modellprojekt „Offener Schulhof“ am 19. Dezember 2024 in ganz Köln ausgelaufen sei.

500.000 Euro pro Jahr zahlte die Stadt Köln für neun offene Schulhöfe

Es ist ein Projekt, das zu den sogenannten freiwilligen Leistungen der Stadt zählt. Ebenso wie alles, was den Sport betrifft. In Zeiten knapper Kassen werden diese Ausgaben als erstes gestrichen, damit sind Kinder und Jugendliche die Leidtragenden. Und Folgekosten, die mangelnde Bewegung oder mangelnde Sozialkontakte im Kinder- und Jugendalter verursachen, werden ausgeblendet.

„Die Stadt Köln hätte das erfolgreiche Projekt gern fortgeführt“, beteuerte die Stadtsprecherin. Doch die Kosten seien nicht mehr zu stemmen, sie lägen bei 500.000 Euro pro Jahr für „die zusätzliche Reinigung der Schulhöfe sowie die Beauftragung eines Schließdienstes“. 500.000 Euro pro Jahr für neun Schulhöfe? Das sind 152 Euro pro Schulhof bei einer Öffnung an allen 365 Tagen des Jahres. Für Abschließen und Müll aufsammeln, an den schulfreien Tagen kommt noch Aufschließen dazu.

Kölner Politiker suchen nach einer günstigeren Lösung für die Schulhöfe

„Völlig absurd“ nennt der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Volker Spelthann (Grüne) diese Summe. Das Wort „absurd“ benutzt auch Oliver Seeck, schulpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion und Vorsitzender des Sportausschusses. Er fordert gemeinsam mit Mattis Dietrich, dem Vorsitzenden der SPD in Merkenich, eine Fortsetzung des Projekts und wünscht sich „ein Konzept, dass an die Eigenverantwortlichkeit appelliert und diese Kosten nicht mehr verursacht“.

Andreas Hupke (Grüne), Bezirksbürgermeister in der Innenstadt (der Schulhof der Realschule Im Hasental war in den vergangenen drei Jahren geöffnet und fällt in seinen Zuständigkeitsbereich), ärgert sich besonders darüber, dass die Bezirke vonseiten der Stadt keinerlei Information über die Beendigung des Projekts erhalten haben: „Das finde ich beschämend, das geht gar nicht.“

Dass die Kosten für die Schulhoföffnung derart hoch gewesen sind, sei ihm nicht bekannt gewesen. Ansonsten hätte er eine Maßnahme nach Paragraf 16i SGB II „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ vorgeschlagen, sagte Hupke. Da geht es um die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt, gefördert vom Jobcenter. „Das hätte eine Win-win-Situation ermöglicht“, sagt Hupke.

Künftig nach Schulschluss nicht mehr geöffnet: An der GGS Spoerkelhof in Merkenich weist ein Aushang der Stadt auf die Sparzwänge hin.

Künftig nach Schulschluss nicht mehr geöffnet: An der GGS Spoerkelhof in Merkenich weist ein Aushang der Stadt auf die Sparzwänge hin.

Betroffen sind von der Einstellung des Schulhof-Projektes alle neun Stadtbezirke Kölns, denn in jedem war in den vergangenen drei Jahren ein Schulhof an den Nachmittagen, Wochenenden und in den Ferien geöffnet worden. Der Hintergrund: Im sich immer weiter verdichtenden Köln wird wie in jeder Großstadt um Flächen gerungen. Frei zugängliche Plätze für Spiel und Sport gibt es immer weniger. Kinder und Jugendliche wissen kaum noch, wo sie hinsollen, sich treffen, Spaß haben, Kontakte knüpfen sollen.

Die Stadt will auch den Kölner Sportetat drastisch kürzen

Zumal auch die Sportvereine in Köln vor großen Problemen stehen. Sie können Kindern und Jugendlichen nicht so viele Angebote machen, wie diese benötigen würden, weil ihnen die Sporthallen- und -plätze unter den Händen weggammeln. Für die Sanierung von Hallen und Sportstätten standen 2024 noch 22 Millionen Euro zur Verfügung, 2025 und 2026 sollen es nach den bisherigen Plänen noch jeweils sechs Millionen Euro sein. In der mittelfristigen Finanzplanung bleiben für 2029 noch 900.000 Euro übrig.

Gegen diese Sparmaßnahmen der Verwaltung wehrt sich aktuell die „Allianz Kölner Sport“. In einem offenen Brief wandte man sich an die Verwaltungsspitze um Oberbürgermeisterin Henriette Reker und erklärte die radikalen Kürzungen des Sportetats von 36 auf 20 Millionen Euro für unzumutbar. Am Mittwoch kam eine Runde von Vertretern Kölner Sportvereine im Vereinslokal von Fortuna Köln zusammen und war sich einig: Wird diese Streichliste in die Tat umgesetzt, bedeute das den Tod des Breitensports, vor allem der Kinder- und Jugendarbeit. Schon jetzt seien die Wartelisten voll.

Die ohnehin vorhandenen Schulhöfe an den Nachmittagen und schulfreien Tagen nicht einfach abzuschließen, kann ein naheliegender Teil der Lösung sein. Die Stadt Köln war auch zufrieden mit dem Projekt, es habe überzeugt, sagte die Sprecherin. In einer Mitteilung der Stadt vom März 2023 wird auf eine positive Zwischenevaluation seitens der Deutschen Sporthochschule Köln für das Jahr 2021 verwiesen.

Es gibt weiterhin nicht genug Spielfläche pro Einwohner in Köln

Und gerade erst, also kurz nach der Schließung der Schulhöfe, hat die Stadt ihre 204 Seiten starke neue Fassung der kommunalen Spielraumplanung vorgelegt. Darin heißt es auf den Seiten 49 und 50: „Temporär für die öffentliche Nutzung zugänglich gemachte Schulhofflächen stellen außerhalb der Schulzeiten beziehungsweise schulischen Betreuungszeiten eine zusätzliche Ressource zum Spielen, Bewegen und zum Aufenthalt dar.“

Eine solche Ressource ist dringend nötig, denn noch liegt Köln mit 1,2 Quadratmeter Spielfläche pro Einwohner deutlich unter dem Richtwert von zwei Quadratmetern, den der Rat 2018 festgelegt hatte. Die Stadt hebt in ihrer Mitteilung hervor, dass die Flächenversorgung von 2018 bis Ende 2022 „trotz Bevölkerungswachstums stabil gehalten werden“ konnte. Nach Fortschritt klingt das nicht. Und die Schließung der Schulhöfe ist ganz klar ein Rückschritt.

Für Glebs Ehrenfelder Hobbymannschaft, sie nennen sich „FC Campeones“, bedeutet das Ende des Projekts zunächst das Aus. Eine andere Trainingsfläche haben sie nicht. Also wieder Daddeln am Computer statt Rennen an der frischen Luft?

„Nach eine Anlaufphase war der Offene Schulhof hier sehr beliebt, ein echter Treffpunkt“, sagt Susanna Schürmanns, Mutter eines der Campeones. „Wenn ein Kind mal Langeweile hatte, ging es einfach zur Baadenberger Straße. Da war immer jemand.“ Sonst gebe es ja kaum freie Plätze für die Altersgruppe, die dem Spielplatz schon entwachsen ist, sagt Anja Muet, ebenfalls Mutter eines Hobby-Fußballers.

Ehrenfelds Bezirksbürgermeister Volker Spelthann bestätigt: „Der offene Schulhof wurde hier sehr gut und sehr nachbarschaftlich angenommen.“ Man habe nur gute Erfahrungen gemacht und deshalb eigentlich geplant, an zwei weiteren Schulen im Bezirk die Schulhöfe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Es ergibt ja keinen Sinn, dass die Kinder am Zaun stehen und den Bolzplatz oder das Basketballfeld nur aus der Ferne sehen“, sagte Spelthann. Die Neuehrenfelder Eltern rund um die Baadenberger Straße wollen deshalb nach Lösungen suchen. Susanna Schürmanns sagt: „Viele wären sicher bereit, hier ehrenamtlich Schließ- und Reinigungsdienste zu übernehmen.“