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GeschwindigkeitskontrollenKommunen im Kreis Euskirchen würden gerne selbst blitzen

Lesezeit 8 Minuten
Ein Auto passiert einen Starenkasten.

Die stationären Blitzer im Kreis Euskirchen sind ausgetauscht worden. Sie sind auch eine gute Einnahmequelle für den Kreis.

Laut Deutschem Städte- und Gemeindebund können Kommunen mit mehr als 50.000 Einwohnern selbst Geschwindigkeitskontrollen übernehmen. Im Kreis Euskirchen wird überlegt, Blitzergemeinschaften zu gründen.

Gibt es demnächst im Kreis Euskirchen Blitzergemeinschaften? Es handelt sich keineswegs um einen vorgezogenen Aprilscherz, sondern um ein Vorhaben mehrerer Kommunen. Sie wollen dem Kreis Euskirchen die Geschwindigkeitsüberwachung streitig machen – und dank der Unterstützung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes drücken sie dabei gehörig aufs Gas.

Aktuell dürfen in NRW – anders als in einigen anderen Bundesländern – neben der Polizei nur Kreise und Städte mit mehr als 60.000 Einwohnern die Geschwindigkeit im Straßenverkehr selbst überwachen. „In der Praxis zeigt sich, dass die aktuell zuständigen Behörden nicht ausreichend auf Hinweise aus kleineren Kommunen reagieren und an Gefahrenpunkten kontrollieren können“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Christof Sommer. Laut DStGB ist die Grenze auf 50.000 Einwohner gesenkt worden. So teilte es Cora Ehlert, Hauptreferentin des DStGB, der Stadt Mechernich in einer E-Mail mit, die der Redaktion vorliegt.

Der Stadt Mechernich fehlen zum Blitzen noch 20.000 Einwohner

Das könnte der Stadt Mechernich neue Möglichkeiten eröffnen. Die Stadt knabbert, so Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, an der 30.000-Einwohner-Marke. Fehlen also nur gut 20 000 Einwohner, um mit einem Partner selbst blitzen zu können. Diesen Partner für die Geschwindigkeitsüberwachung kann man sich nach Angaben des DStGB aber nicht einfach so aussuchen. Gemäß der Gemeindeordnung NRW müssen die Kommunen nämlich benachbart sein, also eine gemeinsame Grenze haben. Schleiden würde als Blitzer-Partner für Mechernich beispielsweise ausscheiden. Doch Mechernich hat bereits eine andere Kommune im Auge: Zülpich.

„Da wir mit Zülpich schon im Bereich der Bauaufsicht zusammenarbeiten, würde sich dies auch hier anbieten“, sagt Thomas Hambach, Erster Beigeordneter der Stadt Mechernich, auf Anfrage. Die Römerstadt hat gut 21.000 Einwohner. Die 50.000-Grenze wäre also keine Hürde mehr.

Stadt hält flexiblere Tempokontrollen für möglich

Wie Hambach erklärt, stecken die Überlegungen noch in den Kinderschuhen. „Wir prüfen gerade grundsätzlich die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten“, so der Erste Beigeordnete. Geplant sei der Einsatz von möglichen Blitzanlagen für die Überwachung nach eigenen Schwerpunkten. „So hätten wir einen flexibleren Einsatz und zudem erhoffen wir uns einen positiven Deckungsbeitrag für den Haushalt“, so Hambach.

Grundsätzlich sei er mit der Geschwindigkeitsüberwachung des Kreises und der Polizei nicht unzufrieden. „Aber die Möglichkeiten, auf unsere Überwachungswünsche einzugehen, bestehen nicht so, wie wir das manchmal gerne hätten.“

Wann aber Mechernich in Zusammenarbeit mit einer anderen Kommune das Blitzen selbst übernimmt, ist laut Hambach noch völlig offen. „Ob überhaupt und wenn wann, kann nicht beantwortet werden. Hierzu müssen erst noch weitere Prüfungen und Fragen geklärt werden, auch mit Nachbarkommunen als mögliche und notwendige Partner“, berichtet der Erste Beigeordnete.

Auch Bad Münstereifel ist interessiert

Mechernich ist nicht die einzige Kommune, die sich für eine mögliche Blitzergemeinschaft interessiert. Auch in Bad Münstereifel beschäftige man sich „grundsätzlich“ mit dem Thema, sagt Johannes Mager, Pressesprecher der Stadt Bad Münstereifel. In der Verwaltung der Kurstadt geht man bislang aber noch davon aus, dass dazu 60.000 Einwohner benötigt werden.

Aber warum ist die Geschwindigkeitsüberwachung überhaupt ein Thema? „Es geht darum, flexibler kritische Bereiche zeitnah kontrollieren zu können – insbesondere, da das Stadtgebiet aus 57 Ortschaften mit entsprechenden Geschwindigkeitsbeschränkungen besteht“, so Mager. Unzufrieden mit der Geschwindigkeitsüberwachung des Kreises und der Polizei sei man aber nicht.

Im Südkreis Euskirchen könnten sich sechs Kommunen zusammenschließen

Eine große – fast schon den kompletten Südkreis umfassende – Blitzergemeinschaft könnte rund um Hellenthal entstehen. Nach Angaben von Michael Huppertz, Leiter des Fachbereichs Ordnung und Soziales bei der Gemeinde Hellenthal, befassen sich die Gemeinden Dahlem, Blankenheim, Nettersheim, Kall, Hellenthal und die Stadt Schleiden mit der Frage, ob eine gemeinsame Geschwindigkeitsüberwachung eingeführt werden soll. „Derzeit stehen die Überlegungen noch am Anfang. Vieles muss noch geklärt werden. Ob das Ganze eingeführt wird, ist noch offen“, berichtet Huppertz auf Anfrage dieser Zeitung: „Frühestens würden Kontrollen im Jahr 2026 beginnen können. Denkbar ist auch, dass der Kreis seine Überwachung ausdehnt.“

Allein mit den Kapazitäten der Polizei und des Kreises ist eine wirksame und flächendeckende Geschwindigkeitskontrolle nicht realisierbar.
Michael Huppertz, Ordnungsamtsleiter der Gemeinde Hellenthal

So richtig glücklich scheint man im Süden des Kreises mit der Arbeit des Kreises und der Polizei nicht zu sein. „Allein mit den Kapazitäten der Polizei und des Kreises ist eine wirksame und flächendeckende Geschwindigkeitskontrolle nicht realisierbar“, sagt Huppertz: „Insbesondere im innerörtlichen Bereich erreichen mich regelmäßig Beschwerden darüber, dass zu schnell gefahren wird. Bürger, die vor Ort mit den Auswirkungen von zu hohen Geschwindigkeiten konfrontiert sind, reagieren mit zunehmendem Unverständnis, wenn die Gemeinde selber keine Handlungsmöglichkeiten hat.“

Dass sich der eine oder andere Bürger mehr Geschwindigkeitskontrollen wünscht, kann Philipp Stempel, Pressesprecher des DStGB, bestätigen. „Kaum ein Thema wird in Sprechstunden mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern öfter angesprochen. Der Unmut, dass nicht angemessen kontrolliert wird, ist bei vielen groß“, sagt er.

In einer großen, weiß-grauen Kiste steckt ein Messgerät.

Auch semi-stationäre Geschwindigkeitsmessanlagen sind im Kreis Euskirchen im Einsatz.

Der DStGB habe „lange und mit Nachdruck dafür geworben, dass kleinere und mittlere Kommunen eigenständig den Verkehr überwachen dürfen“, so Stempel: „Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen gibt es in vielen Landesteilen erhebliche Kontrolllücken, da Kreise und Polizei ausgelastet sind und nicht dort eingesetzt werden können, wo es nötig wäre. Dabei gibt es vielfach Klagen von Bürgerinnen und Bürgern, dass gerast wird.“

Da sei es nur gut und richtig, dass die Kommunen nun eigenständig, schnell und flexibel auf Beschwerden reagieren könnten. Dabei gehe es nicht um Abzocke, sondern um Verkehrssicherheit, so der Pressesprecher.

Euskirchen und Weilerswist könnten kooperieren

Die einzige Stadt im Kreis Euskirchen, die nach den Angaben des DStGB aktuell ohne fremde Hilfe die Geschwindigkeiten auf den Straßen kontrollieren dürfte, wäre Euskirchen. Oder doch nicht? Auch in der Kreisstadt geht man aktuell noch von der 60.000-Einwohner-Grenze aus. Ein Wert, den Euskirchen nach Fortschreibung der Zensus-Zahlen zeitnah erreichen wird.

„Ja, die Stadt Euskirchen ist seit einiger Zeit an diesem Thema dran und beabsichtigt, hierzu Anfang des neuen Jahres ein abschließendes Ergebnis mitteilen zu können“, sagt Tim Nolden, Pressesprecher der Stadt. Nach Informationen dieser Zeitung hat die Kreisstadt – unabhängig von der geltenden Einwohner-Grenze – bereits Gespräche über eine Kooperation mit der Gemeinde Weilerswist geführt.

Kaum ein Thema wird in Sprechstunden mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern öfter angesprochen. Der Unmut, dass nicht angemessen kontrolliert wird, ist bei vielen groß.
Philipp Stempel, Pressesprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Und was sagt Landrat Markus Ramers, der in seiner Position auch Behördenleiter der Euskirchener Polizei ist, zu dem Vorhaben der Kommunen? „Kontrolldruck leistet seinen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Deshalb sind wir da noch mal intensiver unterwegs“, sagte der Verwaltungschef: „Wenn jetzt die Städte und Gemeinden rein rechtlich die Voraussetzungen erfüllen und auch die Ressourcen dafür haben, ist das grundsätzlich zu begrüßen, weil dadurch mehr Kontrollmöglichkeiten entstehen.“

Bisher gebe es aber lediglich Mitteilungen des DStGB und keine entsprechenden Erlasse des Ministeriums, tritt Markus Ramers noch auf die Bremse.


Derzeit führen nur der Kreis Euskirchen und die Polizei Tempokontrollen durch

Aktuell übernehmen der Kreis Euskirchen und die Polizei die Geschwindigkeitsüberwachungen im Kreis Euskirchen. Dafür setzt der Kreis unter anderem zwei semi-stationäre Geschwindigkeitsmesser ein. Zudem sind in den vergangenen Monaten sieben der neun stationären Blitzer auf eine neue Technik umgestellt worden.

Abgeschlossen sein wird die Modernisierung aber erst im kommenden Jahr, wenn auch die Anlagen an der B56 bei Füssenich und an der B51 bei Schmidtheim modernisiert worden sind.

Technisch hat sich nach Angaben des Kreises an zwei Standorten etwas geändert. So können die neuen, schwarzen Anlagen am Ortseingang von Vernich (aus Hausweiler kommend) und an der L115 in Höhe von Freilingen und Lommersdorf Geschwindigkeitsüberschreitungen gleichzeitig in beide Fahrtrichtungen feststellen. Bisher war das mit den stationären Anlagen nicht möglich.

Vor allem die Kreuzung an der L115 ist als Gefahrenpunkt bekannt. „Dort, aber auch in Vernich, stellen wir immer wieder in beide Richtungen Geschwindigkeitsüberschreitungen fest, wenn wir auch mit den mobilen Geräten unterwegs sind“, sagte Sven Gnädig von der Pressestelle des Kreises Euskirchen.

Deshalb habe man sich entschieden, dort permanent in beide Richtungen zu blitzen. Wie Gnädig weiter berichtet, werden die Geschwindigkeitsverstöße direkt digital, also sozusagen live, an die entsprechende Behörde im Kreishaus übermittelt.

In den Sozialen Netzwerken kursierte das Gerücht, dass auch die Anlage an der Wallenthaler Höhe in beide Richtungen blitzt. Das ist aber nicht der Fall. Laut Kreis sind die Laser nur in Fahrtrichtung Euskirchen verbaut.

Kreis Euskirchen kassiert rund 4,2 Millionen Euro durch die Blitzer

Die neuen Anlagen sind – wie die Vorgänger – vom Kreis angemietet. Nach Angaben der Pressestelle zahlt der Kreis für die Geräte, die Software und den Support jährlich 450.000 Euro an den Hersteller. „Ausgetauscht wurden die Blitzer, weil die verwendeten Messgeräte nicht mehr auf dem neuesten Stand waren“, erklärte Gnädig: „Es ändert sich grundlegend nichts. Auch bei den neuen Anlagen wird die Geschwindigkeit unmittelbar vor der Anlage ermittelt. Die Entfernung ist in etwa gleich.“

Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Kreisverwaltung von den stationären Blitzern im Kreis Euskirchen etwa 62.000 Verstöße registriert. Rund 3,7 Millionen Euro habe der Kreis damit eingenommen. Durch den semi-stationären Blitzer stellte der Kreis laut Pressestelle im vergangenen Jahr 9300 Verstöße fest und verbuchte Einnahmen in Höhe von 500.000 Euro.

In diesem Jahr waren es laut Kreis bis zum Stichtag 31. Oktober 50.700 registrierte Geschwindigkeitsverstöße bei den stationären Anlagen, bei dem semi-stationären Blitzer 11.500.

„Jährlich werden die Geschwindigkeitsmessstellen des Kreises Euskirchen durch Vertreter der Bußgeldstelle und der Polizei besprochen und bei Bedarf neu festgelegt“, sagte Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises: „Mit einbezogen in diese Festlegungen werden die aktuellen Unfallstatistiken und Unfallhäufungsstellen der Polizei. Als Messstellen des Kreises kommen nur Örtlichkeiten in Betracht, bei denen eine Gefahrenlage oder ein Unfallschwerpunkt erkannt wurde.“