Das ambitionierte SF-Epos ist eine Geduldsübung, die sich auszahlt. Doch wer auf einen „Game of Thrones“-Klon hofft, wird enttäuscht sein.
„3 Body Problem“Das hat die neue Serie der „Game of Thrones“-Macher zu bieten
Soweit weg von „Game of Thrones“, wie nur möglich, wollten D. B. Weiss und David Benioff vor fünf Jahren. Wohl weniger wegen des kontroversen Finales ihrer Hit-Serie, sondern weil sie nach acht Jahren in der Fantasywelt von George R.R. Martin ein komplett anderes Projekt in Angriff nehmen wollten. Das Ergebnis ist „3 Body Problem“: Ein achtteiliges Science-Fiction-Epos, mit dem die Fernsehmacher unter Beweis stellen, dass sie trotz ihres Erfolgs ehrgeizig bleiben – auch, wenn die Netflix-Serie einige offensichtliche Makel hat.
Mit Drehbuchautor Alexander Woo („True Blood“) an Bord, greifen Weiss und Benioff erneut auf eine Romanvorlage mit einer loyalen Fanbasis zurück. Von der „Trisolaris“-Reihe war sogar Barack Obama fasziniert. Der chinesische Autor Liu Cixin kreierte darin eine Science-Fiction-Welt mit quasi unbegrenztem visuellen Potenzial.
„3 Body Problem“: Keine gute Zeit für die Wissenschaft
Die Serie beginnt – wie die Bücher – mit einem brutalen Mord während der Kulturrevolution im China von Mao Zedong. Die begabte Astrophysik-Studentin Ye Wenjie verliert ihren Glauben an ihre Mitmenschen und lässt sich zu einem Racheakt hinreißen, der sich später als Bedrohung für die Menschheit herausstellt.
Auch in unserer Gegenwart ist es gerade keine gute Zeit für die Wissenschaft: Renommierte Forscher sterben auf mysteriöse Weise und milliardenschwere Teilchenbeschleuniger spucken plötzlich unsinnige Ergebnisse aus. Fünf Oxford-Freunde wollen herausfinden, woran das liegt. Eine von ihnen beginnt, egal wo sie hinschaut, einen angsteinflößenden Countdown zu sehen, der sie in die Verzweiflung treibt.
Netflix: 20 Millionen US-Dollar für „3 Body Problem“
Das ist nur ein winziger Bruchteil der Handlung, es folgt eine Ballung cleverer SF-Konzepte – die aber sind zum Teil recht mäßig umgesetzt. In dieser Anhäufung von Gedankenpuzzles liegen Stärke und Schwäche der Serie zugleich. Positiv zu erwähnen könnte man zum Beispiel eine mit Nanotechnologie betriebene Kriegswaffe aus Folge fünf – der besten der acht Folgen –, die der Serie ein unerwartetes Horror-Element einhaucht. Oder den Moment, als eine der fünf Freunde ein futuristisches Gerät findet, das man nur als Apple Vision Pro des 22. Jahrhunderts beschreiben kann.
Darin öffnet sich eine virtuelle Realität, in der die physikalische Welt auf den Kopf gestellt wird und sich das titelgebende Dreikörper-Problem auftut. Hier finden Weiss und Benioff Bilder, die hängen bleiben, wie das vollständige Austrocknen eines menschlichen Körpers und seine Wiederbelebung unter Wasser.
Wobei die visuelle Umsetzung der reichhaltigen Vorlage leider nicht durchgehend gelingt. Etwa bei dem mongolischen Heer, das als menschlicher Computer fungieren soll. Die Menschenmasse sieht aus, als hätte jemand in „Microsoft Paint“ zu oft Copy-and-paste gedrückt. Ärgerlich, denn eine Episode soll im Durchschnitt immerhin 20 Millionen US-Dollar gekostet haben. Und einige Ideen, wie eine Sicherheitskamera, mit der man die Nachbargalaxie ausspionieren kann, hätten man gerne ausführlicher erkundet.
Der Ehrgeiz der Serie ist lobenswert
Unter der Menge an Rätseln gehen die Charaktere unter, die doch eigentlich das Herz der Serie sein sollten. Viele von ihnen wirken, wie ihre Dialoge, eindimensional. Das mag auch daran liegen, dass der Protagonist des Romans für die Serie in fünf Rollen aufgeteilt wurde. Das merkt man ihnen auch an. Die Rest-Figuren vermitteln viel zu selten die emotionale Tiefe der apokalyptischen Bedrohung, vor der sie stehen. Einen nennenswerten Reifeprozess vermisst man dabei schmerzlich.
Ausnahmen, die herausstechen, sind die rachsüchtige Studentin (Zine Tseng), Geheimdienstermittler Da Shi (Benedict Wong, „Doctor Strange“) und der charmante Jack Rooney, der von „Game of Thrones“-Darsteller John Bradley gespielt wird. Der Serie hätte es gutgetan, sich weniger Stoff aus der Buchvorlage vorzunehmen und stattdessen mehr Zeit den Figuren und Konzepten zu widmen.
Dennoch: Der Ehrgeiz der Serie ist lobenswert. Gerade in einer Zeit, in der Netflix mehr „Content“, als Kunst fabriziert, baut „3 Body Problem“ seine Rätsel mit großer Sorgfalt auf. Das verlangt viel Geduld vom Publikum ab, zahlt sich am Ende aber aus.
Alle acht Folgen von „3 Body Problem“ sind ab Donnerstag, dem 21. März auf Netflix zum Streamen erhältlich.