AboAbonnieren

„3nach9“ wird 50Di Lorenzo: „Mit diesen Mythen musst du erst mal fertigwerden!“

Lesezeit 12 Minuten
ARCHIV - 18.10.2024, Bremen: Giovanni di Lorenzo und Judith Rakers, Moderatoren der Talk-Sendung «3nach9». Die Sendung «3nach9» von Radio Bremen ist die dienstälteste Talkshow im deutschen Fernsehen. Sie wurde am 19. November 1974 erstmals ausgestrahlt. (zu dpa: «Menschen und ihre Geschichten: 50 Jahre «3nach9»») Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Vor der Jubiläumssendung: Das Moderatorenduo Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo.

„3nach9“ wird 50 Jahre alt. Im Jubiläums-Interview sprechen Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo über schwierige Gäste, Lampenfieber – und die gemeinsame Liebe zur Bratwurst.

Herr di Lorenzo, die Talkshow „3nach9″ wird 50 Jahre alt. Sie moderieren die Sendung seit 35 Jahren, also weit mehr als die Hälfte ihres Bestehens. Haben Sie nicht langsam alle Fragen gestellt?

Giovanni di Lorenzo: Es gibt nichts Schlimmeres als eine Talkshow, der man anmerkt, dass der Moderator immer dasselbe Besteck herausholt – ich kann mir auch nicht vorstellen, dass so etwas Spaß macht. Mir bereitet „3nach9″ nach all den Jahren immer noch sehr viel Freude, vor allem wegen der Begegnung mit immer neuen Menschen. Das lässt auch weiterhin den Aufregungspegel hochsteigen – wovon Judith und ich Ihnen ein Lied singen können.

Das heißt, Sie sind nach all den Jahren immer noch aufgeregt?

di Lorenzo: Ja, wir gehören beide der Kategorie der sehr Aufgeregten an. Ich habe in den 35 Jahren sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen erlebt, die vor der Sendung nicht mal mit der Wimper gezuckt haben. Es wird mir zeitlebens ein Rätsel bleiben, wie man in solchen Momenten so ruhig sein kann.

Was unternehmen Sie denn gegen Lampenfieber?

di Lorenzo: Man muss irgendwann Frieden mit der Aufregung schließen und sich sagen: „Hallo, da bist du ja wieder, ich kenne dich gut. Auch wenn du mir jetzt das Leben schwer machst, werden wir am Ende irgendwie miteinander klarkommen.“ Und Lampenfieber ist für mich ein alter Bekannter: Ich war Schülersprecher, und wenn ich vor der ganzen Schule in der großen Aula eine Rede gehalten habe, musste ich mich vorher vor Nervosität übergeben. Sie sehen, ich habe mir mit der Moderation einer Fernsehsendung den idealen Zweitberuf gesucht.

Haben Sie Rituale vor der Sendung, die Ihnen Halt geben? Frau Rakers, Sie essen vor der Sendung immer eine Bratwurst, oder?

di Lorenzo: Nee, das hat sie leider abgeschafft!

Judith Rakers: Das Bratwurstritual war aber nichts gegen Lampenfieber, sondern nur gegen Hunger. Zu der Bratwurst hat Giovanni mich immer am Vorabend der Sendung am Hauptbahnhof eingeladen – als wir zur Redaktionskonferenz in Bremen ankamen. Das habe ich als einen schönen Brauch zwischen Giovanni und mir in Erinnerung. Ein partnerschaftliches Ritual, wobei nur ich die Bratwurst gegessen habe, während Giovanni sich standhaft über Jahre weigerte.

Warum haben Sie es denn abgeschafft?

Rakers: Weil wir uns seit Corona nur noch digital zur Redaktionskonferenz treffen. Deshalb reise ich mittlerweile erst am Tag der Sendung an – was das Ende des gemeinsamen Bratwurstmoments bedeutet hat. Aber Giovanni ist jemand, der sehr über Rituale funktioniert, und ich glaube, er vermisst diesen Moment bis heute sehr.

di Lorenzo: Total. Es war eine einseitige Kündigung, und ich habe sie gleichsam als Liebesentzug empfunden.

Rakers: So war es natürlich nicht gemeint. Mal schauen: Vielleicht lassen wir das Ritual aus alter Verbundenheit zur Bratwurst und zum Bremer Hauptbahnhof noch mal aufleben.

di Lorenzo: Ich bitte darum. Wir kommen mit der Jubiläumssendung auch noch zu einem anderen, sehr alten Brauch zurück: Wir senden nämlich wieder live. Früher war das ja gang und gäbe. Anschließend wurde es immer ziemlich lustig: Nach der Sendung, weit nach Mitternacht, haben wir noch lange gemeinsam gegessen, getrunken und geredet. An Schlaf ist nach einer Livesendung sowieso nicht zu denken, so viel Adrenalin hat man im Blut. Mal sehen, wie es jetzt nach der Jubiläumssendung wird.

Für uns ist die Sendung trotz Aufzeichnung also immer wie live. Das, was gesagt wird, geht raus, wir haben keine Möglichkeit, etwas zurückzuholen.
Judith Rakers

Rakers: Wobei es sich ehrlicherweise heute nicht anders anfühlt, da wir ja quasi live senden. Vielleicht ist das noch einmal wichtig zu erklären, weil manche Zuschauer eventuell denken, dass live „ungeschnitten“ bedeutet und aufgezeichnet „geschnitten“. Wir zeichnen die Sendung am Sendetag auf, also am frühen Freitagabend. Aber wir schneiden nichts mehr, dafür bleibt überhaupt keine Zeit, und es ist technisch auch nicht möglich. Für uns ist die Sendung trotz Aufzeichnung also immer wie live. Das, was gesagt wird, geht raus, wir haben keine Möglichkeit, etwas zurückzuholen.

Lampenfieber und ein erhöhter Adrenalinspiegel helfen nach meiner Erfahrung auch, sich besser zu konzentrieren und zu fokussieren. Ist das bei Ihnen ähnlich?

Rakers: Das finde ich einen sehr wichtigen Aspekt. Ich leide auch sehr unter Lampenfieber. Es ist kein schönes Gefühl, aber ich versuche es auch positiv zu sehen. Der Körper begibt sich ja letztlich in eine Art Fluchtmodus, was evolutionär bedingt die Sinne schärft. Man hört besser, man sieht besser, man riecht besser. Und das kann in einer Sendung, in der es darum geht, das Gegenüber wirklich zu lesen und im Idealfall die kleinsten körpersprachlichen Signale wahrzunehmen, mit Sicherheit nicht schaden.

ARCHIV - 18.10.2024, Bremen: Giovanni di Lorenzo, Moderator der Talk-Sendung «3nach9». Die Sendung «3nach9» von Radio Bremen ist die dienstälteste Talkshow im deutschen Fernsehen. Sie wurde am 19. November 1974 erstmals ausgestrahlt. (zu dpa: «Moderator Giovanni di Lorenzo und der Zirkuspferd-Effekt») Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Sendung 3nach9 von Radio Bremen ist die dienstälteste Talkshow im deutschen Fernsehen. Sie wurde am 19. November 1974 erstmals ausgestrahlt.

di Lorenzo: Wir haben manchmal ja auch Gäste, die einem ein bisschen Angst einflößen. Dann bin ich noch aufgeregter als sonst.

Was wäre das für ein Gast?

di Lorenzo: Gäste, die ich nicht einschätzen kann, bei denen ich nicht weiß: Wie komme ich an sie heran? Wie reagieren sie auf meine Fragen?

An wen denken Sie da zum Beispiel?

di Lorenzo: Wenn der Bundeskanzler in die Sendung kommt, bist du natürlich aufgeregt.

Olaf Scholz war im März zu Gast bei „3nach9″.

di Lorenzo: Bei solchen Gästen hat man ja nicht nur gegenüber dem Gast eine besondere Verpflichtung, sondern sieht sich auch mit Erwartungen konfrontiert: Gelingt die Gratwanderung, einerseits einer Unterhaltungssendung gerecht zu werden – und auf der anderen Seite anklingen zu lassen, dass wir unseren Gesprächen auch einen kritischen Hintergrund geben? Wir legen schon Wert darauf, dass sich intelligente Zuschauer nicht durch die Fragen der Moderatorin oder des Moderators beleidigt fühlen.

Herr di Lorenzo, Sie schreiben in Ihrem Interviewbuch „Vom Leben und anderen Zumutungen“ ein Gespräch sei zum einen dann gut, wenn der oder die Befragte sich öffnet. Vor allem aber treffe das zu, wenn der Gesprächspartner nicht Angst hat, etwas Falsches zu sagen. Ist dies in Zeiten von Social Media, in denen jeder kleine Fehler, jedes vermeintlich falsche Wort genüsslich als Videoschnipsel ausgebreitet werden kann, überhaupt noch möglich?

di Lorenzo: Das ist die große Veränderung im Vergleich zu früher. Unsere Gäste passen wahnsinnig auf – weil sie wissen, wie viel Mühe es sie kostet, einen unbedachten Satz, der ihnen über die Lippen gegangen ist, wieder einzufangen. Die Vorsicht beginnt schon vor der Sendung und setzt sich währenddessen fort. Die Leute trinken nicht mehr, sie rauchen nicht mehr. Früher war das ja ein Klassiker: Ich erinnere mich an Politiker, die schon vor der Sendung enorm viel Alkohol getrunken haben. Ich wäre an deren Stelle gar nicht mehr in der Lage gewesen, auch nur einen vollständigen Satz unfallfrei vorzutragen. Und während der Sendung tranken die noch weiter.

Die Erinnerung vieler Menschen sagt, dass früher die Talkshows, auch gerade die Freitagabend-Talkshows wie eben „3nach9″ politischer und konfrontativer waren. Stimmt das, oder täuscht die kollektive Erinnerung?

di Lorenzo: Schon als ich vor 35 Jahren startete, kam kein Artikel ohne den Satz aus: „Früher waren die Gespräche bei ‚3nach9‘ konfrontativer und politischer.“ Das ist natürlich Teil des Mythos dieser Sendung. In den Anfangsjahren gab es aber auch viele Gespräche, die schief gegangen sind, die so auch nicht wiederholbar wären. Sie dürfen nicht vergessen: Die Kolleginnen und Kollegen hatten damals überhaupt keinen Quotendruck, unvorstellbar heute. Diese komplette Anarchie war Teil des Charmes. Aber verdrängt werden dabei gern die vielen langweiligen und vor allem unverständlichen Gespräche.

In Erinnerung sind stattdessen Auftritte wie der Disput zwischen dem Kommunarden Fritz Teufel und dem damaligen Bundesfinanzminister Hans Matthöfer geblieben, den Teufel mit Zaubertinte nass spritzte, woraufhin Matthöfer Teufel mit einem Glas Wein überschüttete. Das Thema des Gesprächs war „Feines Benehmen“ …

di Lorenzo: Diesen kleinen Eklat zeigen wir selbstverständlich zum Jubiläum am 15. November. Wir hatten aber auch danach reichlich konfrontative Momente: Leute, die die Sendung abgebrochen haben, die aus dem Studio abgehauen sind und vieles mehr. Aber es hat sich gegenüber früheren Zeiten noch etwas Entscheidendes verändert.

Und zwar?

di Lorenzo: Wenn ich als potenzieller Gast weiß, da sitzt ein Moderator, der es darauf angelegt, sich auf meine Schwachstelle zu konzentrieren, auf den Punkt, an dem ich in eine Verteidigungshaltung komme – warum soll ich dann überhaupt in die Sendung gehen? Wir wollen eine solche Situation nicht zum Prinzip erklären, denn das Wichtigste bei einer Talkshow ist: Wie kann ich einen Menschen öffnen? Ganz abgesehen davon, dass Zuschauer es hassen, wenn sie das Gefühl haben, ein Gast soll runtergemacht werden.

Gibt es denn trotzdem, auch wenn sie nicht konfrontativ sind, schlecht gelaunte Gäste?

di Lorenzo: Klar.

Wir rollen in unserer Sendung den roten Teppich aus, damit unsere Gäste ihre Projekte vorstellen und die Hintergründe dazu erzählen können. Und die Zuschauer nehmen sich Zeit zuzuhören.
Judith Rakers

Rakers: Ich bin jetzt seit 14 Jahren dabei und habe einige schlecht gelaunte Gäste erlebt. Wobei ich missmutig immer noch besser finde als völlig bocklos. Mit schlecht gelaunten Menschen kann man ja noch etwas anfangen, es ist ja eine starke Emotion. Aber wenn du bei einem Gast spürst, der sitzt nur bei uns, weil die Plattenfirma oder der Filmverleih das von ihm per Vertrag verlangt, finde ich es problematisch.

Was stört Sie daran am meisten?

Rakers: Es hängt mit Respekt zusammen. Und zwar nicht nur uns und der Sendung gegenüber, sondern auch gegenüber den Zuschauerinnen und Zuschauern. Wir rollen in unserer Sendung den roten Teppich aus, damit unsere Gäste ihre Projekte vorstellen und die Hintergründe dazu erzählen können. Und die Zuschauer nehmen sich Zeit zuzuhören. Wenn der Gast unsere Fragen dann einfach nur gelangweilt abtropfen lässt, macht mich das richtig wütend.

di Lorenzo: Das stimmt nicht ganz, du bleibst ja immer ruhig. Aber ich würde dich gern mal richtig zornig erleben.

Rakers: Es ist richtig, ich versuche auch in solchen Situationen, die Contenance zu bewahren. Aber innerlich brodelt es schon. Es passiert aber glücklicherweise selten, dass wir so einen Gast bei uns haben.

Interviewen Sie eigentlich lieber prominente Gäste oder die weniger bekannten, die Sie ja auch regelmäßig einladen?

Rakers: Auch aus den eben genannten Gründen sind mir diejenigen Gäste am liebsten, die eben keine Profi-Prominenten sind, wie ich sie gern nenne. Diese weniger bekannten Gesprächspartner kommen zu uns, weil sie eine interessante Geschichte zu erzählen haben – beispielsweise weil sie auf eine Abenteuerreise gegangen sind oder über ihr bewegendes Schicksal berichten möchten. Bei solchen Menschen fällt es mir leichter, ein empathisches, zugewandtes Gespräch zu führen und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Denn bei ihnen ist alles echt und authentisch. Für mich sind dies die schönsten Momente in unserer Talkshow.

ARCHIV - 18.10.2024, Bremen: Judith Rakers, Moderatorin der Talk-Sendung «3nach9». Die Sendung «3nach9» von Radio Bremen ist die dienstälteste Talkshow im deutschen Fernsehen. Sie wurde am 19. November 1974 erstmals ausgestrahlt. (zu dpa: «Menschen und ihre Geschichten: 50 Jahre «3nach9»») Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Judith Rakers

Wenn wir noch mal in die Geschichte zurückblicken, Herr di Lorenzo. Sie haben lange Zeit mit Juliane Bartel moderiert, und ich erinnere mich noch an die Sendung nach ihrem Tod 1998, in der Sie sich sehr berührt und traurig zeigten. Was war denn das Besondere an Juliane Bartel?

di Lorenzo: Juliane war, als sie bei „3nach9″ begann, schon ein Mythos – als eine der Stimmen des freien Berlins. Sie war ein sehr direkter Mensch, zwar gefühlvoll, aber nicht sentimental. Das hat auf mich einen großen Eindruck gemacht. Aber mich hat damals wahnsinnig erschüttert, dass sie unerwartet starb, nach ganz kurzer, schwerer Krankheit. Und sie hatte sich so sehr gewünscht, dass ich in der ersten Sendung, die aufgrund ihrer Krankheit ohne sie stattfinden musste, keine Co-Moderatorin bekomme. Dieser Wunsch wurde ihr nicht erfüllt. Sie starb an dem Tag, an dem ich das erste Mal ohne sie mit dieser neuen Kollegin moderierte.

Rakers: Wer war das denn damals?

di Lorenzo: Andrea Grießmann vom WDR. Juliane starb kurz vor der Sendung oder sogar während der Sendung. Die Redaktion hat es mir erst hinterher erzählt. Natürlich kann man sagen, das war Zufall, aber es hat für mich einen großen symbolischen Wert bekommen. Wir hatten nicht immer ein harmonisches Verhältnis. Aber ich bin froh darüber, dass wir uns vor ihrem Tod versöhnt hatten.

Ihr Start bei „3nach9″ war nicht leicht. Woran lag das?

di Lorenzo: Ich traf anfangs auf einige Vorbehalte: Da kam jemand aus München, was schon schwierig war. Dann war ich einigermaßen manierlich angezogen und zudem bemüht, zwar nicht unkritisch zu sein, aber meine Fragen doch gelegentlich höflich zu stellen. Das stieß nicht bei allen im Sender auf Begeisterung. Außerdem musste ich aus großen Schatten heraustreten.

An wen denken Sie?

di Lorenzo: Zum Beispiel an Marianne Koch, die erste Moderatorin von „3nach9″. Marianne kommt auch als Gast in unsere Jubiläumssendung, worüber ich mich sehr freue.

Geprägt hat die Sendung über viele Jahre auch Wolfgang Menge.

di Lorenzo: Wolfgang Menge als Moderator einer solchen Talkshow wäre heute undenkbar. Kein Sender würde den Shitstorm aushalten, den solch eine polarisierende Figur auslösen würde. Aber er hat den Mythos von „3nach9″ mit geschaffen. Und was das für Zeiten waren! Wir versuchen heute, vor der Sendung diszipliniert zu sein. Am Abend vorher bloß nichts trinken …

Rakers: … das gilt nur für Giovanni …

di Lorenzo: … ein paar Stunden schlafen. Die Kollegen damals trafen sich am Tag der Sendung in einem Bremer Feinkostladen, haben dort ab Mittag lange gesessen und auch manches Fläschchen geleert. Dann kamen sie nahezu direkt zur Sendung und begannen zu moderieren. Mit diesen Mythen musst du erst mal fertigwerden!

An welche großen Vorgängerinnen und Vorgänger denken Sie noch?

di Lorenzo: Lea Rosh muss man unbedingt erwähnen. Es waren schon tolle Talkmaster und Persönlichkeiten dabei. Man hat damals ja Leute ausgewählt, die möglichst branchenfremd waren, weil man neugierig auf ihre Fragen und Zugänge war.

Frau Rakers, Ihr Neuanfang liegt auch schon 14 Jahre zurück. Wurde es Ihnen ebenfalls so schwer gemacht wie Giovanni di Lorenzo?

Rakers: Das kann ich nicht genau vergleichen, weil ich in der Zeit, als Giovanni seine erste Sendung moderierte, nicht dabei war. Aber auch bei mir äußerten sich Menschen ablehnend, als ich mit der Sendung begann. Ich bin selbst meine größte Kritikerin, und dann ist es natürlich fatal, wenn man das Gefühl hat, man muss auch noch stark gegen Vorurteile von außen ankämpfen. Ich musste anfangs allerdings auch noch viel lernen. Denn dieses Setting mit mehreren Gästen und einem zweiten Moderator war neu für mich. Denn es bedeutet, sich zwar einerseits gut vorzubereiten, aber dann andererseits auch ganz viel zuzulassen, was spontan im Gespräch und in der Interaktion untereinander passiert.

Bei einer monatlichen Sendung ist es zudem auch nicht einfach, Erfahrungen zu sammeln.

Rakers: Absolut. Markus Lanz hat damals mal zu mir gesagt: „Die Erfahrung, die du nach einem Jahr hattest, hatte ich nach zwei Wochen“ – einfach wegen der Häufigkeit seiner Sendung. Und er riet mir: „Gib dir Zeit. Und sei nicht zu ungeduldig mit dir selbst“. Ich war anfangs nämlich oft nicht zufrieden mit mir. Aber mittlerweile hilft mir tatsächlich die Erfahrung der vergangenen Jahre – zu wissen, dass ich und wir gemeinsam schon viele schöne Sendungen über die Bühne gebracht haben.

Ein Gründungsmitglied und sehr langer Begleiter von „3nach9″ war der Pianist Gottfried Böttger. Wie erinnern Sie sich an ihn?

di Lorenzo: Natürlich innig. Gottfried gehört auch zu den Legenden von „3nach9″. Er war von der ersten Sendung an dabei und hat die Titelmelodie erfunden. Ich habe ihn aber nicht nur als einen äußerst begabten und feinsinnigen Menschen kennengelernt, sondern auch als einen gefährdeten Menschen. Er unterlag starken Schwankungen, wollte bei jeder Sendung dabei sein, obwohl er manchmal gar nicht mehr dazu in der Lage war.

Aufgrund seiner Alkoholsucht, mit der er lange Zeit zu kämpfen hatte?

di Lorenzo: Ja. Und ich weiß, wie schwer ihm nach 40 Jahren das Aufhören gefallen ist. Ich denke an ihn – in Dankbarkeit und mit dem Gefühl, da fehlt etwas.

Das ist ja damit geendet, dass ich nach der Mama gerufen und Judiths Nähe gesucht habe.
Giovanni di Lorenzo

Rakers: Er hatte eine sehr warmherzige Art, er hat immer gestrahlt, immer gelacht, egal wie es ihm ging, wie gerade sein gesundheitlicher Zustand war. In meinen ersten Jahren bei der Talkshow hat er mich sehr liebevoll begleitet. Er war für mich immer eine Insel, bei der ich wusste, hier bin ich sicher. Giovanni und ich waren beide bei seiner Beisetzung, einer der traurigsten Momente in meiner „3nach9″-Geschichte. Wir haben dort versucht, uns gegenseitig ein bisschen Trost zu spenden.

di Lorenzo: Ja, das stimmt.

Rakers: Nach unserer Jubiläumssendung am 15. November läuft ab Mitternacht noch ein Best-of. Darin spielt Gottfrieds Sohn Bendix Klavier. Wir haben für diese Sendung mit Bendix auch über seinen Vater gesprochen, weil Gottfried einfach unvergessen ist.

Herr di Lorenzo, Sie haben sich kürzlich in der Sendung vom Zauberkünstler Timon Krause hypnotisieren lassen. Das fand ich sehr mutig.

Rakers: Ich auch.

di Lorenzo: Das ist ja damit geendet, dass ich nach der Mama gerufen und Judiths Nähe gesucht habe. Ich glaube, du kannst dich in solch einen tranceähnlichen Zustand nur versetzen lassen, wenn du dich darauf einlässt. Wenn du kritisch bleibst, klappt das nie. Judith ist bei solchen Dingen etwas skeptischer als ich und hat deswegen auch gesagt: Mach du mal!

Rakers: Also eigentlich hat Timon Krause das entschieden. (lacht) Er hat mit uns einen Test in der Garderobe unternommen, um herauszufinden, wer sich besser hypnotisieren lässt. Weißt du das noch?

di Lorenzo: Ja, aber du hast vorher schon erklärt, wenn er mit solchen Sachen kommt, funktionieren sie sowieso nicht bei dir.

Wenn Sie sagen, Timon Krause hat die Hypnose mit Ihnen schon vorab in der Garderobe getestet: Passiert vor der Sendung dort schon viel in Vorgesprächen?

di Lorenzo: Nein, gar nicht. Wir wollen vermeiden, dass wir vor der Sendung zu viel von dem bereden, was eigentlich in die Sendung gehört. Das Ärgerlichste sind übrigens Gäste, die in der Sendung kaum etwas rauslassen – aber beim Wein hinterher alles erzählen, was man eigentlich wissen wollte, die ganze Wahrheit. Die haben einfach nicht begriffen, worauf es in einer Talkshow ankommt!