Die Ensembles E-MEX und oh ton präsentierten den Ultramodernismus der selten aufgeführten Komponistin Ruth Crawford.
„A Tribute to Ruth Crawford“Spiel der Gegensätze in der Alten Feuerwache
Zeitgenossen lobten ihre Musik als „maskulin“ wegen der schroffen Dissonanzen, konstruktiven Strenge und rücksichtslosen Heterophonie. Als weithin einzige Komponistin in der Männerdomäne Musik wurde sie geschätzt, publiziert und institutionell eingebunden. Doch sie heiratete, gebar vier Kinder, war Familienmutter, nahm eine feste Stelle in der Volksmusikforschung an, widmete sich der Musikerziehung, gab dafür das Komponieren auf und starb früh an Krebs, als sie nach fast zwanzig Jahren wieder eigene Musik zu schreiben begonnen hatte: Ruth Crawford (1901–1853).
Amerikanische Avantgarde statt europäischer Moderne
Die Komponistin ist in der Musikgeschichte kanonisiert, wird aber weder in den USA noch und hierzulande aufgeführt. Das leisteten nun die Ensembles E-MEX und oh ton unter Leitung von Christoph Maria Wagner in der Alten Feuerwache Köln. Das Festival „A Tribute to Ruth Crawford“ bot drei Konzerte mit Liedern, Kammer- und Ensemblemusik im Kontext des sogenannten „Ultra-Modernism“. Die Komponistengruppe propagierte im New York der 1920er und 30er Jahre die Abnabelung von der europäischen Moderne zugunsten einer spezifisch amerikanischen Avantgarde in der Nachfolge von Charles Ives. Das Programmheft des Kölner Festivals bezeichnete Crawford als „die wohl bedeutendste Komponistin der USA im 20. Jahrhundert, vielleicht auch global der ersten Jahrhunderthälfte überhaupt“.
Ihre „Preludes“ von 1925 unterscheiden sich – von Pianistin Claudia Schott brillant vorgetragen – freilich noch kaum von Alexander Skrjabins „Deux Poemes“. Crawfords Sonate für Violine und Piano schlägt dagegen andere Töne mit clusterartig verdichteten Akkorden an, von Kalina Kolarova und Martin von der Heydt packend gespielt. Der Pianist begeisterte auch mit Crawfords „Piano Study in Mixed Accents“ von 1930. Beide Hände spielen parallel eine hochenergetische Sechzehntelkette mit metrisch unregelmäßig zuckenden Akzenten.
Vibrierende Klänge aus radikalem Durcheinander
Das radikale „String Quartet“ von 1931 beginnt mit jeweils anderer Rhythmik, Tonalität, Melodik und Spieltechnik in allen Stimmen: totale Heterophonie statt koordinierter Polyphonie. Der dritte Satz besteht aus wenigen Tonwechseln mit umso mehr gegenläufiger Dynamik, so dass die Stimmen zwischen Vorder- und Hintergrund oszillieren und eine vibrierende Klangfarben-Melodie resultiert. Exzellent aufgeführt wurden auch Werke von Charles Ives, Henry Cowell, Leon Ornstein, Dane Rudhyar, Charles Seeger sowie drei auf Crawford bezogene Uraufführungen von Sky Macklay, Karola Obermüller und Iván Ferrer-Orozco. Alles Entdeckungen!