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„Ab morgen bin ich mutig“Warum dieser tolle Kinderfilm in Köln gedreht wurde

Lesezeit 5 Minuten
Ein Schüler schaut in einen Spiegel.

Jonathan Köhn in „Ab morgen bin ich mutig “von Bernd Sahling

Bernd Sahling drehte in Köln seinen neuen Kinderfilm „Ab morgen bin ich mutig“. Trotz schwieriger Finanzierung glückte ihm ein großer Wurf.

Längst gehört es zum Stadtbild, dass in Kölner Straßen und Veedeln „Tatort“-Krimis, Serien und Kinofilme gedreht werden. Filme für Kinder waren bislang eher selten darunter, nun aber war es so weit: Vornehmlich in der Kölner Südstadt sowie in der Offenen Schule Köln drehte Regisseur Bernd Sahling seinen neuen Kinderfilm „Ab morgen bin ich mutig“. Wer nun ein Kinoabenteuer mit magischen Tieren, Hexen oder Zauberschulen erwartet, wird enttäuscht: Der vielfach ausgezeichnete Regisseur erzählt eine ganz normale Alltagsgeschichte mit ganz normalen Kids. Es geht um Schule und ein Schulprojekt, um Ferien, Freundschaft und, vor allem, um die erste Liebe – mehr braucht es nicht, um eine einfühlsame, ganz aus sich heraus strahlende Geschichte zu entwickeln, die bestens unterhält.

„Ab morgen bin ich mutig“ ist fantastisch ohne Fantasy, abenteuerlich trotz Alltag, mitreißend dank charmant agierender Kids, denen der Film respektvoll auf Augenhöhe begegnet. Statt auf äußere Effekte oder dramatisch aufgesetzte Konflikte setzt er auf die Gedanken und Gefühle, Wünsche und Hoffnungen seiner jungen Protagonistinnen und Protagonisten. Dass dies so überzeugend gelingt, ist eine kleine Sensation – und leider nicht selbstverständlich für einen Kinderfilm, der meist eher kunterbunt und turbulent daherkommt.

Der Film sei zu still, hieß es. Ein Junge wie unser Hauptdarsteller würde doch gewiss gemobbt werden, das müsse im Film zu sehen sein.
Bernd Sahling, Regisseur

„Letztlich wäre uns genau das fast auf die Füße gefallen“, erinnert sich Bernd Sahling, der für seinen Film keinen Fernsehsender als Mitproduzent gewinnen konnte. Was oft schon der Todesstoß für ein Projekt ist. Sahling: „Der Film sei zu still, hieß es. Ein Junge wie unser Hauptdarsteller würde doch gewiss gemobbt werden, das müsse im Film zu sehen sein. Mit mehr Konflikten würde der Film aufregender. Ich war von Beginn an überzeugt, dass die erste Liebe mit allem, was emotional und körperlich dazugehört, Konfliktstoff genug ist. Wenn man ihn denn angemessen auserzählt.“

Im Mittelpunkt steht der zwölfjährige Karl, hinreißend gespielt vom jungen Jonathan Köhn, der die Handlung fast schon allein trägt. Karl geht in die sechste Klasse und ist in seine Mitschülerin Lea verliebt. Doch wie soll er sich ihr offenbaren? Lea ist fast einen Kopf größer als er, was Karl mittels Turnschuhe mit hohen Plateausohlen auszugleichen versucht. Die hat er bei einem Schuster entdeckt, womit ein leichter Hauch Magie ins betont wirklichkeitsnahe Geschehen einfließt. Doch Karl braucht keinen Zauberspruch, sondern eine ordentliche Portion Mut. Als Hobbyfotograf entwickelt er seine Bilder im eigenen Labor, was Lea durchaus beeindruckt, doch erst die Projektfahrt ins Schullandheim bringt beide einander näher. Die Klasse dreht einen Film zum Thema „Erste Liebe“, was die Sache zwar nicht leichter, am Ende aber doch erkenntnisreich macht. Denn ein Filmdreh ist Teamarbeit und setzt nicht nur auf Kooperation, sondern auch auf Aufrichtigkeit.

Bernd Sahling erzählt lebensnahe, betont unaufgeregte und doch tief einprägsame Geschichten

Genau dies sind Kriterien, die Bernd Sahling zur Grundvoraussetzung seines Arbeitens gemacht hat. Sahling, einer der wichtigsten deutschen Regisseure von Kinder- und Jugendfilmen, volontierte im DEFA-Studio für Spielfilme, war Regieassistent von Rolf Losansky, Hannelore Unterberg und Helmut Dziuba, studierte Regie an der HFF „Konrad Wolf“. Sein Spielfilm „Die Blindgänger“ (2004) erhielt den Deutschen Filmpreis, „Kopfüber“ (2012) war für den Europäischen Filmpreis nominiert. Hier wie auch in seinen dokumentarischen Kurzfilmen erzählt Sahling lebensnahe, betont unaufgeregte und doch tief einprägsame Geschichten. „Wenn man Kinder mit Respekt und Offenheit behandelt“, sagt er, „bekommt man dies zurückgespiegelt. Ich habe nie fehlende Solidarität erfahren, wohl wissend, dass ich privilegiert bin: Das wäre vielleicht anders, wenn ich eine Mathestunde geben soll. Doch Vertrauen zueinander ist überall möglich, das wollte ich auch in den neuen Film hineintragen.“

Zwei Glücksfälle machten am Ende „Ab morgen bin ich mutig“ möglich: Zum einen begeisterte sich die Berliner Zeitgeist Filmproduktion mit der Kölner Field Recording als Co-Produzent für das Vorhaben, zum anderen steuerte die Filmstiftung NRW entscheidende Fördermittel bei. „Das war ein Riesenschritt nach vorn, denn so viel Geld für einen Kinderfilm geben nur wenige Landesförderungen. Da an die Förderung die Bedingung geknüpft ist, das Geld in Nordrhein-Westfalen auszugeben, war schnell klar, dass wir mit einem Team aus Köln arbeiten, dort die Besetzung finden, drehen und auch Teile der Endfertigung machen. Das waren großartige Filmleute, mit denen ich in Köln und Umgebung arbeiten durfte.“ Bei der Vorbereitung war auch die erfahrene Szenenbildnerin Karin Bierbaum dabei, die sich als Location Scout betätigte. „Sie ist herumgefahren und hat Vorschläge gemacht, so auch für die Offene Schule Köln. Dort konnten wir in den Sommerferien drehen, bekamen alle Unterstützung.“

Die vielen Hürden, die das Projekt nehmen musste, sieht man dem Film in keinem Moment an. Leichthändig, ja elegant entwickelt sich Karls Ringen um die erste Liebe, spürbar haben die Kids „ihren“ Film zum Herzensprojekt gemacht. Eines ist Sahling bei alldem bewusst: „Alle meine Filme wären nicht ohne erfahrene, mutig und eigenständig urteilende Fördergremien zustande gekommen.“

Aktuell wird viel über eine von Claudia Roth angestoßene Neuordnung der Filmförderung debattiert, die für den Kinderfilm fatale Folgen haben könnte, weil es keinen geschützten Förderbereich für Kinderfilme mehr geben soll. Sahling: „Natürlich könnte man sagen, man macht jetzt nur noch Kinderfilme, die sich gut verkaufen lassen. Was in etwa so wäre, als würde man unsere Kinder ab sofort nur noch bei McDonald’s essen lassen. Doch nur wirklich besondere Filme können Kinder langfristig sensibilisieren und ihnen als eigene Kunstform Entscheidendes mitgegeben.“ Was derzeit auf dem Spiel steht, bezeugt nicht zuletzt ein Film wie „Ab morgen bin ich mutig“. Ende des Jahres plant Bernd Sahling eine Team-Premiere, 2025 bringt der Kölner Verleih Real Fiction ihn dann in die Kinos.