Adenauer als GärtnerWarum manchmal auch Blumen politisch sind
- Rund um sein Haus in Rhöndorf hegte Konrad Adenauer einen Garten mit einer Fläche von 4500 Quadratmetern.
- Hier empfing der erste Kanzler der Bundesrepublik zahlreiche Staatsgäste und machte bei Spaziergängen durchs Grün gerne Politik.
- In einem neuen Buch geht es um die schönen Geschichten rund um Adenauers Garten und darum, wie Adenauer hier mitunter Geschichte schrieb.
Köln – Gärten sind Refugien der Stille, Rückzugsorte, Oasen der inneren Einkehr und der Weltabgeschiedenheit. Irrtum! Auch Gärten sind politisch.
So gilt der französische Barockgarten als gepflanzter Absolutismus, geschaffen für die Herrscher und ihre Familien, die dort fernab von ihren Untertanen in aller Ruhe lustwandeln konnten. Den englischen Garten hingegen durchweht republikanischer Geist: Naturnähe wirkt demokratisch. Bei diesen Vorstellungen handelt es sich um Ideale, gewiss, und die prachtvoll blühenden Beete eines englischen Aristokraten des 18. oder 19. Jahrhunderts dürften mit Volksnähe herzlich wenig zu tun gehabt haben, doch auch die Ideale zeigen, dass Gärten keine aus Raum und Zeit gefallenen Gegenwelten sind. Nicht zuletzt deswegen, weil sie sich bestens als Metaphern für Politik und Gesellschaft empfehlen.
„Ich bin Gärtner, der sät, hegt und pflegt und wachsen lässt.“ Der das von sich sagte, meinte damit nicht allein die 3200, später 4500 Quadratmeter umfassende, sorgsam gehütete Fläche rund um sein Haus in Rhöndorf, das einerseits hoch über dem Rhein thront, sich gleichzeitig aber ans schützende Siebengebirge schmiegt, so dass der Garten von der warmen Luft aus dem westlichen Rheintal verwöhnt wird und dabei von den kalten Winden aus dem Osten verschont bleibt. Nein, Konrad Adenauer, der passionierte Gärtner und Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland, hatte auch die junge Demokratie im Blick, die es nach der Katastrophe des Nationalsozialismus zu hegen und pflegen und im Wachstum zu befördern galt.
Der Garten verschaffte dem Privatmann Adenauer Verschnaufpausen von der Politik, darüber hinaus aber – und auch dies ist wieder politisch – bildete seine Blütenpracht die harmonisch getönte Kulisse für vielfältige Treffen unter Regierungschefs, die hier gerne auch Weinflaschen öffneten und Kuchen vom Rhöndorfer Traditionsbäcker Profittlich genossen. Heute ist er wie das Wohnhaus und das Ausstellungsgebäude der „Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus“ Pilgerstätte für alle, die der frühen Bundesrepublik und ihrem „Alten“ noch einmal nahe sein wollen, Bildungsort für Schulklassen und Denkmal für den Kanzler-Gärtner. Demokratisch offen und frei zugänglich. Und Gegenstand eines schön gestalteten Buchs.
„Adenauer. Der Garten und sein Gärtner“ haben Christian Feyerabend und Roland Breitschuh ihren Prachtband genannt, der im Kölner Greven-Verlag erscheint. Der eine, Christian Feyerabend, Autor und Filmemacher („Die Deutschen“), hat die Geschichten rund um den Rhöndorfer Garten aufgeschrieben; Breitschuh liefert die in verschiedenen Jahreszeiten und zu unterschiedlichen Blühperioden und Wetterlagen entstandenen Fotos dazu. Das ist nicht nur schön anzuschauen; es ist auch ein politisches Buch geworden, weil die 58 Stufen zum in Steillage platzierten Wohnhaus hinauf eben auch symbolischen Wert haben und für Adenauers beschwerlichen Weg zur Kanzlerschaft stehen.
Den ehemaligen Oberbürgermeister von Köln haben die Nazis bekanntlich aus dem Amt und ins Exil getrieben. Im Kloster Maria Laach, so schrieb es Adenauer auf, las er beinahe täglich Staudenkataloge – hier entstand sein „Garten in Gedanken“, der laut Fürst Hermann von Pückler-Muskau die Voraussetzung jeder Gartenkunst ist. Am Anfang steht die Idee, dann erst kommen Harke und Gießkanne zum Einsatz, die Adenauer übrigens mit praktischen Ergänzungen versah und wie so manches andere beim Patentamt anmeldete. Allerdings war er beim Gärtnern erfolgreicher als beim Erfinden.
So wie der barocke Garten über König und Königin, so wie der englische Garten über Lord und Lady, so verrät auch der Garten in Rhöndorf viel über die Familie Adenauer – über ihren praktischen Lebenssinn etwa, als die Beete in schlechten Zeiten für die Eigenversorgung mit Gemüse genutzt wurden, ebenso wie über die Italiensehnsucht, die nicht allein den Kanzler und die Seinen, sondern ganz Nachkriegsdeutschland erfasste. Nun wuchs der Feigenbaum im Schatten des Drachenfels, und ein Kaskadenbrunnen samt Pinienzapfen entzückte den Kanzler.
Mit der Umstellung des Gartens von der Mangel- auf die Friedenswirtschaft konnte auch wieder ein Gärtner angestellt werden. Zwar packte Adenauer selbst mit an, manche Pose mit Strohhut und Schaufel nahm er allerdings ausschließlich fürs Fotoalbum ein. Die von ihm beschäftigten Gartenbaubetriebe hatten kein leichtes Leben mit ihrem Auftraggeber – erschien ihm eine Rechnung zu hoch, und das war wohl die Regel, drohte er mit dem Wechsel zu preiswerteren Firmen: „Und sie tun dann gelegentlich das Bessere.“
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Einer seiner Lieblingssprüche, „Seinse nich so pingelich“, galt jedenfalls für Haus und Garten nicht. „Wenn der Park eine zusammengezogene idealisierte Natur ist, so ist der Garten eine ausgedehntere Wohnung“, auch diese Erkenntnis verdanken wir Fürst Hermann von Pückler-Muskau. Adenauer, sein gelehriger Schüler, verstand sich auf beides: Mit dem Grüngürtel hatte er den Kölnern eine Stadtnatur verschafft, um die sie andere Metropolen bis heute beneiden; sich selbst verlieh er nicht zuletzt mit seiner Liebe zu den Rosen einen ganz eigenen Ausdruck – als Herr in Haus und Garten, der das Vielgestaltige liebte und auch die mannigfaltigen Sinneseindrücke bis hin zum Duft der Blumen und Sträucher. Aber ordentlich aufgeräumt musste das alles sein.
Das Buch
"Adenauer. Der Garten und sein Gärtner" erscheint im Kölner Greven-Verlag.