Politikwissenschaftler John Akude (CDU) ist der erste Afrodeutsche im Kölner Rat. Im Gespräch reagiert er empört auf eine Rede, die die kenianische Autorin Yvonne Adhiambo Owuor in Köln gehalten hat.
African FuturesWarum sich Kölner Ratsmitglied John Akude für diese Afrika-Rede schämt
Herr Akude, es ist noch gar nicht so lange her, dass sich der Westen die Geschichte von Afrika als verlorenem Kontinent erzählt hat. Vor kurzem fand in Köln der African-Futures-Konferenz statt und in der Eröffnungsrede hat die kenianische Autorin Yvonne Adhiambo Owuor eine ganz andere Geschichte präsentiert: Die von einem aufblühenden Kontinent, der den Westen nicht mehr braucht …
John Akude: Diese Geschichte vom aufblühenden Afrika sollte man mit ein bisschen Salz genießen. Ja, afrikanische Wirtschaften gehörten zwischen 2010 und 2019 zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaften der Welt. Aber trotz des Wachstums blieb die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Ländern aus. Wenn die Preise für Rohstoffe am internationalen Markt steigen, ist es normal, dass die Länder, die diese Rohstoffe verkaufen, ein bisschen mehr Geld verdienen. Aber wie wird aus Wachstum Wirtschaftsentwicklung? Dazu muss man das verdiente Geld investieren, in Bildung, Gesundheit, Straßenbau, usw. Es gibt mehrere Gründe dafür, warum Wachstum nicht automatisch zu einer besseren Wirtschaftsentwicklung führt: schlechtes Regieren, Korruption, eine Politik, die nicht wirtschaftlich rational, sondern zugunsten einer ethnischen Gruppe entscheidet. In den 60er Jahren war Nigeria auf einer ähnlichen Entwicklungsstufe wie Südkorea und Singapur und diese drei zählten zu den Wirtschaften mit dem besten Entwicklungspotential. Vergleichen Sie diese Länder heute, dann sehen Sie, warum man mit Prognosen über Afrika sehr vorsichtig sein muss.
Wir sprechen miteinander, weil Sie mir geschrieben haben, wie sehr sie die Rede empört hat. Sie hätten sich als Afrikaner bei dem Vortrag geschämt.
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John Akude: Ja, ich habe mich beim Vortrag geschämt, weil ich weiß, dass Afrika es viel besser kann! Frau Owuor ist nicht vom Fach. Nur weil sie tolle Romane schreibt, heißt das noch lange nicht, dass sie politische oder wirtschaftliche Entwicklungen erklären kann. Das ist ebenso falsch gedacht, wie die Idee, dass ein toller Fußballer automatisch ein role model ist. Frau Owuor rollte eine Vision nach der anderen aus, ohne Struktur und garniert mit fragwürdigen Zitaten. Alle bisherigen wissenschaftlichen Erklärungsmuster wurden ignoriert. Ihre Rede demonstriert das, was wir seit Jahren erleben, es geht nicht mehr um Fakten, sondern um das Wecken und Verbreiten von Emotionen, zumeist negativer Art. Sie war nur gekommen, um dem Westen die Meinung zu geigen. Mich erschreckt es immer mehr, dass man nur kritisch über den Westen sein muss, um sich bei uns als Star zu entpuppen, ungeachtet der Fundiertheit der Kritik.
Wo irrt die Rednerin denn Ihrer Meinung nach?
John Akude: Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Bedingungen chinesischer Kredite in Afrika sind schlimmer als die der OECD. Chinesische Kredite haben eine durchschnittliche Zinsrate von vier Prozent sowie zehn Jahre Rückzahlungsfrist. Hingegen haben Kredite der OECD-Länder eine durchschnittliche Zinsrate von ein Prozent sowie eine Rückzahlungsfrist von 28 Jahren. Aktuell laufen viele afrikanische Länder Gefahr, ihre Infrastruktur an China wegen Nicht-Erfüllung der Rückzahlungsbedingungen zu verlieren. Jetzt leiht China afrikanischen Ländern Geld, sodass diese ihre Kredite zahlen können. Die Schulden türmen sich auf. Was Russland angeht: Russland hat China gerade als größter Waffenlieferant in Afrika überholt. Diese Waffen werden hauptsächlich gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Frau Owuor genoss die Meinungsfreiheit im Westen, aber gleichzeitig gesellt sie sich zu Autokraten, die ihren Bürgerinnen selbige verwehren. Damit hat sie die Meinungsfreiheit missbraucht. Könnte sie das, was sie im Westen gegen den Westen gesagt hat, auch in China gegen China sagen, oder in Russland gegen Russland?
Aber muss sich eine Keynote-Sprecherin auf der Höhe der Forschung befinden? Es ist doch gar keine so schlechte Idee, eine Konferenz über Afrika-Studien mitten in Europa mit einer Rede zu eröffnen, die sagt: Wir brauchen euch gar nicht und wir wollen euch auch nicht. Etwa ihr Vorschlag, eine Trump’sche Mauer um den Kontinent zu errichten, das ist doch reine Polemik?
John Akude: Das ist ein dummer Vorschlag. Entwicklungsstudien kennen keine existierende Wirtschaft, die sich unter den Bedingungen einer Abkopplung weiterentwickelt hat. Im Gegenteil. Das Problem mit Afrika ist nicht der globale Handel per se, sondern die Bedingungen dieses Handels, die gegen die afrikanischen Wirtschaften wirken. Übrigens, sie hat auch den globalen Handel für Afrika empfohlen, nur nicht mit dem Westen. Wie gesagt, voller Widersprüche! Die Rede „wir brauchen euch nicht“ kann man halten. Aber nicht das afrikanische Interesse mit den Interessen der Chinesen sowie der Russen vermengen.
Die Abkoppelung beträfe allerdings nur den Westen, bleiben Asien, der Nahe Osten und die sogenannten BRICS-Staaten, in denen sich Südafrika mit anderen aufstrebenden Volkswirtschaften Brasilien, Russland, Indien und China zusammen getan hat. Egal ob einem das gefällt oder nicht. Ist diese Vision so abwegig?
John Akude: Afrika besteht aus 54 Staaten, in den BRICS-Staaten ist nur Südafrika vertreten. Das Interesse von Südafrika ist aber nicht das Interesse von ganz Afrika. Die aufstrebenden Volkswirtschaften der BRICS-Staaten brauchen Rohstoffe. Und wo gibt es diese Rohstoffe? In Afrika. Während des Kalten Krieges hat sich der Westen nicht darum gekümmert, dass in afrikanischen Ländern gut regiert wird. Diese Forderungen kamen aber, sobald der Konflikt mit dem Osten beendet war. Damit befand sich der Westen im Konflikt mit vielen afrikanischen Machthabern. Dann kamen aufstrebende Länder wie China und sagten: Wir können euch auch Kredite geben wie der Westen, aber wir respektieren eure interne Politik, egal, wie ihr eure Leute regiert. Es ist im Interesse der afrikanischen Machthaber, Geschäfte mit diesen Ländern zu machen, aber nicht im Interesse der afrikanischen Bürger und Bürgerinnen.
Schlimmer, als 500 Jahre Kolonialismus, sagt Yvonne Adhiambo Owuor, könne es gar nicht werden …
John Akude: Wenn sie sich nicht täuscht! Es ist auch nicht so, dass ich den Westen in Schutz nehmen will. Nein, der Westen hat in den letzten 500 Jahren eine Menge schlimmer Sachen in Afrika gemacht und macht sie zum Teil noch bis heute. Aber heute macht das eben auch der Osten. Selbst wenn die Europäer uns 500 Jahre lang versklavt und ausgebeutet haben, finde ich es unverständlich, dass wir heute stattdessen China oder Indien oder wen auch immer einladen sollen, uns zu versklaven und zu re-kolonisieren. Wo ist die Lektion der letzten 500 Jahre? Außerdem: Man kann auch dem Westen nicht die Schuld für alles geben, man muss sie zwischen dem Westen und den afrikanischen Machthabern teilen, die haben von der Verarmung Afrikas profitiert. Ich war mein ganzes Leben lang Teil des linken Spektrums, weil wir Afrikaner dort erfahren haben, warum wir arm sind und wie wir die Armut besiegen können. Aber in den letzten Jahren habe ich mich aus diesem Spektrum verabschiedet, weil man dort der Wahrheit nicht ins Gesicht schauen will, dass unter den reichsten Menschen auf dieser Erde heute auch ehemalige afrikanische Machthaber sind.
Aber ist es nicht die vom Westen errichtete globale Wirtschaftsordnung, die heute afrikanischen Ländern einen wirtschaften Aufstieg fast unmöglich macht?
John Akude: Jein. Nehmen Sie Ruanda, das ist ein sehr kleines Land ohne Rohstoffe. Vor 25 Jahren lag dieses Land nach einem Bürgerkrieg am Boden und sein Präsident Paul Kagame wurde überall wegen der undemokratischen Zustände kritisiert. Aber Kagame baute sein Land langsam wieder auf und nach ungefähr 15 Jahren erkannte auch der Westen, dass hier etwas entsteht und wollte mit ihm zusammenarbeiten, Deutschland inklusive. Wenn das kleinste und ärmste Land Afrikas es schaffen kann, dann können es die anderen afrikanischen Länder auch.