Im Depot 1 in Köln-Mülheim eröffneten am Donnerstag die große Afrika-Konferenz der Universität und auch das Africologne-Festival. Die Keynote von Yvonne Adhiambo Owuor sorgte dabei für Unmut.
„African Futures“-Konferenz in KölnEine unverschämte Rede zur Eröffnung
Eigentlich eine Unverschämtheit: Die kenianische Autorin Yvonne Adhiambo Owuor war am Donnerstagabend als Keynote-Sprecherin zur Eröffnung der neunten European Conference on African Studies (ECAS) im Depot 1 des Schauspiels geladen – die große Fachtagung wird vom Global South Studies Center der Kölner Universität unter der Überschrift „African Futures“ veranstaltet. Die Stadt begleitet den akademischen Austausch mit einem umfangreichen Programm für die Bürger. Mehr Afrika gab es noch nie in Köln.
Adhiambo Owuor begann ohne weitere Umschweife, überzog ihre auf 40 Minuten angesetzte Rede jedoch um mehr als eine halbe Stunde. Im Publikum stöhnte man unauffällig, die hinteren Reihen der Zuschauertribüne lichteten sich merklich – und der Schlussapplaus fiel doch sehr verhalten aus.
Das mag allerdings auch am Inhalt des Impulsvortrages gelegen haben, in dem die Vortragende eine goldene Zukunft beschwor, in der sich Afrika von dem im Niedergang befindlichen Westen ab- und sich dem Osten zuwendet: „Was auch immer als Nächstes kommt, kann nicht so teuflisch, schwächend, entmenschlichend, ausplündernd, erniedrigend, entsetzlich, böse und apokalyptisch sein wie das, was die letzten fünf Jahrhunderte für den größten Teil der Welt waren.“
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Dann zitiert Adhiambo Owuor ausgerechnet Dmitri Medwedew
Dazu lässt die Kenianerin ein Zitat ausgerechnet des russischen Ex-Präsidenten und Kriegshetzers Dmitri Medwedew einblenden: „Jedes zusammenbrechende Imperium begräbt die halbe Welt unter seinen Trümmern.“
Eine Provokation, eigentlich eine Unverschämtheit. Dabei ist die 1968 geborene Yvonne Adhiambo Owuor eine angesehene und mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin, in Deutschland sind zwei ihrer Romane im DuMont Buchverlag erschienen. Vielleicht aber genau der richtige Einstieg in eine europäische Konferenz für Afrikastudien, ein kräftiger Biss in die Hand, die glaubt in Freundschaft ergriffen zu werden, solange die andere Kredite und Hilfeleistungen bereithält.
Yvonne Adhiambo Owuor setzt dem ihre Vision eines vereinten Afrikas entgegen, „in dem die historischen Verbindungen mit Asien und dem Nahen Osten wiederhergestellt wurden“ und in dem „die Schreine der ekelerregenden Mitleids- und Elendsindustrie, die einige von Ihnen “soziale Entwicklung„ nennen, in Brand gesetzt werden“. Auf eine historische Versöhnung mit den vormaligen Kolonisatoren will sie nicht mehr warten.
Sie träumt von einem selbstbewussten, wehrhaften Afrika, davon, „einen Trump’schen Zaun um unseren Kontinent und seine Gewässer zu errichten“, versehen mit einem mehrsprachigen Warnschild: „Lasst uns in Ruhe“. Sie träumt von einer Koalition der BRICS-Staaten (also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) unter der Führung Chinas, ja sie fantasiert sogar davon, letztlich Asien zu übertreffen und eine „planetarische Hauptrolle“ zu spielen, nicht zuletzt dank der demografischen Entwicklung: „Afrika wird 50 Prozent der Babys der Welt haben“, zitiert Adhiambo Owuor einen Landsmann, „wir werden zurechtkommen.“
Es ist nicht nur die Länge. Diese Keynote ist eine Zumutung. Man möchte der Rednerin gefühlt alle zwei Minuten lauthals widersprechen, würde aber womöglich über den „Trump’schen Zaun“ hinweg gar nicht erhört werden.
Brett Baileys „Samson“ eröffnet das Africologne-Festival mit einer Stunde Verspätung
Mit einer knappen Stunde Verspätung folgte dann am gleichen Ort mit „Samson“ die Eröffnungsproduktion des renommierten Africologne-Festivals, das in diesem Jahr an die „African Futures“ angeschlossen ist. Auch das kraftvoll-poetische Musiktheater des südafrikanischen Regisseurs Brett Bailey verhandelt die Unterdrückung durch Kolonialismus und Kapitalismus, und findet in der alttestamentarischen Figur des Samson einen Archetypus für die Wut der Verdammten dieser Erde.
Allerdings einen höchst zwiespältigen, so ist er ja schon in der Bibel angelegt. Aus legitimen Zorn wird gedankenlose Raserei, sein Freiheitsdrang führt Samson gleich ins nächste Gefängnis. Nur ist er deshalb weniger gerechtfertigt?
Die ungemein dichte Inszenierung – schamanische Kostüme treffen auf symbolträchtige Videoprojektionen – verweigert einfache Antworten, wirkt zeitweise wie ein schwer zu durchdringendes Ritual, und Shane Coopers Musik spannt einen weiten Bogen von der Predigt bis zum Popsong und darüber hinaus: Für die Verräterin Delilah hat Cooper eine tief berührende Opernarie komponiert.
Yvonne Adhiambo Owuor sprach von einer neuen, kraftvoll erzählten afrikanischen Geschichte, von einem neuen Mythos für die Kinder des Kontinents. Brett Baileys „Samson“ zeigt die Widerhaken der großen, gemeinschaftsbegründenden Mythen.
Das ganze Programm von „African Futures und des Africologne-Festivals unter african-futures.koeln/ und africologne-festival.de/