Andrea Sawatzki über Rollen für ältere Frauen„Ich sehe keine positive Entwicklung”
Frau Sawatzki, Sie spielen in der Komödie „Sprachlos in Irland“ Connie, die immer alle Erwartungen erfüllen will, die an sie gestellt werden und darüber aus den Augen verliert, was sie selbst eigentlich will. Kennen Sie diesen Zwiespalt auch?
Andrea Sawatzki: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mir leichter fällt, auf meine eigene Stimme zu hören, je älter ich werde. Das liegt auch daran, dass man im Leben viele Erfahrungen, auch Fehler gemacht und Rückschläge erlebt hat. Man bekommt ein gutes Gespür dafür, was man probieren und was man lassen sollte. Und hört vielleicht auch weniger auf Menschen, die einem ins eigene Leben reinreden. Das finde ich ganz entspannt. Connie hat das noch nicht geschafft. Sie ist immer noch gefesselt in ihren Zwängen.
Aber Sie haben viel Sympathie für diese Figur, oder?
Ich habe das wahnsinnig gerne gespielt, weil ich sie sehr ernst genommen habe. Das ist der Grundsatz für jede Komödie, dass man die Menschen, die man darin spielt, in all ihren Sorgen todernst nimmt. Man darf nicht versuchen, um der Komik Willen lustig zu sein. Die Komik entsteht dadurch, dass man diesen Überlebenskampf der Figuren zeigt. Diese Herausforderung mag ich an Komödien so gerne.
Sind die Erwartungen an Frauen, allen und allem gerecht zu werden, immer noch höher?
Auf jeden Fall. Frauen müssen nach wie vor so viel unter einen Hut bringen, dass es nicht zu schaffen ist. Da ändert sich gerade etwas, aber es liegt ein Stück weit auch an den Frauen selbst. Zumindest Frauen meiner Generation sind so erzogen, dass man sich nicht helfen lässt. Dass es als Frau, Mutter und Berufstätige zum guten Ton gehört, alles mit einem lockeren Händchen zu schaffen. Ich merke an mir, dass mich das immer wieder stolz gemacht hat, dass ich es nach außen hin locker bewältige, auch wenn dann nur sehr wenig Zeit für mich selbst bleibt.
Ist dieses Locker-aussehen-lassen nicht auch ein Problem, weil es andere Frauen noch mehr unter Druck setzt?
Es ist eine Erwartungshaltung, die man im Grunde nicht erfüllen kann. Aber inzwischen ist es ja doch so, dass die Männer mehr im Haushalt und bei der Kindererziehung tun und nicht mehr in der Öffentlichkeit als schwach dargestellt werden, wenn sie sich frei nehmen, um sich um die Kinder zu kümmern. Das war lange ein Tabu.
Sie haben zwei Söhne. Sehen Sie bei denen, dass sich etwas grundlegend ändert, was Geschlechterklischees angeht?
Absolut. Wobei ich da auch eine gewisse Gefahr sehe. Unsere Söhne sind so erzogen, dass sie beispielweise sehr hilfsbereit sind, Frauen die Tür öffnen, ihnen schweres Gepäck abnehmen. Das finde ich nach wie vor wichtig. Es macht Männer nicht zu schwächeren Menschen, wenn sie Frauen gegenüber ein gewisses Maß an Höflichkeit zeigen. Ich merke aber aus Erzählungen, dass sich viele junge Frauen ungern eine schwere Tasche abnehmen lassen und das sogar als Erniedrigung ihrer Person sehen. Es ist eine Gratwanderung. Die Menschen setzen sich neue Sperrzonen und Grenzen, die doch eigentlich zu überwinden sind. Ich glaube, wir sind noch lange nicht am Ziel.
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Der Film spielt in Irland und bedient auch das Fernweh, das gerade viele haben. Spüren Sie das auch?
Bei mir ist es gar nicht so sehr die Sehnsucht danach, in andere Länder aufzubrechen, sondern sich mit Freunden zu treffen oder Feste wieder im großen Stil zu feiern. Das macht einem mehr zu schaffen, als man sich eingesteht. Man ist so überdrüssig, und es nimmt kein Ende.
Die Sprachlehrerin, die Connie in dem Film hat, betreibt zudem ein Bestattungsinstitut. Das befremdet Connie zu Beginn. Ist es ein Problem, dass wir den Tod aus unserem Leben am liebsten fernhalten wollen?
Ich merke das auch an mir. Obwohl ich schon tote Menschen gesehen und berührt habe, fürchte ich den Tod. Ich tu mich schwer damit, den Tod an mich heranzulassen. Das beschäftigt mich schon sehr, der Tod gehört zum Leben. Ich glaube, dass die Menschen früher besser damit umgegangen sind. Es ist ein wichtiges Ritual, auch für Kinder und Enkel, wenn der Tote noch für eine Nacht aufgebahrt zu Hause liegt, um mit ihm im Blick, an das Leben zu denken, das man mit ihm hatte. Das nimmt dem Tod auch ein Stück weit den Schrecken.
Zur Person
Andrea Sawatzki (58) studierte in München Schauspiel und steht seit Ende 1980er auf der Bühne. In den 1990er Jahren etablierte sie sich im deutschen Fernsehen in zahlreichen Rollen. Von 2001 bis 2009 war sie als Hauptkommissarin Charlotte Sänger im Frankfurter „Tatort“ zu sehen. Im Rahmen der Fernsehreihe „Familie Bundschuh“, einer Verfilmung ihrer Romane, spielt sie seit 2015 mit Axel Milberg. Mit ihrem Mann, dem Schauspieler Christian Berkel lebt sie in Berlin. Das Paar hat zwei Söhne.
Die Komödie „Sprachlos in Irland“ zeigt das Erste am Freitag, 7. Januar, um 20.15 Uhr. Am 18. März stellt sie bei der lit.Cologne ihren neuen Roman "Brunnenstraße" vor. (amb)
Eigentlich fängt es doch schon früher an mit der Verdrängung, oder? Erstrebenswert gilt eigentlich immer nur Jugend, mit dem Älterwerden tun sich viele schwer.
Das ist ein großes Versäumnis. Es ist unverständlich, weil ältere Menschen so viel zu geben haben. Ich kenne die Diskussion hauptsächlich aus dem Fernsehgeschäft, wo aussortiert wird und Frauen möglichst jung zu besetzen sind, was ich gefährlich finde, weil die Zuschauer ja selbst häufig selbst über 60 sind. Ich finde es schade, da eine scharfe Grenze zu ziehen. Man sollte damit anfangen, ältere Menschen nicht auszugrenzen.
Ist es für Frauen im Fernsehgeschäft nicht besser geworden in den vergangenen Jahren?
Wenn ich das Gesamtbild angucke, merke ich keine positive Entwicklung. Im Gegenteil, als ich eine junge Schauspielerin war, gab es kaum Film für Jüngere. Ich wurde immer älter geschminkt und älter besetzt, als ich war. Die Hauptbeschäftigten waren Schauspieler um die 30, 40. Je mehr die Diskussion aufkommt, dass man auch Filme für Ältere machen und mit älteren Schauspielern besetzen sollte, wird alles immer jünger. Das ist völlig gegenläufig.
Es wird ja in Pandemie-Zeiten viel über den Stellenwert der Kultur diskutiert. Glauben Sie, es könnte ein positiver Effekt dieser Zeit sein, dass uns bewusster wird, wie wichtig sie für eine Gesellschaft ist?
Es wäre sehr zu hoffen. Ich merke das immer wieder bei meinen Lesungen aus meinen Bundschuh-Romanen. Viele mussten verschoben werden, aber wenn wieder eine Lesung stattfinden konnte, haben sich die Leute so gefreut. Es war jedes Mal ein Fest. Das Zusammenkommen der Menschen, um gemeinsam etwas zu erleben, hat etwas mit dem Menschsein an sich zu tun. Ich habe da wenig Sorge, dass uns das abhandenkommt. Die Menschen hungern danach, wieder raus zu können.
Besorgt es Sie, wie sehr sich die Debattenkultur während der Pandemie verschärft hat?
Ich bin überrascht über die Vehemenz, und sie befremdet mich schon. Aber ich glaube, das ist ein politisches Problem. Das hat weniger mit einer Stellung gegen eine Impfung zu tun als mit einer Stellung gegen Demokratie. Das ist natürlich bedenklich, aber vielleicht ist es ganz gut, dass man diese Leute jetzt mal sieht, dass es offensichtlich wird, wie viel in diesem Land schiefläuft. Vielleicht ist das ja auch eine Chance.