Anti-Brexit-Song und krautiger AnsatzWarum Briten die Kölner Band Sparkling lieben
- 2013 gaben sie ihr erstes Konzert im Tsunami Club in der Kölner Südstadt. Ein halbes Jahr später spielten Sparkling in London.
- Inzwischen wohnen die Brüder Levin und Leon Krasel und ihr Freund Luca Schüten wieder in Köln.
- Doch die Eroberung Großbritanniens funktioniert auch von Mülheim aus. Zum Beispiel mit einem Song, der als Anti-Brexit-Hymne gelesen werden kann.
Köln – Sie wollten die Welt sehen: Gerade erst hatte die Kölner Band Sparkling Anfang 2013 ihr erstes Konzert im Tsunami Club in der Südstadt gegeben, da reifte in ihren Mitgliedern bereits der Wunsch, sobald wie möglich auch in der Pop-Metropole London aufzutreten. Die Brüder Levin (Gitarre, Gesang) und Leon Krasel (Schlagzeug) und ihr Freund Luca Schüten (Bass) waren kaum der Schule entwachsen – alle drei besuchten das Humboldt-Gymnasium am Kartäuserwall, da kann man solche Traumblasen schon entschuldigen.
Nur, dass die jungen Musiker ein halbes Jahr später wirklich in der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs spielten, im Hawley Arms in Camden, bekannt geworden als Lieblingstränke von Amy Winehouse und Pete Doherty.
„Das war superaufregend“, erinnert sich Leon Krasel, der ältere der beiden Brüder. „Das Live-Geschäft funktioniert dort viel schneller als in Deutschland: Nach der Show kamen verschiedene Booker auf uns zu, am Ende hatten wir innerhalb von drei Wochen zwölf Konzerte in London gespielt.“ Unter anderem traten Sparkling dabei in der Eingangshalle des Natural History Museums auf, unter Dino-Skeletten und geladenen Gästen in Abendgarderobe.
Zur Reihe und Band
Jede Kulturszene ist auf den Nachwuchs angewiesen, damit neue Impulse entstehen. Welche Ausbildungsmöglichkeiten und Perspektiven findet dieser in Köln vor, was sind Anreize, hier zu bleiben und nicht nach Berlin abzuwandern?
Sparkling haben sich Ende 2012 in Köln gegründet. 2016 veröffentlichten sie ihre EP „This Is Not the Paradise They Told Us We Would Live In“, im August 2019 erschien ihr in London, Düsseldorf und Köln eingespieltes Debüt „I Want to See Everything“ . Derzeit sind sie auf Tour, an diesem Donnerstag treten sie in Brüssel auf. (cbo)
Spätestens jetzt hatte das Trio Blut geleckt. Und beschloss, für ein halbes Jahr nach London zu ziehen. „Wir haben zu dritt auf zwölf Quadratmetern gewohnt“, erzählt Leon, „sind jeden Abend auf Konzerte gegangen, hatten jede Woche einen Auftritt und lernten Leute aus der ganzen Welt kennen. Eine superintensive Zeit.“
Die neu geknüpften Kontakte mündeten unter anderem in eine Tour durch Frankreich. Darauf folgte die erste EP „This Is Not the Paradise They Told Us We Would Live In“ („Das ist nicht das Paradies, das man uns versprochen hatte“), ein druckvolles Dokument ihrer inzwischen erheblichen Live-Qualitäten, eingespielt in den Berliner Chéz Chérie Studios mit dem Star-Produzenten Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic, AnnenMayKantereit). Dennoch zogen sie schließlich in ihre Geburtsstadt zurück, wohnen in Kalk und teilen sich einen kleinen Proberaum in Mülheim, dem einzigen Stadtteil, in dem sich eine junge Band noch Proberäume leisten kann.
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„In Köln haben wir unsere Basis“, sagt Levin Krasel. „Hier gibt es eine gute Szene, auf die man bauen kann, die nicht nur in ihrer eigenen Suppe kocht. Die Bands unterstützen sich gegenseitig, auch wenn sie ganz unterschiedliche Musik machen. Und man kann zu guten Konzerten ins Gebäude 9 gehen.“ Auch der Kunst-Szene um den Ebertplatz fühlen sich Sparkling verbunden. Und sowieso würden die Kunst- und Musikszenen in Köln zunehmend verschmelzen. Levin studiert an der Kölner Kunsthochschule für Medien. Ihre Musikvideos erstellt die Band selbst, mit Hilfe eines Teams von Freunden und Kollegen aus der KHM.
Was zudem für den Standort Köln spräche, ergänzt Leon Krasel: man sei ja von Köln aus in einer Stunde in Holland, Belgien oder Frankreich. Sparkling will eine Band ohne Grenzen sein. „Ich möchte alles sehen/ Ich möchte die Welt sehen“, lauten die ersten Zeilen, die Levin Krasel auf dem im August erschienenen Debütalbum „I Want to See Everything“ singt. Und die er daraufhin noch einmal in Englisch und Französisch wiederholt.
„Das Europäische ist unsere Substanz“
Wobei es selbstredend nicht um das Reiseprogramm für den Instagram-Account geht, sondern darum, eine Aufbruchsstimmung festzuhalten, das europäische Moment der Freiheit. „Das Europäische ist unsere Substanz“, sagt Levin. „Wir wollen, dass man diese Offenheit genießen kann, dass man ein Miteinander schafft.“
Die Mehrsprachigkeit findet sich auch in anderen Stücken des Albums, sie spiegele, sagt die Band, schlicht den Alltag junger Europäer wider, wie ihn die Sparkling-Mitglieder etwa im Studium erfahren. „Da geht es nicht um eine bestimmte Sprache“, so Levin, „da wechselt man vom Schulfranzösisch zum Englischen und wieder ins Deutsche und am Ende geht einfach um die gelungene Kommunikation.“
Musikalisch grenzenlos
Musikalisch kennt Sparkling längst keine Grenzen mehr. Konnte man die erste EP noch guten Gewissens als Indie-Rock schubladisieren, verweigert sich das Debüt der Kategorisierung, man hört britischen Rock, deutsche Elektronik und federnden Pop. Man hört Internationalität.
Als sie in Köln aufwuchsen, erzählen die Sparkling-Mitglieder übereinstimmend, seien sie sich der Kölner Poptradition kaum bewusst gewesen. Mit der, sagt Leon, wurden sie erst im Ausland konfrontiert. „In England werden wir in jedem Radiointerview nach Bands wie Can gefragt, und auch in Frankreich. Das ist krass!“ Auch mit ihrem Produzenten Andy Ramsay, in dessen Londoner Studio große Teile des Debütalbums entstanden sind, habe man sich lange über die rheinische Krautrock- und Postpunkszene ausgetauscht.
Anti-Brexit-Hymne
Der langjährige Schlagzeuger der englischen Postrock-Band Stereolab ist in Düsseldorf aufgewachsen. „Der krautige Ansatz“, schätzt Leon, „ist bei uns auch drin.“ Zumal schon damals viele Bands aus dem Rheinland den Erfolg über den Umweg nach England gefunden haben. Can, Kraftwerk, DAF und Propaganda sind die Namen, die einen spontan dazu einfallen.
„I Want to See Everything“ läuft auf englischen Sendern in der Rotation – das Lied lässt sich ja leicht als Anti-Brexit-Hymne verstehen – und Sparkling wurden prompt zu den berühmten Radio One Sessions der BBC eingeladen, als erste deutsche Band seit Ewigkeiten.