ARD-Film über Kölner Herstatt-PleiteDie Gier nach dem großen Geld
Köln – Im Juni 1974 war ganz Deutschland im Fußball-WM-Fieber. Nur in Köln war es mit der Feierlaune irgendwann schlagartig vorbei. Aufgrund undurchsichtiger Devisengeschäfte ging die Privatbank Herstatt pleite. Mit historischen Aufnahmen wütender und verzweifelter Kunden, die sich damals vor dem Sitz des geschlossenen Bankhauses versammelten, beginnt „Goldjungs“, eine Satire über jene Vorgänge vor fast 50 Jahren, die das Erste am Mittwochabend zeigt.
Was dann folgt, ist laut Einblendung von den realen Vorgängen inspiriert, aber Fiktion. Figuren, Handlungen und Dialoge seien frei erfunden. Allerdings hat das Kölner Drehbuch-Autorenpaar Volker A. und Eva Zahn den Namen der Bank und die Namen der realen Beteiligten beibehalten: des persönlich haftenden Gesellschafters Iwan Herstatt und des Bankeigentümers Hans Gerling.
Herstatt (Waldemar Kobus) nennt seine Devisenhändler, die in einem futuristisch anmutenden Saal, „Raumstation Orion“ getauft, ihren Geschäften nachgehen, „Goldjungs“ – daher der Titel. Die werden angeführt von Mick Sommer (Tim Oliver Schultz), der mit seinen Kollegen in teuren Sportwagen zur Arbeit fährt und nachts in Kölner Clubs das Geld zum Fenster hinauswirft. „The Wolf of Wall Street“ lässt grüßen. Hier sind Banker eben keine langweiligen Zahlennerds, sondern selbstverliebte Rockstars.
Nur ein Buchhalter ist skeptisch
Von denen fühlt sich auch die junge Sekretärin Marie Breuer (Michelle Barthel), die aus einfachen Verhältnissen stammt, magisch angezogen. Als sie mitbekommt, dass in dieser Bank so ziemlich jeder mit großen Summen jongliert, wird auch sie von der Gier nach dem schnellen Geld erfasst. Einzig Buchhalter Uwe Lennartz (Jan Krauter) sieht, dass die Geschäfte zunehmend aus dem Ruder laufen und alles auf den großen Krach hinausläuft. Doch niemand will auf ihn hören.
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Der Film, produziert von Zeitsprung Pictures, lässt das Köln der 70er Jahre in eindrucksvollen Bildern auferstehen. Vor dem Gebäude der ehemaligen Herstatt Bank wurden die Außenaufnahmen gedreht. Als großes Glück erweist sich, dass die Produktion ausgerechnet für die Räume der Privatbank Salomon Oppenheim, die ebenfalls pleiteging und direkt gegenüber der ehemaligen Herstatt Bank lag, eine Drehgenehmigung erhielt.
Szenen- und Kostümbild beschwören zudem bemerkenswert effektsicher das Lebensgefühl der 70er Jahre herauf. Das gelingt auch bei den abendlichen Partyszenen famos.
Der Film hat jedoch ein Problem: Es war zwar eine geschickte Entscheidung, das Mädchen von nebenan zur Identifikationsfigur für die Zuschauer zu machen. Aber in einem Film, in dem alle anderen Figuren eher Karikaturen sind, wirkt Marie Breuer mitunter wie ein Fremdkörper – weil das Prinzip der Überzeichnung bei ihr eben nicht durchgehalten wird.
Die Familie Herstatt ist erbost über den Film
Den Figuren, allen voran denen mit realen Vorbildern, kommt man nicht sehr nahe, dafür sind sie zu eindimensional gezeichnet. So wird Herstatt als jovial-kölsches Urgestein porträtiert, das arglos alles geschehen lässt und ohnehin nur Karneval und seine anstehende Geburtstagsfeier im Kopf hat.
Ein Umstand, der Herstatts (reale) Söhne sehr erbost. „Das ist keine Satire, sondern eine Verfälschung. Mein Vater, der alles verloren hatte und dem zum Schluss nur noch seine Selbstachtung blieb, wird völlig demontiert und als kranker, debiler Depp dargestellt. Das ist eine Frechheit“, sagt Johann Herstatt dieser Zeitung.
Den Irrsinn weltweiter Finanzspekulationen, die ja auch heute noch regelmäßig mit verheerenden Folgen aus dem Ruder laufen, und die Verlockungen des schnellen Geldes, denen sich die wenigsten entziehen können, bildet „Goldjungs“ sehr anschaulich ab. Um zu verstehen, wie genau es damals zu der Pleite der Bank kommen konnte, taugt der Film jedoch nur sehr bedingt.