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AuktionshausSotheby's Köln zeigt Werke aus dem WDR-Kunstfundus

Lesezeit 5 Minuten

Max Beckmanns „Möwen im Sturm“ bei Sotheby’s

Köln – Einige Bilder hingen bis vor kurzem noch in den WDR-Büros, wo sie die Mitarbeiter inspirieren oder wenigstens die Wände verschönern sollten. Jetzt zieren sie die Auslage des Auktionshauses Sotheby’s, das die wertvollsten Stücke des WDR-Kunstfundus’ im Auftrag des Senders versteigern soll – bis einschließlich diesen Freitag kann jeder die dicht gedrängte Verkaufsausstellung im Kölner Sotheby’s-Büro besichtigen. Danach reisen die teuersten Werke – Gemälde von Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein – nach New York, um dem dortigen Publikum vorgeführt zu werden; im Juni stehen die Auktionen in London an.

Es ist die erste und die letzte Möglichkeit, ein bedeutendes Stück WDR-Geschichte wenigstens teilweise in Augenschein zu nehmen. In den 1950er und 1960er Jahren erwarb der Sender vorwiegend bei Kölner Galeristen Werke der unter den Nazis verfemten Expressionisten, um mitzuhelfen, diese Kunstrichtung zu rehabilitieren – und als allgemeines Bekenntnis zur Kultur. Über Jahrzehnte waren diese Bilder das Herz der WDR-Artothek, aus der sich Mitarbeiter „ihr“ Werk für das eigene Büro auswählen konnten.

Tom Buhrow, seit bald drei Jahren Intendant des WDR, gab dieses Herz 2014 zum Verkauf frei und nannte es ziemlich lieblos eine „Ansammlung“, damit das Land NRW bloß nicht auf die Idee kommt, es vor der Abwanderung ins Ausland schützen zu wollen. Dafür musste Buhrow einen Sturm der Entrüstung über sich ergehen lassen, Kulturstaatsministerin Monika Grütters sieht gar die kulturelle Glaubwürdigkeit des Senders beschädigt. Aber am Ende hat sich der Intendant durchgesetzt.

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Jetzt blickt man bei Sotheby’s in die Runde und fragt sich, warum Buhrow in Max Beckmanns herzzerreißenden „Möwen im Sturm“ nichts anderes als ein lohnendes Geschäft und eine Ablenkung vom Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Senders sehen kann. 1937 ging Beckmann, dessen Kunst den Nazis als entartet galt, ins niederländische Exil, wo er während der deutschen Besatzung verzweifelt nach Wegen suchte, in die USA zu emigrieren. Seine 1942 gemalten Möwen übersetzen diese Notlage in eine nur scheinbar harmlose Naturbetrachtung: Die holländische Nationalflagge flattert im harten Wind der Okkupation, die auf einem Steg sitzenden Vögel scheinen unentschlossen, ob sie auf ein Abflauen des Sturmes hoffen oder sich auf die offene See hinaus ins Ungewisse wagen sollen.

Auch solche Geschichten gehen in die Preise am Kunstmarkt ein. Sotheby’s schätzt Beckmanns Gemälde auf rund eine Million Euro, ein „Alpweg“ von Kirchner soll ähnlich viel einbringen, eine Dorflandschaft von Pechstein etwa die Hälfte; die übrigen Bilder aus WDR-Besitz, überwiegend Papierarbeiten, bewegen sich im Rahmen zwischen 2000 und 60000 Euro. Es sind also keine Hauptwerke dabei, und man kann auch nicht unbedingt eine ordnende Handschrift in dieser „Ansammlung“ erkennen. Aber selbst ein Kunstblinder dürfte sehen, dass sie alles andere als zusammengewürfelt wurde. Es war viel Liebe und Kunstverstand im Spiel, und auch die zahlreichen Kirchner-Zeichnungen wurden sicher nicht als Schnäppchen oder gar als Wertanlage angeschafft. Sondern weil man der tastenden, nach Wegen suchenden Hand des Künstlers in ihnen besonders nahe zu kommen scheint.

Die Präsentation

„Ausgewählte Werke aus dem Besitz des Westdeutschen Rundfunk Köln“, Vorbesichtigung bei Sotheby’s Köln, Mozartstr. 1, bis 29. April. Geöffnet Donnerstag 10-20 Uhr, Freitag 10-12 Uhr. Eintritt frei. Zu sehen sind 25 der 48 zu versteigernden Werke.

Es stecken viele kleine Geschichten in dieser „Ansammlung“; die einen können nur die WDR-Mitarbeiter erzählen, die anderen hat Eva Donnerhack, Deputy Director bei Sotheby’s, erforscht. Der WDR kaufte damals vor der eigenen Haustür ein, und diese Nähe schreibt sich auch in den Verbindungen zwischen den Künstlern fort. So war Ernst Wilhelm Nay, der unter anderem mit einem wunderbar hingehauchten Fischerboot vertreten ist, ein Meisterschüler Karl Hofers, von dem ein Mädchen mit Orange gezeigt wird; außerdem war Nay mit einer Tochter Ernst Ludwig Kirchners verheiratet. Geradezu ein WDR-Internum ist der Ankauf der Beckmann-Möwen, zu dessen Vorbesitzerinnen die Ehefrau des Kölner Künstlers Georg Meistermann gehörte. 1952 schuf Meistermann die großen Glasfenster für das WDR-Funkhaus in Köln, von ihm steht sein „Studium eines Blattes“ zum Verkauf.

Bei Sotheby’s ist man bemüht, Befürchtungen zu zerstreuen, man werde den WDR-Besitz gewissermaßen nebenbei verkaufen. Das Auktionshaus produziert einen eigenen Katalog für die Arbeiten aus dem Kunstfundus und hofft sogar, mit dem WDR-Angebot das Interesse internationaler Sammler für die deutsche Kunstlandschaft zu fördern. Allerdings wäre es auch ziemlich peinlich, sollten die Erlöse unter den Erwartungen bleiben; dann hätten nämlich die zahlreichen Kritiker recht behalten, für die das Rheinland der bessere Marktplatz für die Versteigerung gewesen wäre.

Für den WDR wird es in jedem Fall ein gutes Geschäft. Auch Donnerhack war erstaunt, wie günstig der Sender einkaufen konnte: Hinter die in den 1950er Jahren in Mark gezahlten Preise kann man heute getrost zwei bis drei Euro-Nullen anhängen. So richtig glücklich wird der Sender mit der Auktion trotzdem nicht. Die erwarteten Erlöse von rund drei Millionen Euro sind für den WDR die sprichwörtlichen Peanuts, dafür ist der gute Ruf des Kunstförderers erst einmal gründlich ruiniert.

Da ist man beinahe erleichtert, dass wenigstens die Sotheby’s-Mitarbeiter um die Wette strahlen. Und auch für Horst Antes ist die Auktion ein Glück: Seine „Figur Herodias“ (1959) hatte der Künstler ein halbes Leben nicht gesehen – und doch gleich wiedererkannt. Allerdings war es nur eine kurze Freude. Auch Antes muss jetzt – wie der WDR, wie das ganze Land – Abschied von dieser historischen Ansammlung nehmen.