Die aufwändige Ausstellung „Superheroes“ im Düsseldorfer NRW-Forum wartet mit großen Schauwerten und dürftigen Inhalten auf.
Ausstellung im NRW-ForumWarum diese „Superheroes“ ein wenig schwach auf der Brust sind
Noch bevor man die Ausstellung „Superheroes“ im NRW-Forum betritt, kann man sich oder seine Kinder mit einem riesigen Hulk fotografieren lassen. Der grüne Wutbürger gewährt den ersten Einblick in die Schau: in die Wand hinter sich hat er ein großes Loch geschlagen.
Er straft auch gleich den ersten Erklärtext Lügen: „Ein Superheld ist eine heldenhafte Figur mit einer selbstlosen, sozialen Mission, mit außergewöhnlichen Superkräften, fortschrittlicher Technologie oder hoch entwickelten physischen, mentalen oder mystischen Fähigkeiten und einer Superheld*innen-Identität, die durch einen Decknamen und ein ikonisches Kostüm verkörpert wird, das typischerweise der Biografie der Figur, ihrem Charakter, ihren Superkräften oder ihrer Herkunft Ausdruck verleiht“, wird dort der amerikanische Comic-Forscher Peter Coogan zitiert.
Das Batmobil aus den Tim-Burton-Filmen ist auch mit dabei
Außer der Sache mit den Superkräften trifft nämlich nichts davon auf den Hulk zu, Marvels Steroid-Version von Robert Louis Stevensons „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“.
Mit den Superhelden verhält es sich etwas komplizierter, als es die wahlweise acrylbunten oder grimmig entsättigten Verfilmungen der in 86 Jahren angesammelten Literatur ahnen lassen. Und auch die Düsseldorfer Ausstellung macht es sich da allzu leicht, stürzt sich auf die offensichtlichen Schauwerte, ohne ihr Thema tiefer zu durchdringen. Ein großer Fernseher zeigt Ausschnitte aus den bekanntesten Comic-Blockbustern der vergangenen Jahrzehnte, dazu erklingt ein Soundtrack von hohlem Pathos und in der Mitte des Raums harrt ein Nachbau des formschönen Batmobils aus den Tim-Burton-Filmen dem Tritt aufs Gaspedal. Noch schöner sind allerdings die versammelten Spielzeug-Batmobile an der Wand.
86 Jahre: so lange ist es her, dass Superman, die blau-rot-gelbe Ikone des 20. Jahrhunderts, sein Debüt auf dem Cover von „Action Comics No.1“ gab. Man sieht den Muskelmann, geformt nach dem Vorbild des damaligen Hollywoodhelden Douglas Fairbanks Jr., ein Auto über seinen Kopf heben. Menschen rennen in Panik davon, sowas hatten sie noch nicht gesehen.
Eine Vitrine versammelt Dutzende von Superman-Statuetten, man staunt über die Anzahl verschiedener Interpretationen, noch größer allerdings ist der Variantenreichtum auf den daneben versammelten Heftchencovern. Die verraten die eigentliche Schwäche des ersten Superhelden: Die Allmachtsfantasie von Jerry Siegel und Joe Shuster, zweier schwächlicher jüdischer Jungen aus Cleveland, ist allzu mächtig geraten. Allmonatlich mussten sich die Superman-Autoren einen neuen wunden Punkt des stählernen Messias ausdenken. Mal sieht man den Helden als Telefonzellen-sprengenden „Super-Fatso“, mal lässt er sich von einem Schulbuben mit Laserstrahl-Krücken überrumpeln.
Spider-Man hieß einst „Die Spinne“ und The Flash „Der rote Blitz“
Eine andere Vitrine zeigt deutsche Comic-Ausgaben, die bis in die 1980er Jahre hinein auch noch die Namen der US-Helden eindeutschten: „Die Spinne“, „X-Männer“ (und DCs The Flash, möchten wir noch ergänzen, war „Der rote Blitz“). Das mag man heute belächeln, aber die Ausstellung kriegt es selbst nicht ganz richtig hin und benennt Spider-Man stur als „Spiderman“, der Bindestrich diente einst der Abgrenzung zum Supertypen des Konkurrenzverlags.
Bei all der Mühe, die sich die Kuratoren Alain Bieber und Judith Winterhager mit der sinnlichen Aufbereitung gemacht haben – hier steckt Captain Americas Schild in der Wand, dort erklingt schauerlich das Lachen des Jokers, insgesamt haben sie 1600 Objekte zusammengetragen – möchte man mehr inhaltliche Sorgfalt einfordern. Die lange Galerie der Statuetten, allesamt teure Sammlerstücke, überwältigt. Welche Helden oder Superschurken sie zeigen, bleibt jedoch unerwähnt, die Muskel- und Kostümshow läuft ins Leere, beziehungsweise endet bei einer lebensgroßen Harley Quinn. Von dem Joker-Fangirl hätte man zum Beispiel erzählen können, dass sie nicht zu den klassischen Comic-Gegenspielern Batmans gehört, sondern für die Cartoon-Show „Batman: The Animated Series“ konzipiert wurde.
Aber „Superheroes“ weiß nichts über sein Thema, oder will jenseits der allgemein verbreiteten Vorstellung von Superhelden nichts wissen. Das Verlagsgeschäft der 1930er Jahre hätte man beleuchten können, den Graphic-Novel-Boom der 1980er oder die anschließende Flaute, aus der die kriselnden Comic-Helden schließlich als die eigentlichen Kinostars der Nuller und Zehner Jahre hervorgingen. Mindestens aber hätte man den Künstlern mehr Raum gewähren sollen – angemessen gewürdigt wird nur der Düsseldorfer Lokalheld Nic Klein und seinen ins Groteske spielenden Entwürfen von Marvel-Grundpfeilern wie Thor, Deadpool oder dem Hulk. Nur wo bleiben Zeichner wie Jack Kirby, Steve Ditko oder Neal Adams? Originalblätter gibt es hier nur jüngeren Datums zu sehen.
Die verschiedenen zeitgenössischen Positionen, die die Ausstellung flankieren – am eindrücklichsten Patricia Waller sanft ironische Häkelhelden, die sich in Netzen verfangen oder blutig gegen Wände knallen – werden selbstverständlich namentlich genannt, viele Zeichnungen bleiben dagegen anonym. Ist halt doch nur Massenkunst, muss man nicht so genau nehmen. Comic-Autoren werden gleich gar nicht erwähnt. Dabei bestehen Superhelden doch nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Geschichten. Ohne Szenaristen wie Stan Lee, Grant Morrison oder Alan Moore gäbe es diese Ausstellung wohl gar nicht. Doch in Düsseldorf könnte man meinen, die Superhelden wären einfach so am Himmel erschienen.
Sehr viel ergiebiger ist der zweite Teil der Ausstellung, der zwar nur kurz die japanische Anime-Kultur und das Propaganda-Potenzial der prügelnden Vorbilder anreißt, dafür aber umso mehr über die Diversifizierung des Genres zu sagen hat. Egal, ob diese in parodistischer oder hochmoralischer Absicht geschieht, oder beides. Längst haben die großen Verlage erkannt, dass eine breite Leserschaft auch nach einem breit gefächerten Personal verlangt, nach schwulen oder muslimischen Superhelden. Die X-Men, in den 1980er Jahren Marvels populärster Titel, waren schon immer eine Außenseiterbande.
Aber die inoffiziellen queeren Versionen bekannter Marvel-Charaktere der „Polari Comic Group“ sind noch einmal lustiger und auch erhebender: „The Grateful Spider-Gimp“ oder ein cross-dressender Professor X. Ob herrlich derb wie die Animationen des „Durchfall-Man“, über dessen Superkraft wir lieber schweigen wollen, oder liebevoll wie Jörg Buttgereits „Captain Berlin“ oder die „Nerd-Girl“-Reihe der Kölner Comic-Künstlerin Sarah Burrini. Die funktionieren allerdings so gut, weil sie ihr Material ernst nehmen.
„Superheroes“ ist noch bis zum 11. Mai 2025 im NRW-Forum Düsseldorf zu sehen.