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Interview

Ausstellung im Odysseum Köln
Warum Mostafa Waziri Ramses nach Köln bringt und Nofretete zurückholen will

Lesezeit 8 Minuten
Mostafa Waziri hält in den Gängen des Odysseums Köln ein Plakat der Ausstellung "Ramses & Das Gold der Pharaonen". Die Ausstellung ist ab 13. Juli 2024 zu Gast im Odysseum. Dr. Mostafa Waziri hat sich vor Ort ein Bild gemacht.

Ägyptologe Mostafa Waziri bei seinem Inspektionsbesuch im Kölner Odysseum

Im Interview erklärt der Star-Ägyptologe, wie er auf seine aufsehenerregenden Funde gestoßen ist – und warum Ramses Archäologen verrückt macht.

Am 13. Juli kommt die große Ausstellung „Ramses & Das Gold der Pharaonen“ nach ins Kölner Odyseeum. Es ist das erste und das letzte Mal, dass die 180 Artefakte aus dem alten Ägypten, unter anderem der Sarkophag Ramses II, in Deutschland gezeigt werden. Wir sprachen aus diesem Anlass mit dem langjährigen Generalsekretär des Supreme Council of Antiquities, Mostafa Waziri. Der Archäologe (Jahrgang 1967) ist der einzige lebende Mensch, nach dem ein altägyptischer Papyrus benannt ist.

Mostafa Waziri, am 13. Juli gastiert die internationale Wanderausstellung „Ramses & Das Gold der Pharaonen“ erstmals in Deutschland, im Kölner Odysseum. Lassen Sie uns mit dem Star der Schau beginnen. Wer war Ramses der Große?

Mostafa Waziri: Wussten Sie, dass wir elf Ramses-Könige haben? Unsere Ausstellung handelt von Ramses II, dem großen Ramses, dem berühmtesten König der altägyptischen Geschichte. Er regierte 67 Jahre lang und starb im hohen Alter von 90 Jahren.

Damit war er der am längsten regierende König aller Dynastien?

Ja, er war sehr mächtig, die 19. Dynastie des neuen Reiches war sehr stark. Und er hat uns als Archäologen verrückt gemacht. Wo immer wir graben, finden wir etwas von Ramses. Nicht nur in Luxor, überall in Ägypten. Wegen Ramses bin ich überhaupt erst Archäologe geworden.

Der Sarg Ramses II in der Ausstellung „Ramses & Das Gold der Pharaonen“, die am 13. Juli nach Köln kommt.

Der Sarkophag von Ramses II in der Ausstellung

Erzählen Sie!

Ich stamme aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Luxor. Als ich elf Jahre alt war, machten wir einen Schulausflug zum Karnak-Tempel. Ich stand vor der kolossalen Statue von Ramses II, 11 Meter hoch. Ich fragte den Lehrer, ob die alten Ägypter so groß waren? Er sagte, ich solle aufhören, zu fragen. Dann sah ich die Hieroglyphen. Ich fragte: Ist das eine Sprache, kann das jemand lesen? Was steht dort geschrieben? Der Lehrer befahl mir wieder, keine Fragen zu stellen. In diesem Moment beschloss ich, Archäologe oder Ägyptologe zu werden. Ich habe die Schule mit sehr gutem Abschluss beendet. Ich hätte Arzt werden können. Aber ich wollte alles über die alten Ägypter herausfinden, ich wollte Ausgrabungen machen.

Wo und wann haben Sie dann Ihre Karriere begonnen?

1989 begann ich mit Ausgrabungen auf dem östlichen Friedhof der Pyramiden. Nur eine Woche nachdem ich mit der Arbeit begonnen hatte, bemerkte ich einen Kalksteinblock im Boden, auf den jeder achtlos trat. Ich versuchte, ihn anzuheben, er war zu schwer. Dann bat ich einen der Arbeiter, mir zu helfen. Es war eine unvollendete Sphinx-Statue, 72 mal 25 Zentimeter. Sie steckte kopfüber in der Erde.

Sie haben danach noch viele Ausgrabungen geleitet. Ich habe eine sehr naive Frage: Woher wissen Sie, wo Sie als Nächstes graben sollen?

Die meisten meiner Kollegen sagen: Mostafa, du hast so ein verdammtes Glück. Wo immer ich sagte, wir würden graben, haben wir etwas gefunden. Woher ich das weiß? Ehrlich gesagt, es ist nur ein Gefühl. Ich arbeite seit 35 Jahren als Ägyptologe. Das, was ich am liebsten tue, ist zu graben und zu enthüllen. Das ist meine Arbeit, mein Leben, meine Hoffnung. Als 2011 die Revolution Ägypten erschütterte, ging uns das Geld aus, wir mussten aufhören zu graben. Da lag ich innerlich im Sterben. Als wir 2016 endlich wieder mit den Ausgrabungen begannen, entdeckten wir eine Menge. Wir fingen mit nur drei ägyptischen Missionen an, inzwischen konnten wir sie auf 55 aufstocken. Ich leite die meisten.

Woher ich weiß, wo man graben soll? Ehrlich gesagt, es ist nur ein Gefühl.
Mostafa Waziri

Im Jahr 2017 wurden Sie Leiter der ägyptischen Denkmalpflegebehörde, wie haben Sie da noch Zeit gefunden, Feldforschung zu betreiben?

Vor 2017 hatte ich 25 Jahre lang in Luxor gearbeitet. Aber mein neues Büro war in Kairo, also wählte ich Sakkara als neue Ausgrabungsstätte, nur 20 Kilometer von Kairo entfernt. Das ganze Gelände ist etwa 40 Quadratkilometer groß. Ich habe eine Fläche von ein paar 100 Quadratmetern ausgewählt. Wir begannen im April 2018, nach sechs Monaten fanden wir ein unberührtes Grab aus der fünften Dynastie des Alten Reiches, 4400 Jahre alt, 65 Statuen, die in einen Berg gehauen waren, den seit Tausenden von Jahren niemand angerührt hatte. Ein paar Monate später fanden wir ein großes Versteck mit Tiermumien.

Warum sind Sie dann nicht in Sakkara geblieben?

Plötzlich sprach die ganze Welt über Sakkara. Also sagte ich zu meinem Team: Lasst uns woanders hinfahren, um unser Glück zu testen. Wir fuhren nach al-Minya, drei Autostunden von Kairo entfernt. Das war im Februar 2019. Meilenweite Sahara. Wir zelteten neben einem der kleinen Berge, neun Monate lang, mitten im Nirgendwo, zwischen Skorpionen und Schlangen. In diesen neun Monaten entdeckten wir fünf Sarkophage aus Kalkstein und mehr als 10.000 gravierte Ushabti-Figuren aus blauer und grüner Fayence. Nach fast einem Jahr kehrten wir nach Sakkara zurück. Diesmal fanden wir einen tiefen Schacht mit 50 Holzsärgen in perfektem Zustand. Weniger als einen Monat später fanden wir einen weiteren Schacht mit 157 Särgen. Fünf Monate später 250 Holzsärge. Wir fragten die Museen schon gar nicht mehr, ob sie die Särge in ihre Sammlung aufnehmen wollten, wir mussten unseren Lagerraum vergrößern. Vor eineinhalb Jahren öffneten wir einen der Särge. Wir fanden etwas sehr Merkwürdiges, etwas, das ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte.

11.03.2024 Köln. Die Austellung "Ramses & Das Gold der Pharaonen" ist ab 13. Juli 2024 zu Gast im Odysseum. Dr. Mostafa Waziri hat sich vor Ort ein Bild gemacht.

Mostafa Waziri beim Gespräch im Kölner Odysseum.

Das muss dann wohl der inzwischen berühmte Waziri-Papyrus gewesen sein?

Können Sie sich vorstellen, dass seit 125 Jahren niemand mehr einen intakten Papyrus in Ägypten entdeckt hat? Bislang wurden nur fünf intakte Papyri gefunden. Und der Waziri-Papyrus ist der Einzige, der sich noch in Ägypten befindet. Wir haben ihn sofort nach Kairo gebracht, in das große Labor des Ägyptischen Museums. Nach einigen Monaten der Befeuchtung begannen wir, ihn zu entfalten, und jeden Tag fragte ich nach: Wie viele Meter ist er lang? Am Ende waren es 16 Meter, 113 Kapitel des Buches des Todes, geschrieben in hieratischer Schrift. Als die Forscher den Papyrus „Waziri I“ tauften, fragte ich: „Warum Eins?“ Sie antworteten: Wir vertrauen dir. Vor sechs Monaten fanden wir Waziri II, vor drei Monaten Waziri III, vor 60 Tagen die Nummer vier. Die werden nach der Befeuchtung im Kairoer Museum und im Großen Ägyptischen Museum ausgestellt sein.

Das sollte schon 2020 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh eröffnen. Wann wird es endlich so weit sein?

Wir hoffen, dass die Bauarbeiten noch in diesem Monat abgeschlossen werden. Dann können wir die große Eröffnung planen. Das Museum ist ein Geschenk Ägyptens an die Welt. Es ist das größte Museum der Welt, eine halbe Million Quadratmeter groß. Zum ersten Mal werden Sie die 5398 Stücke der Tutanchamun-Sammlung an einem einzigen Ort sehen. Sie werden das 43 Meter lange Holzboot von König Cheops sehen. Und Sie werden alle neuen Entdeckungen der letzten sechs Jahre in Ägypten sehen können. Alles in allem werden es 57.000 Stücke sein.

Armreifen von Scheschonq II.

Die Armreifen von Scheschonq II., ein Hohepriester des Amun in Theben während der 22. Dynastie

Welche neuen Erkenntnisse über die altägyptische Geschichte haben Sie denn aus ihren letzten Ausgrabungen gewonnen?

Eine Menge. Wir wussten zum Beispiel nicht, dass die Ägypter Skarabäen, grüne Meerkatzen, Mungos und Löwenjunge mumifiziert haben. Letztes Jahr haben wir in Sakkara zwei Werkstätten für die Mumien gefunden, eine für Tiere, eine für Menschen. Wir wissen jetzt mehr über die verschiedenen Materialien und Werkzeuge, die sie benutzt haben. Wir haben auch viel von dem Papyrus gelernt, denn er enthält mehr Kapitel des ägyptischen Totenbuchs als der Greenfield-Papyrus im Britischen Museum.

Es gibt eine Menge prominenter ägyptischer Artefakte in europäischen und amerikanischen Museen, den Rosetta-Stein im Britischen Museum, die Nofretete-Büste in Berlin. Wie stehen Sie zu einer möglichen Rückgabe dieser Objekte?

Es gibt Tausende von Stücken in den europäischen und amerikanischen Museen. Die meisten dieser Artefakte halte ich für sehr gute Werbeträger und Botschafter für Ägypten. Aber vier Stücke sollten in Ägypten sein: Der Rosetta-Stein, die einzige Statue von Hemiunu, dem Architekten der Cheops-Pyramide, die sich im Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim befindet, der Tierkreis von Dendera, der sich im Louvre befindet, und natürlich der Kopf von Nofretete. Diese Objekte haben für die Ägypter eine große Bedeutung.

Die Nofretete-Büste ist einzigartig und Ägypten ist ihr Mutterland.
Mostafa Waziri

Warum gerade diese vier?

Weil sie einzigartig sind. Dem Gesetz nach sollten sie in Ägypten sein. Wir sind 106 Millionen Menschen, wir werden es zu schätzen wissen, wenn die Deutschen uns das Haupt der Nofretete und die Statue von Hemiunu eines Tages zurückschicken werden. Ich respektiere die Deutschen, sie arbeiten schon seit langem in Ägypten, machen großartige Ausgrabungen hier, restaurieren, konservieren und veröffentlichen Fachartikel. Aber die Nofretete-Büste ist einzigartig und Ägypten ist ihr Mutterland.

Jetzt schicken Sie selbst einige unersetzliche Artefakte um die Welt. Gab es irgendwelche Diskussionen über das Risiko?

Sie meinen, ob das Flugzeug mit den Schätzen abstürzen wird? Ich fliege morgen zurück nach Ägypten, ich glaube nicht, dass mein Flugzeug abstürzen wird. Man lässt Könige, Königinnen und Präsidenten um die Welt fliegen. Die Römer haben das Kolosseum gebaut, obwohl schon am nächsten Tag ein Erdbeben alles zerstören könnte. Wir veranstalten seit über 25 Jahren Ausstellungen in der ganzen Welt. Bis jetzt ist kein einziger Unfall passiert.

Und die Ramses-Ausstellung soll also auch ein Botschafter für Ihr Land sein?

Ja. Schließlich können nicht alle Deutschen einfach nach Ägypten fliegen. Also geben wir ihnen so etwas wie einen Appetithappen, einen Vorgeschmack. Die Soft Power Ägyptens ist seine Geschichte, seine Kultur. Wir schicken unsere Objekte bewusst in Länder, die unsere Geschichte zu schätzen wissen. Ich weiß, dass die Deutschen stets mit einer großen Leidenschaft für die Kultur nach Ägypten reisen.

Die Touristenzahlen sind nach der Revolution von 2011 dramatisch zurückgegangen, haben sich nur langsam wieder normalisiert.

Das ist so, aber lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben: Nach der Revolution wurden die Charterflüge von Frankreich nach Ägypten gestrichen. Dann haben wir die Tutanchamun-Ausstellung nach Frankreich geschickt. Anschließend wurden die Charterflüge wieder aufgenommen.


Die Ausstellung „Ramses & das Gold der Pharaonen“ wird am 13. Juli in Köln eröffnet. Hier finden Sie alle Infos.