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„Electro“-AusstellungWie machen sich Kraftwerk und Daft Punk im Museum?

Lesezeit 5 Minuten

Düsseldorf – Wie stellt man Musik aus? Eine Frage, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Auch nicht in der neuen, aufwändig gestalteten Schau „Electro. Von Kraftwerk bis Techno“, die jetzt im Düsseldorfer Kunstpalast zu sehen ist.

Es ist erst vier Jahre her, dass Kraftwerk im Ehrenhof, direkt vor den Toren des Kunstpalastes, ein denkwürdiges Freiluftkonzert zur Großen Abfahrt der Tour de France gegeben haben. Damals erzählte man sich, Tour-Direktor Christian Prudhomme hätte Düsseldorf nur deshalb für den Grand Départ ausgewählt, weil er sich vor Ort ein Konzert der Radsport-Enthusiasten gewünscht hatte.

Nun war es Kraftwerk-Mitgründer Ralf Hütter, der den Kunstpalast-Direktor Felix Krämer auf eine Ausstellung in der Pariser Philharmonie aufmerksam machte, die nun noch einmal erheblich erweitert wurde.

Fantastische Tüftlerstücke

Denn „Electro“ erzählt nicht nur den doch relativ kurzen Zeitraum von Kraftwerk bis Techno, sondern die gesamte, gut hundertjährige Geschichte der elektronischen Musik. Geht es darum, deren Anfänge darzustellen, fällt die Beantwortung der oben gestellten Frage noch relativ leicht: Man zeigt zuerst einmal die elektronischen Instrumente, ohne die es keine elektronische Musik gegeben hätte.

Es gibt fantastische Tüftlerstücke zu entdecken. Etwa das „Croix Sonore“, 1926 auf Betreiben des russischen Komponisten Nikolai Obuchow in Paris entworfen: Ein großer, goldglänzender Art-Deco-Reichsapfel, dessen Kugel einen Oszillator verbirgt, während das Kreuz als Antenne fungiert. Es wird berührungslos gespielt, mit theatralischen Gesten, wie das bekanntere Theremin. Oder Friedrich Trautweins Trautonium, ein Synthesizer-Vorläufer, auf dem unter anderem die künstlichen Vogelschreie für Hitchcocks „Die Vögel“ erzeugt wurden.

Karlheinz Stockhausen rotiert

In einer großen Glasvitrine findet man ausgesuchte Gerätschaften aus dem Studio für elektronische Musik des WDR, darunter Karlheinz Stockhausens legendären Rotationstisch. Auch der wirkt auf den ersten Blick wie eine Bastelarbeit: Eine runde, drehbare Tischplatte auf drei Beinen, die einen Lautsprecher trägt. Und ist doch die erste Vorrichtung, die es ermöglichte, Töne in Bewegung auf Magnettonband zu bannen – um anschließend mit ihnen zu komponieren. Wenn dies auch „Missbrauch von Heeresgerät“ ist – unter diesem Bonmot fasste Friedrich Kittler jede elektrisch erzeugte Musik des 20. Jahrhunderts zusammen – dann jedenfalls ein sehr spielerischer.

Eine theoretische Unterfütterung der verschiedenen Ansätze, oder eine Ideengeschichte elektronischer Musik sucht man in der Ausstellung leider vergeblich. Was Stockhausen mit dem Chicagoer House-DJ Frankie Knuckles oder dem Detroiter Techno-Zauberer Jeff Mills – dessen eckenverstärktes Flightcase wie eine Reliquie auf einem Sockel ins Scheinwerferlicht gestellt wird – verbindet, das muss sich der Besucher selbst erschließen. Die kurzen Texte zu den einzelnen Stationen wiederholen nur sattsam bekannte Klischees.

Jean-Michel Jarres Laserharfe

Es bleiben Schauwerte: Gegenüber dem Kölner Studio findet sich die Musikaliensammlung Jean-Michel Jarres. Frankreichs Synthie-Gott nennt einen ganzen Maschinenpark sein eigen und hat auch selbst immer wieder zur Entwicklung neuer Instrumente beigetragen. Bestaunen kann man hier seine „Laserharfe“, die gespielt wird, indem der Musiker die gebündelten Lichtstrahlen unterbricht. In seinen megalomanischen Konzerten präsentiert Jarre eine Riesenversion der Harfe, die grünen Laserstrahlen greifen als Lichtdom in den Himmel. Klangerzeugung wird zum Spektakel.

Wahren Ikonen-Charakter muss man den Roboterhelmen von Daft Punk zuerkennen. Das Pariser Duo hat wie kein zweites zur Popularisierung der elektronischen Musik beigetragen, ihr zweites Album „Discovery“, aus dessen Zeit die ausgestellten Accessoires stammen, ist eine Blaupause für den Mainstreampop der letzten 20 Jahre. Im Februar dieses Jahres hatten Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter ihr Projekt aufgelöst. Ihre verchromten Masken wollten sie erst hergeben, als Ralf Hütter persönlich zum Telefon griff.

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Tatsächlich interessieren sich die Kuratoren Jean-Yves Leloup und Alain Bieber weniger für einzelne Musiker als für die Szenen, die um die ortsspezifischen Ausrichtungen elektronischer Tanzmusik herum entstanden sind: Die Hacienda in Manchester, die Paradise Garage in New York, das Berghain in Berlin, ihnen allen sind Einzelstände mit Bildern, Tönen und Exponaten gewidmet. Diese museale Einhegung wird ad absurdum geführt, wenn die LGBTQ-Community, als treibende Kraft dieser Szenen und ihrer Freiheitsversprechungen, in eben so eine Dreiwand-Ecke verbannt wird, repräsentiert durch eine recht willkürliche Sammlung homoerotischer Flyer.

Vieles erinnert hier an frühere, konzeptuell gescheiterte Versuche, Pop in den White Cube zu stecken: Plattencover, Fotos großer Plattensammlungen oder überbelichteter Tänzer, zweitklassige Kunstobjekte, die vordringlich dem Vinylfetisch ihrer Schöpfer huldigen. Das sind keine überzeugenden Antworten.

Das Beste ist ein leerer Raum

Besser funktioniert ein Raum, der die Publikumspanoramen des Düsseldorfer Fotografen Andreas Gursky statt vor weißer Wand im Clubkontext zeigt, noch besser die fast sechsstündige Playlist Laurent Garniers, mit der die Räume beschallt werden.

Und am besten der fast leere Raum in der Mitte der Ausstellung. Große Neonziffern an der linken Wand zählen von eins bis acht, stellvertretend für die acht stilbildenden Konzeptalben Kraftwerks. Eine Leinwand am Ende des Raumes zeigt die 3D-Animationen, mit denen die Band auch ihre Konzerte illustriert. Eine entsprechende Brille erwirbt man mit dem Kauf des Tickets, die Songs der Düsseldorfer Visionäre umhülen die Besucher im glasklaren Surround-Sound. Es ist ein Kraftwerk-Konzert ohne Kraftwerk. Das, was übrig bleibt, wenn das Soziale zur Installation wird.

„Electro. Von Kraftwerk bis Techno“ ist bis zum 15. Mai 2022 im Kunstpalast Düsseldorf zu sehen. Der Katalog kostet 24,80 Euro.