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Daft PunkWarum diese Trennung so schmerzt wie das Ende der Beatles

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Daft Punk 1993-2021

Paris – Als Daft Punk am Montag ihre Auflösung bekannt gaben, fühlte sich das ein wenig wie die Trennung der Beatles an. Obwohl seit dem letzten Album des französischen House-Duos bereits acht Jahre vergangen sind. Das ist ein Jahr länger als die gesamte Studiokarriere der Beatles.

Nichtsdestotrotz: der Gedanke, dass Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter im Prinzip jederzeit ihre Roboterhelme wieder aufsetzen könnten, war ein beruhigender.

Weil sich mit Daft Punk nicht nur viele schöne Erinnerungen verbinden, sondern ihre Tracks geradezu Supraleitungen ins Wunderreich der Kindheit und frühen Jugend bilden, ein reibungsloser Ritt zurück ins Glück. Mögen andere ihre Madeleines in Lindenblütentee tunken, wir holen uns die verlorene Zeit mit einer alten Daft-Punk-Maxi zurück.

Peinlich rockt härter

Vielleicht mit „Around the World“, herrlich dumm, direkt und repetitiv und doch vom derselben Wesensart wie all die Lieblingshits im Radio — „Popcorn“, „Funkytown“, „Mr. Roboto“ — die einem später peinlich waren. Und die nun, in den Händen zweier junger Männer aus Paris härter rockten als Nirvana.

In ihren Anfängen gehörten Daft Punk zur Welle des so genannten French Filter House. Der heißt so wegen des hier besonders effektiven Einsatzes etwa von Tiefpass-Filtern, bei denen der Klang zunächst dumpf wie unter Wasser klingt, um dann umso schöner zu erstrahlen, wie die aufgehende Sonne.

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Wenn es um ihre musikalischen Vorbilder ging, ließen Daft Punk aber alle Filter offen, bekannten offen ihre Liebe zu Jazz- und Progrock, zu Disco, zu Kiss, dem Electric Light Orchestra und Queens „Flash Gordon“-Soundtrack, oder verwendeten Samples aus der 1-Euro-Grabbelkiste, von Barry Manilow bis zum Alan Parsons Project.

Das kann man alles auf ihrem zweiten Album und eigentlichen Meisterwerk „Discovery“ nachhören: Vor 20 Jahren fielen die Besprechungen eher verhalten aus. Heute klingen die halben Charts wie „Discovery“.

Übergroße Spielzeugfiguren

Damit sie privat wie normale Erwachsene leben konnten, versteckten sich Bangalter und de Homem-Christo zuerst hinter allerlei Plastikmasken und bald hinter golden und silbern glänzenden Roboterhelmen, wie Spielzeugfiguren in Übergröße. Früher assoziierte man elektronische Musik oft mit kühler Intellektualität, siehe Kraftwerk, aber ausgerechnet die Menschmaschinen von Daft Punk brachten das kindliche Staunen auf die Tanzfläche. Sie haben — und das ist ausdrücklich als Kompliment gemeint — House und Techno uncool gemacht und damit für das breite Publikum geöffnet.

Mitte der 1990er wusste man schon, dass man auf der richtigen Party war, wenn der DJ „Da Funk“ auflegte, das erste Lebenszeichen des Duos. Mitte der Zehner Jahre sang die ganze Welt „Get Lucky“ — die Roboter hatten den Zugang zum allgemein Menschlichen gefunden.

Ein persönliches Dankeschön

Bleibt mir nur, ganz persönlich „Danke“ zu sagen. Danke für das wildtrunkene Geburtstagsgehopse, bei dem wir torkelnd die Gastherme aus der Wand rissen (und Entschuldigung an meine damaligen Mitbewohner). Danke für die Videos, für Michel Gondrys tanzende Mumien, für Spike Jonze rührenden anthropomorphen Hund, so allein im nächtlichen New York. Danke für „Harder Better Faster Stronger“, den Track, der beweist, dass nichts so kickt wie die menschliche Stimme — wenn sie auf Maschinen trifft. Danke für das unglaubliche Pyramiden-Konzert im Turiner Parco della Pellerina, bei dem ich inmitten von 60.000 Tanzenden einen Schuh verlor und ihn glücklich greifen konnte, als er plötzlich wieder vor mir durch die Luft flog.

Danke für die Autofahrt zum Strand, auf der wir zum ersten Mal „Get Lucky“ im Radio hörten. Vorne erfanden die Erwachsenen eine spontane Arm-Choreografie, hinten riefen die Kinder: „Hände ans Steuer!“ Danke noch für die letzten Projekte, bei denen die Staffel weitergereicht wurde, für „Starboy“ von The Weeknd, für „Overnight“ von den Parcels. Oh, und danke, dass ihr Giorgio Moroder noch einmal auf Tour geschickt habt.

Schwer zu glauben, dass das fast 30 Jahre waren. Noch schwerer zu glauben, dass diese Zeit jetzt zu Ende ist. Daft Punk, das waren die Beatles der Bassdrum.